Viele, viele bunte Smartphones

Die aktuellen Smartphones kombinieren die volle Leistung eines PDA mit den heute gängigen Mobilfunkstandards.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/09

     

«Ein Smartphone vereint den Leistungsumfang eines Mobil­telefons mit dem eines PDA», heisst es in der Wikipedia. Diese Definition trifft den Nagel exakt auf den Kopf: Neben einem integrierten Mobilfunkteil mit Telefon- und Modem-Funktionalität bietet ein Smartphone mehr oder weniger alle Funktionen eines modernen PocketPC- oder Palm-PDA sowie umfassende Integration mit PCs und Unternehmensnetzwerken.


Nicht jedes Handyist ein Smartphone

Die meisten Mobiltelefone, ausser den allereinfachsten Einstiegsmodellen, bieten heute elementare Organizer-Funktionen mit Kontaktverzeichnis und Kalender und ermöglichen mit einer integrierten Java-Runtime-Engine die Installation zusätzlicher Anwendungen. Die Hersteller sind teilweise dazu übergegangen, nahezu jedes Handy der Oberklasse als «Smartphone» zu vermarkten.
Zu einem echten Smartphone gehören aber drei essentielle Ausstattungsmerkmale:


• Ein waschechtes PDA-Betriebssystem, das nicht bloss die gängigen Handy-Funktionen abdeckt, sondern von Grund auf für den Betrieb unterschiedlicher Applikationen ausgelegt ist und über ein Niveau an Connectivity und Security verfügt, das den aktuellen Bedürfnissen der Unternehmensinformatik entspricht. Ein Smartphone sollte beispielsweise VPN-Verbindungen zum Firmennetzwerk beherrschen, sich in ein WLAN einklinken können und einen E-Mail-Client für möglichst viele Umgebungen (POP3, IMAP, Exchange, allenfalls Notes)
und mehrere unabhängig vonein­ander konfigurierbare Accounts enthalten.


• Einen Bildschirm mit genügender Auflösung zum Umgang mit Office-Dokumenten und Webseiten, typischerweise mindestens 240x240 Pixel, besser mehr, bieten Smartphones meist weniger als ihre mobilfunklosen PDA-Geschwister: Ausser dem recht schweren und grossen Qtek 9000, das bei Orange unter dem Namen SPV M500 zu haben ist, bietet kein aktuelles Smartphone mehr als 240x320 Pixel. Bei reinen PDAs hingegen sind Auflösungen wie 320x480 oder sogar 640x480 keine Seltenheit mehr.


• Eine einigermassen bequeme Möglichkeit zur Texteingabe, die im Gerät selbst integriert ist. Also eine alphanumerische Tastatur oder ein Touchscreen mit Handschrifterkennung. Prinzipiell sollte es zumindest möglich sein, kürzere Texte wie eine Antwort auf ein eingegangenes E-Mail ohne Beizug einer externen Ansteck- oder Bluetooth-Tastatur zu erfassen – und zwar ohne Klammergriffe oder Mehrfachbetätigung von x-fach belegten Tasten.
Unsere Marktübersicht berücksichtigt mit Ausnahme des neue­sten Orange-SPV-Modells ohne alphanumerische Tastatur, des C600, ausschliesslich Modelle, die alle drei Grundkriterien erfüllen. Damit fällt zum Beispiel das MPx220 von Motorola aus dem Rennen, das derzeit einzig in der Schweiz erhältliche Gerät des Herstellers mit Smartphone-Betriebssystem. Auch die durchaus hervorragenden Multimedia-Modelle der N-Serie von Nokia sind im strengen Sinn keine Smartphones und erscheinen deshalb nicht. Und da die Blackberry-Geräte in erster Linie für den Einsatz mit einem passenden Unternehmensserver gedacht sind und praktisch nur im Rahmen entsprechender Projekte angeboten werden, fehlen auch sie in der Tabelle.


