Österreich telefoniert mit UMTS
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/11
Herr Reischl telefoniert mit UMTS. Nicht, dass Swisscom, Orange oder Sunrise klammheimlich ein UMTS-Netz aufgeschaltet hätten. Nein, Herr Reischl ist Österreicher, und in Österreich geht das.
In Österreich war man schon immer relativ schnell, wenn es darum ging, neue Mobilfunk-Technologien zu implementieren - beispielsweise GPRS -, und auch bei UMTS ist man den anderen deutschsprachigen Ländern wieder zwei Schritte voraus. Im Moment beackern zwei Anbieter den Markt: Zum einen die Mobilkom Austria (A1), zum anderen Hutchinson 3G Austria, kurz und bündig unter der sinnigen Bezeichnung 3. A1 hat knapp die Hälfte des Landes mit einem UMTS-Netz abgedeckt, 3 ist bei einer Abdeckung von rund 20 Prozent und verfügt über Roaming-Verträge mit der Mobilkom Austria. Bei A1 ist bislang das Endgerät Siemens U10 erhältlich, das baugleich mit dem Motorola A830 ist. 3 bietet das NEC e606 an.
Gerald Reischl - eingangs erwähnt - ist Redaktor und Buchautor und testet im Moment die UMTS-Dienste beider Anbieter.
"Die verfügbaren UMTS-Dienste funktionieren eigentlich erstaunlich gut", zieht Reischl eine erste Bilanz.
Die Zahl der Dienste ist bislang aber noch recht beschränkt. Angeboten werden zum Beispiel Videodienste. Diese werden, je nach Anbieter, direkt auf die Handys gestreamt oder aber zum Download angeboten. "Das Streaming-Verfahren funktioniert und ist flüssig, zumindest solange man im UMTS-Netz ist - innerhalb von Gebäuden gibt es Mängel und Abbrüche. Sobald man jedoch ins GPRS-Netz kommt, ist Schluss mit Streaming-Video. Deshalb ist im Moment das Download-Verfahren noch sinnvoller, bis die Netzabdeckung erhöht wird", berichtet Reischl. Es wird bereits eine reichhaltige Auswahl an Clips geboten, beispielsweise Nachrichten, Sport, Musikvideos oder auch Kinotrailer.
3 bietet dank dem NEC e606 mit seinen zwei Kameras, das derzeit exklusiv von 3 vertrieben wird, auch Videotelefonie an. Auch diese funktioniere und sei sogar recht lustig, zeigt sich Reischl erfreut. "Jedoch muss der Gesprächspartner auch ein entsprechendes UMTS-Gerät haben, womit das gleiche Problem besteht wie mit MMS. Bei MMS weiss man ja häufig nicht, ob derjenige am anderen Ende ein MMS-Handy hat und man ihm eine MMS-Nachricht schicken kann."
Die Datendurchsatzraten, die in Österreich derzeit erzielt werden, betragen nach Reischls Angaben offiziell bis 384 kbps Download und 64 kbps Upload, allerdings kann man wegen stockender Übertragungen davon ausgehen, dass diese Raten oft nicht erreicht werden. Trotzdem: Man ist zwar häufig noch weit von den 384 kbps entfernt, aber schon um einiges schneller als mit GPRS, wo die Bandbreite bei rund 30 kbps liegt.
Doch ein voller Erfolg ist UMTS beim Österreich-Launch noch nicht - dazu gibt es noch zu viele Pferdefüsse: "Die Akkulebensdauer ist beispielsweise noch ein Problem. Die Standby-Zeit beträgt rund 24 Stunden. Wenn das Handy genutzt wird, muss man es nach rund 16 Stunden wieder aufladen. Das ist zuwenig in der heutigen Zeit, daran müssen die Handyhersteller arbeiten." Reischl zeigt deshalb auch Verständnis für Carrier, die mit UMTS noch zuwarten, bis es mehr verfügbare UMTS-Handys gibt. Dazu gehören auch die drei Schweizer Vertreter.
