Entscheidung zu EU-Softwarepatenten aufgeschoben


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/22

     

Der Rat der Europäischen Union scheint bei der endgültigen Verabschiedung einer gemeinsamen Linie der Mitgliedstaaten bezüglich der Softwarepatente auf Zeit spielen zu wollen. Länder wie Frankreich oder Schweden möchten vor einer Entscheidung zuerst noch interne Konsultationen mit den betroffenen Gewerbezweigen durchführen. Auch in England scheint man dies zu erwägen, was darauf hindeuten würde, dass man sich langsam der Meinung des Europaparlaments nähert. Dies, nachdem die englischen Vertreter in Brüssel zu den Wortführern bei den Befürwortern einer Patentierung gehörten.



Auch das massive Lobbying dürfte die EU-Minister dazu bewogen haben, die Entscheidung auf den September 2004 zu vertagen. Denn Anfang November haben die Chefs von Alcatel, Nokia, Siemens, Philips und Ericsson in einem Brief an den italienischen Wirtschaftsminister und die Europäische Union gedroht, bei einer Annahme der jetzigen Vorlage die Entwicklung von neuen Technologien in Nicht-EU-Staaten zu verlagern.




Grund für die ganze Diskussion ist die Unklarheit, ob man in der EU eine restriktive Patentpolitik fahren oder das US-amerikanische System übernehmen will, bei dem sich auch computergestützte Geschäftsprozesse patentieren lassen.



Während sich vor allem die Grosskonzerne eine Patentlösung nach US-amerikanischem Vorbild wünschen, laufen KMU, Wissenschaftler und Open-Source-Befürworter in Europa dagegen Sturm und konnten mit der Verabschiedung einer revidierten Vorlage des Patentrechts durch das EU-Parlament vom September diesen Jahres einen ersten Erfolg verbuchen.



Die Grosskonzerne sind besonders über die 124 angehängten Zusätze entsetzt, welche die gängige US-Praxis verbieten. In ihnen heisst es unter anderem, dass Geschäftsmethoden und Computerprogramme an sich nicht geschützt werden dürfen.



Den Multis könnte nun der Wechsel der Ratspräsidentschaft und die Neuwahl des EU-Parlaments im Frühling 2004 entgegenkommen. Sie spekulieren nämlich darauf, dass sich die neuen Vertreter nicht mehr für die Entscheidung ihrer Vorgänger interessieren.




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