Die Qual der Wahl

Auch nach unserer stringenten Auswahl verbleibt in den Smartphone-Rängen eine enorme Vielfalt an Modellen, Features und Formfaktoren. Bei der Modellwahl sollte der angehende Käufer drei Hauptfaktoren berücksichtigen:


• Erstens der persönliche Geschmack: Bevorzugt man das klassische PDA-Design oder darf es etwas Ausgefallenes sein, zum Beispiel ein Modell mit Schiebetastatur oder drehbarem Bildschirm? Arbeitet man lieber mit einem Gerät, das wie ein gängiges Handy konzipiert ist, oder legt man Wert auf eine möglichst PC-ähnliche Bedienung? Kennt man das Palm-Betriebssystem seit Jahren und möchte nicht auf gewohnte Eigenheiten und bereits zugekaufte Software ­verzichten?


• Zweitens die Umgebung, in der das Gerät zum Einsatz kommt. Wer in der Firma ein Windows-Netzwerk betreibt, ist mit einem Windows-Mobile-Smartphone sicher besser bedient als ein Mac-User, obwohl es mit dem Produkt «The missing Sync» von markspace.com auch für die Kommunikation zwischen Mac OS X und Windows Mobile eine Lösung gibt.
Vor allem gewisse Connectivity- und Security-Features, die für die Einbindung ins Firmen-LAN notwendig sind, gibt es vielleicht nur auf einer bestimmten Systemplattform, oder sie sind mit einem anderen Betriebssystem wesentlich schwieriger oder nur eingeschränkt nutzbar.


• Drittens die Mobilfunkanforderungen: Wer unterwegs nicht nur telefoniert, sondern oft Daten­verbindungen benötigt, setzt besser auf eines der neuesten Modelle mit Unterstützung für UMTS oder EDGE. Nur zum gelegentlichen Abruf eines mässig aktiven E-Mail-Kontos genügt dagegen auch das deutlich langsamere GPRS.


All-In-One oder mehrere Geräte?

Muss es eigentlich überhaupt ein Smartphone sein? Die Kombination von PDA und Mobiltelefon in einem Gerät hat nämlich auch Nachteile: Das schlankste Smartphone in unserer Tabelle wiegt 105 Gramm; die meisten anderen Modelle belasten die Hemdentasche mit 150 Gramm oder mehr. Reine Handys gibt es kleiner und leichter, und oft kommen die Smartphones für den abendlichen Ausgang im Vergleich zu modischen Handys auch ein bisschen gar technisch und businessmässig daher.
Die Kombination von herkömmlichem PDA und leichtem Mobiltelefon bietet sich als Alternative an und bringt gleich noch einen Vorteil: Wenn sich nach stundenlangem Musik- oder Filmgenuss der Akku des Smartphones leert, kann man mit dem Gerät auch nicht mehr telefonieren. Auch bei Beschädigung, Diebstahl oder sonstigem Verlust eines Smartphones muss man sowohl auf die PDA- als auch auf die Telefonfunktionen verzichten. Mit zwei getrennten Geräten bleibt in den meisten Fällen wenigstens ein Funktionsbereich erhalten. Auf der anderen Seite bietet ein Smartphone alle Funktionen in einem Gehäuse und macht jegliches Gebastel beim Verbinden mehrerer Geräte per Bluetooth oder gar Infrarot überflüssig.


Status Quo und Trends

Bei der Durchsicht des aktuellen Smartphone-Marktes zeigen sich verschiedene Trends, die man beim Kaufentscheid berücksichtigen sollte:


• Windows Mobile 5 ist Trumpf: Vor allem mit der Push-Mail-Fähigkeit in Kombination mit Exchange 2003 Service Pack 2, aber auch mit seinen verbesserten Multimedia-Features, ist Windows Mobile 5 die klar ­stärkere Plattform als die Vor­gängerversion Windows Mobile 2003 Second Edition. Es sind zwar noch einzelne Modelle mit der älteren Windows-Mobilversion im Handel, wir raten aber grundsätzlich zur neuesten Systemversion.


