Gitter kommen ins Glashaus
Jenseits der CPU-Zweitnutzung
Bisherige Grid-Anwendungen waren fast ausschliesslich CPU-intensive wissenschaftliche Berechnungen, die sich leicht parallelisieren lassen. Sie können dank Grids auf ungenutzten Kapazitäten von Desktops statt auf einem teuren Grossrechner ausgeführt werden.
Aber die Nutzung bisher brachliegender CPU-Zeiten ist nur eine der Anwendungsmöglichkeiten. Im Datenbankumfeld, wo sich vor allem Oracle und IBM stark engagieren, verspricht Grid praktisch unbegrenztes Wachstum. So können je nach Bedarf beliebig günstige Blades zugeschaltet werden, was eine unbegrenzt skalierbare und ausfallsichere Datenbank auf Billigkomponenten möglich macht.
Dies war zwar schon mit bisherigen proprietären Clustertechniken lokal möglich. Grid beruht aber auf offenen, von allen massgebenden Mitspielern der Industrie getragenen Spezifikationen und Standards und lässt die Datenbank sozusagen dreidimensional wachsen. So wird auch das Poolen von entfernten Datenbanken mittels standardisierten Schnittstellen möglich. Dies kann beispielsweise zur Integration von verteilten Datenbanken im Unternehmen genutzt werden, oder der Schweizer Staat könnte so beispielsweise die vielen, föderal verteilten GIS-Datenbanken (Geographisches Informations System) verbinden.
Die Anbindung entfernter Rechenressourcen eröffnet in Zukunft aber auch den Application Service Providern (ASP) neue Möglichkeiten. So könnte beispielsweise ein Dienstleister die monatliche Gehaltsabrechnung über Grid-Schnittstellen direkt ins ERP des Abnehmers integriert ausführen.
Diese mögliche Anwendung zeigt das Integrationspotential von Grid auf. Denn eine heutige Business-Applikation kann nicht grundsätzlich als Grid-ungeeignet qualifiziert werden. Dies hängt von der Art ihrer Verwendung ab. So kann auch ein an sich nicht Grid-fähiges ERP-System entweder über Schnittstellen mit einem entfernten Modul verbunden werden, oder viele ERP-Systeme können innerhalb eines Grid parallel betrieben werden. Demgegenüber ist ein praktisch vollständiges Neu-Schreiben nötig, um eine Applikation selber Grid-fähig zu machen. Dieser Umstand dürfte die Verbreitung der Gitter in vielen Bereichen sicher noch länger bremsen.
Grid Services der Zukunft
Damit Grids ihr Integrationspotential in Zukunft auch ausspielen können, ist eine Verbindung dieses offenen Infrastuktur-Anbindungsstandards mit seiner schon etablierten Entsprechung auf Applikationsebene, den Web Services, nötig. Denn während Grid sozusagen die Grundlage für Computer-Ressourcen on Demand bildet, sind Web Services das Fundament von Applikationen auf Abruf. Genau dieser Verbindung nimmt sich die vom Global Grid Forum, einer Vereinigung von wissenschaftlichen Grid-Exponenten mit allen involvierten Industrievertretern, initiierte Open Grid Service Infrastructure (OGSI) an. Ziel sind interoperable Grid-Dienste, die die Hersteller allerdings unabhängig entwickeln können müssen, damit sich das Buisness-Modell für sie auch lohnt.
Als erster Schritt auf dem Weg der Verbindung mit Web Services wurden Anfang Jahr die beiden Spezifikationen WS Resource Framework und WS Notification veröffentlicht. WS Resource Framework beschreibt die Art und Weise, in der Web Services einzelne Ressourcen wie zum Beispiel Grids anzapfen, aber auch zur Verfügung stellen können. WS Notification stattet Web Services mit Publish-and-subscribe-Messaging-Fähigkeiten aus. So können Grids Informationen über ihren Status, wie Workload, freie Kapazitäten oder ausgefallene Komponenten, einem Grid Scheduler zur Verfügung stellen. Die Kombination der beiden Spezifikationen ermöglicht die Grid-Nutzung auch von an sich nicht Grid-fähigen Applikationen über Web Services.
Damit solche Visionen Wirklichkeit werden, sind aber schnellere Netzwerke nötig. 100 Gbps sind das Minimum, so Fachleute. Angesichts dessen, dass heute erst die Implementation von 10 Gbps in den Unternehmen am Anlaufen ist, dürfte hier ein weiterer Bremsklotz liegen. Unter Umständen muss auch das Internet-Protokoll durch ein stärker auf die Bedürfnisse von verteilten Berechnungen statt auf die Unzulänglichkeiten bisheriger Netzwerke ausgerichtetes Protokoll ersetzt werden.