Die Glasfaser und eine geplatzte Fusion

Was bringt Fibre-to-the-Home und hätte die Weko Orange und Sunrise fusionieren lassen sollen? Am diesjährigen Asut-Seminar in Bern standen neben vielen anderen vor allem diese beiden Fragen im Zentrum.
11. Juni 2010

     

Gestern Donnerstag fand im Berner Kursaal das 36. Asut-Seminar, das jährliche Gipfeltreffen der Schweizer Telekombranche statt. Diskutiert wurden unter dem Motto "Think global – Act local" kommende ICT-Trends wie die vierte Mobilfunkgeneration LTE oder Fibre-to-the-Home. Und natürlich war auch die geplatzte Fusion zwischen Sunrise und Orange sowie die Rolle von Swisscom ein Thema. Dank oder wegen vielen Absagen wurde das Event zudem zu einem Gipfeltreffen alter Bekannter, traten doch die beiden Ex-CEOs von Orange Schweiz und Swisscom, Andreas Wetter und Jens Alder, prominent auf.


Kontrovers diskutiert wurde über das Thema Fibre-to-the-Home (FTTH). Während FTTH für Asut-Präsident Fulvio Caccia unbestritten einige Vorteile für die Zukunft der Schweizer Telekommunikation hat, glaubt Jens Alder (Bild), dass FTTH noch kein Grundbedürfnis ist und man als Unternehmen oder Stadtwerk, das darin investiert, sehr viel Zukunftsglaube haben muss. Noch optimistischer sei es, gar ein Vier-Faser-Modell aufzubauen, meinte der heutige Sunrise-Verwaltungsrat. Alder betonte weiter, dass durch ein flächendeckendes Glasfasernetz ein Standortvorteil für die Schweiz entstehen wird, das sei unbestritten, stellte aber gleichzeitig die Frage in den Raum, ob sich die Investition dafür jedoch lohne.


Über den Weko-Entscheid zur Orange-Sunrise-Fusion herrschte im Gegensatz zu FTTH Einigkeit. Asut-Präsident Caccia betonte ein weiteres Mal, dass der Entscheid kaum verständlich und die Begründung nur schwer nachvollziehbar gewesen sei. "Für die Weko schienen die Privatkunden und die Mobilfunktelekommunikation im Vordergrund zu stehen", so Caccia. Den Festnetzbereich und die Geschäftskunden – insbesondere beim Mobilfunk – haben man derweil weniger, zu wenig, Beachtung geschenkt.

Sunrise-COO Jon Erni, der am Asut-Seminar kurzfristig für Sunrise-CEO Christoph Brand einsprang – er hatte angeblich in seinem neuen Haus mit einem Rohrbruch beziehungsweise Wasserschaden zu kämpfen – zeigte sich enttäuscht über die nun geplatzte Fusion: "Mit vereinten Kräften hätten wir ein wirkliches Gegengewicht zur Swisscom schaffen können." Auch er streicht hervor, dass der Beschluss zu stark auf den privaten Mobilfunk ausgerichtet war. Immerhin habe der negative Weko-Entscheid Sunrise viele Sympathien gebracht, meint der COO. Mit demnächst erscheinenden, neuen Produkten will man nun seine Rolle als Full-Service-Provider noch mehr fokussieren. Zudem plant man laut Erni auch einige internationale Kooperationen.


Auch bei Orange zeigt man sich sehr enttäuscht, die Fusion wäre eine grosse Chance gewesen. Verwaltungsratspräsident Andreas Wetter rechnet nun sogar mit einem grossen volkswirtschaftlichen Schaden, den der Entscheid mit sich ziehen könnte. "Und die Weko-Leute, die ihn verursachten, können wir dann vermutlich nicht einmal mehr zur Rechnung ziehen", meint er. Orange will sich laut Wetter nun klar auf seine Kernkompetenzen fokussieren, im Mobilfunkmarkt Gas geben, innovativ bleiben und vor allem durch einen super Service überzeugen. Und: Für die Infrastruktur der Zukunft, sprich LTE, werde man sicher eng mit Sunrise zusammenarbeiten.


Die beiden Netzwerkausrüster Alcatel-Lucent und Ericsson hätten eine Fusion ebenfalls begrüsst. Wie Alcatel-Lucent-CEO Claudia Schwers erklärte, hätte man zu Beginn zwar bestimmt Einbussen hinnehmen müssen, langfristig wäre das Investitionsvolumen ihrer Meinung nach aber grösser geworden. Martin Bürki von Ericsson Schweiz bestätigte diese These mit einem Beispiel aus Grossbritannien.


Im Rahmen des Seminars wurde auch eine kleine Blitz-Umfrage zur geplatzten Fusion durchgeführt. Diese zeigte, dass rund zwei Drittel der 900 anwesenden Gäste für ein Zusammenkommen von Orange und Sunrise gewesen wären.




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