Palm und Symbian behaupten sich in ihren Nischen: Die meisten Windows-Mobile-Smartphones stammen von traditionellen PDA-Herstellern sowie von der taiwanesischen HTC Corporation, die Microsoft zum Hof-OEM-Lieferanten von Windows-CE-Geräten erkoren hat. Mobiltelefonhersteller wie Nokia und Sony Ericsson setzen dagegen nach wie vor auf die offenbar gut bewährte Symbian-Plattform. Palm hat zwar durch die Blume angekündigt, man wolle künftig auch Windows-Mobile-basierte Smartphones bauen; bis dato hat diese Absicht allerdings keine konkreten Früchte getragen.


• GPS kommt: Bereits vier der fünfzehn vorgestellten Smartphones sind mit einem integrierten GPS-Chipset samt Antenne ausgestattet, und sie sind kaum teurer als die Geräte ohne GPS. In Kombination mit passender Navigationssoftware wird das Smartphone so zu einer wesentlich flexibleren Alternative zum fix im Auto eingebauten Navi-System.


• Megapixel-Kamera oder gar keine: Die Zeiten der miserablen VGA-Handybildchen sind auch für den Smartphone-Anwender definitiv vorbei. Ausser dem Communicator 9500 von Nokia und dem Treo 650 von Palm warten alle aktuellen Smartphones mit einer Kamera auf, die mit mindestens 1,3 Megapixel auflöst. Echte Zoomoptik sucht man allerdings nach wie vor in der gesamten Gerätekategorie vergebens. Als Alternative für den Einsatz in Firmen mit Spionage-Ängsten bieten sich Geräte ganz ohne Kamera an: Die PDA-Smartphones von HP und Fujitsu Siemens sind wahlweise auch in einer kameralosen Variante, den Communicator 9300i von Nokia gibt es ausschliesslich ohne eingebaute Fotografiermöglichkeit.


• Schnelle Datenverbindungen: UMTS-fähige Smartphones sind noch selten; die beschleunigte GPRS-Variante EDGE unterstützen dagegen schon über die Hälfte der aufgeführten Modelle. Die brandneue HSDPA-Technik ist noch auf keinem der aktuell verfügbaren UMTS-Smartphones implementiert; einige HSDPA-fähige Geräte sind aber schon fast in der Startlöchern – ein Beispiel ist der aufs dritte Quartal erwartete Nachfolger des Schiebetastatur-Smartphones
Qtek 9100.


• Speicher und Erweiterung: Mit 32 bis 128 Megabyte genügt der integrierte Speicher für die gängigen PDA-Aufgaben. Wer viele Fotos schiesst, eine grössere Musiksammlung auf dem Smartphone halten möchte oder sich unterwegs gern Filme und Video-Podcasts zu Gemüte führt, braucht zusätzlichen Storage. Moderne Smartphones sind deshalb ausnahmslos mit einem Erweiterungssteckplatz ausgestattet und können mindestens 512 Megabyte adressieren. Smartphones im PDA-Formfaktor akzeptieren normalerweise SD-Karten, während sich bei Smartphones im Handy-Stil das Mini-SD-Format durchzusetzen scheint. Nokia setzt bei den Communicators nach wie vor auf die punkto Kapazität eingeschränkten MMC-Karten, und Sony Ericsson bevorzugt naturgemäss den hauseigenen Memory Stick.


• Einzelne Spezialfeatures: Einige Modelle bieten besondere Ausstattungsmerkmale, die sonst nirgends zu finden sind. So ist im demnächst erhältlichen neuen Sony-Ericsson-Smartphone P99oi ein Visitenkarten-Scanner mit OCR-Software eingebaut, mit dem sich gedruckte Kontaktinformationen direkt ins interne Telefonbuch übertragen lassen. Das P51 von Benq-Siemens unterstützt VoIP-Telefonie via WLAN und kommt dazu mit vorinstalliertem Skype-Client. Einige andere Smartphones unterstützen den VoIP-Verkehr sogar via EDGE oder UMTS.





Fünfzehn Smartphones der neuen Generation

(ubi)


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