Reischl nennt noch mehr Probleme, etwa das sogenannte Hand-Over: "Wenn man von einem UMTS-versorgten Gebiet in eine nicht versorgte Zone kommt, wird nicht einfach fliessend auf GPRS gewechselt, sondern die Verbindung wird einfach unterbrochen und man muss sich neu einwählen. Dies geschieht auch, wenn man lediglich Voice-Dienste nutzt."
Zu guter Letzt führt er eine Tatsache an, über die schon lange debattiert wird. "Bislang habe ich den Sinn der Inhalte noch nicht entdeckt." Die berühmte Suche nach der Killerapplikation also, die noch nicht abgeschlossen ist. "Die jetzt angebotenen Services reissen mich nicht vom Hocker, für diese spärlichen Inhalte werden Handy-Kunden sicherlich nicht umsteigen."
Doch auch in der Schweiz kommt Bewegung in die UMTS-Landschaft. Erstmals wurden von der Swisscom Live-Anwendungen gezeigt. Weiter wurde verkündet, dass bereits 456 Antennen zu Testzwecken in Betrieb genommen wurden. Mit dieser Anzahl Antennen erfüllt der Telekomriese bereits jetzt die Lizenzauflage, die vorsieht, dass bis Ende 2004 mindestens die Hälfte der Schweizer Bevölkerung an ihrem Wohnsitz UMTS nutzen kann.
In der Einführungsphase, die noch in diesem Jahr beginnen soll, zielt Swisscom in erster Linie auf Unternehmenskunden. 10'000 Anwender will Swisscom in den ersten sechs Monaten für UMTS-Dienste gewinnen. Das breite Publikum müsse sich noch gedulden, da die verfügbaren UMTS-Telefone den Anforderungen zur Zeit noch nicht genügen, hiess es weiter. Eine seltsame Begründung. Entsprechende Handys, die in Gebieten ohne UMTS-Abdeckung automatisch auf das GSM-Netz wechseln, seien frühestens Ende Jahr erhältlich. In Österreich ist das offenbar anders.
Unabhängig von UMTS soll auch weiter in die WLAN-Hotspots investiert werden. Die beiden Technologien ergänzen sich, glaubt man bei Swisscom. Dementsprechend sollen die UMTS-Abonnemente sowohl Zugang zu UMTS-, GSM/GPRS- als auch zu WLAN-Netzen bieten. Die Idee dahinter ist, dass mit einem Notebook mit dem jeweils schnellsten verfügbaren Funkstandard auf das Internet zugegriffen werden soll.
Die Preise für die UMTS-Dienste in der Schweiz sind noch nicht fixiert. Man tendiere in Richtung Flatrate (fixer Monatstarif), wobei Content-abhängige Zuschläge, etwa für Video-Streaming, dazukommen sollen, sagt Swisscom-Sprecher Sepp Huber.
Die UMTS-Preise in Österreich können als erster Indikator herhalten, was UMTS dereinst auch hierzulande kosten wird.
3: Bei 3 kostet beispielsweise das Paket 3Basic inklusive dem 3Video-Paket 39 Euro pro Monat. Darin enthalten sind 133 Minuten nationale Sprachtelefonie, 33 Minuten internationale Sprachtelefonie, 33 SMS, 66 Minuten Videotelefonie,
99 Mails, 33 MMS, 99 Infodienst-Abrufe sowie 33 Downloads.
A1: Bei A1 gibt es derzeit noch kein eigentliches UMTS-Tarifmodell. Für Sprachtelefonie sowie SMS und MMS gelten die üblichen A1-Preise. Ansonsten kommen die GPRS-Tarife zum Tragen - also 1 bis 2,50 Euro pro MB. Die Grundgebühr beträgt zwischen 7 und 100 Euro und beinhaltet eine gewisse Download-Menge. Die Übertragung von Videoclips kostet je nach Clip ab 50 Cent aufwärts, Videotelefonie kostet 50 Cent pro Minute.