Cebit 2004 und die digitale Zukunft

Die CeBIT schrumpft zwar wie alle IT-Messen. Nichtsdestotrotz bleibt sie aber der Branchentreffpunkt schlechthin – und ist weiterhin ein wichtiges Forum für die Ankündigung neuer Produkte und Technologien.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/05

     

Die grösste IT-Messe der Welt schrumpft: Nur noch knapp über 6000 Aussteller werden vom 18. bis zum 24. März in Hannover ihre neuen Produkte und Technologien ausstellen. Die Ausstellungsfläche beträgt noch rund 300’000 Quadratmeter. Im vergangenen Jahr waren es noch 6600 Aussteller, die immerhin rund 560’000 Besucher anziehen konnten – das waren allerdings bloss noch zwei Drittel der Interessierten aus dem Boomjahr 2001 und ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent. Ob dieses Jahr wiederum mehr als eine halbe Million Besucher nach Hannover pilgern werden, ist angesichts der anhaltenden Krise fraglich; auch wenn die Messeverantwortlichen im Hinblick auf den prophezeiten Aufschwung in der CeBIT den «richtigen Auslöser, um der gesamten Branche Zuversicht zu geben» sehen, geben sie sich doch bei Prognosen auf die erwartete Besucherzahl bedeckt. Dennoch: Auch die geschrumpfte CeBIT bleibt die grösste IT-Messe der Welt, und spannend werden die sieben Tage im März in Hannover allemal – nicht nur der legendären Standpartys wegen.


Prominente Abwesende

Wie andere europäische Messen hatte auch die CeBIT im Vorfeld mit Absagen zu kämpfen. Zu den prominenten Abwesenden zählen unter anderem Borland, Canon, Hewlett Packard, Oki und Toshiba TEC, die entweder komplett auf den Messeauftritt verzichten oder nur als Partnerunternehmen bei anderen Firmen teilnehmen.
Immerhin zeigten die Organisatoren bei der Weitervermietung der brachliegenden Flächen ein glückliches Händchen. Der verwaiste, traditionell gigantische Stand von Hewlett Packard in der Halle 1 etwa wurde flugs von Microsoft übernommen: Die Redmonder wollen darin spezielle Angebote für Endverbraucher unterbringen; im Zentrum sollen die neue Windows Media Center Edition, MSN und verschiedene Spiele nebst neuen Tablet PCs und Smartphones stehen. Dazu kommen Beispiele und Lösungen zum mobilen Arbeiten unter anderem mit dem Tablet PC oder dem Pocket PC.




Geschäftskunden vorbehalten bleibt damit der traditionelle Hauptstand in Halle 4, den Microsoft zusammen mit über 100 Partnern unter dem Motto «Integrierte Innovation» betreibt. Im Mittelpunkt steht hier der BizTalk Server 2004, der erstmals einem grösseren Publikum gezeigt wird; daneben wird Microsoft auch die Produkte Small Business Server 2003 und Microsoft CRM vorstellen und neue Lösungen beim Datenaustausch im Office System auf Basis von XBRL (eXtensible Business Reporting Language) zeigen.


Telecom im Brennpunkt

Ein ganz grosses Thema an der diesjährigen CeBIT wird einmal mehr UMTS sein, auch wenn es wohl einmal mehr bei Ankündigungen bleiben wird. Immerhin: Mobiltelefonhersteller ebenso wie Netzbetreiber wollen an der Messe erstmals konkrete Geräte und Anwendungen vorstellen – ob die lang gesuchte Killerapplikation darunter ist, die die immensen Investitionen in UMTS-Lizenz und -Netz wieder einspielen soll, wird sich zeigen.
Ebenfalls bei den traditionellen GSM/GPRS-Handys wird es einige Neuheiten geben, wenn auch hier die Modellpflege zulasten der Innovation im Vordergrund steht. So bieten die neuen Geräte zwar schnellere Prozessoren, mehr Speicher und austauschbare Speichermedien, wirklich coole neue Features mit «Aha»-Effekt aber fehlen meist. Innovativ gibt sich höchstens Siemens mit dem PenPhone, einem Triband-Handy in Stiftform, mit dem sich auf jeder Unterlage virtuell beispielsweise SMS-Nachrichten geschrieben werden können – die Handbewegungen werden dabei aufgezeichnet und über eine Handschrifterkennung in Zeichen umgesetzt. An neuen Dienstleistungen wird nun zunehmend Push-to-Talk unterstützt, eine Gruppenkommunikationstechnik über GPRS, die in Amerika weit verbreitet und beliebt ist, für die in Europa allerdings die Angebote der Netzbetreiber vorläufig noch fehlen. Auch die Qualitätsverbesserung der Handykameras ist ein Thema: Sharp beispielsweise zeigt mit dem GX30 das erste Mobiltelefon mit einer Kameraauflösung von 1 Megapixel.



Vergleichsweise eher im kleinen Rahmen werden dieses Jahr die digitalen Kameras stattfinden, auch wenn gerade dieses Produktsegment in der Gunst des Publikums hoch steht. Das liegt zum einen daran, dass die meisten Hersteller bereits an der PMA Anfang Februar in Las Vegas viele neue Geräte vorgestellt haben, zum anderen, dass in diesem Herbst wieder die zweijährliche Photokina stattfindet, die wichtigste europäische Fotomesse. Immerhin hat Olympus einige Neuheiten zur CeBIT angekündigt, und der ehemalige Sofortbildner Polaroid hat sogar einen ganz besonderen Leckerbissen im Sortiment: Mit der x530 wird erstmals eine Kompaktkamera mit dem revolutionären Foveon X3-Chip vorgestellt.




Auch Voice over IP wird dieses Jahr an der CeBIT einmal mehr ein grosses Thema sein – immerhin sieht das amerikanische Marktforschungsinstitut Precursor in VoIP die zweitwichtigste unter den Technologien, die dieses Jahr die Wirtschaft antreiben sollen. Ob diese Prognose auch für Europa zutrifft, wird sich weisen (mehr dazu lesen Sie in der nächsten Ausgabe von InfoWeek). Nichtsdestotrotz werden zahlreiche Anbieter, darunter Aastra (Ascom), Freenet, Samsung, Siemens und die Deutsche Telekom, an der CeBIT ihre neuen VoIP-Produkte und -Dienstleistungen vorstellen.



Ein Themenbereich, der an einer CeBIT natürlich nicht fehlen darf, sind Multimedia-Anwendungen und Lösungen für das Heim-Entertainment. In diesem Sektor ist einiges zu erwarten. So will etwa Philips mit dem DVDRW885K den ersten DVD-Recorder vorstellen, der sowohl normale als auch Dual-Layer-DVDs (DVD+R9)mit einer Kapazität von 8,5 GB beschreiben kann – in den Handel soll das Gerät im April kommen. Ebenfalls erstmals zu sehen sein werden DVD-Player, die Dateien in den Formaten Windows Media Video 9 und WMV HD abspielen können. Die von der
dänischen Firma Kiss gefertigten Geräte verfügen zudem über Ethernet- und WLAN-Ports, was auch das Streamen von Multimedia-Daten direkt aus dem Internet ermöglicht.


Innovation an allen Ecken und Enden

Mit gigantischen Ständen werden einmal mehr die grossen Player der IT um die Gunst des Publikums werben und ihr gesamtes Unternehmensspektrum unter einen Hut zu bringen suchen.
Neben Microsoft, das über 6000 Quadratmeter belegt, präsentiert sich etwa IBM mit 3 Ständen und einer Fläche von gesamthaft über 4500 m2 Fläche unter dem Motto «Your business on demand» als Lösungsanbieter im E-Business. Neben einem Einblick in die Forschungszentren von IBM erwarten die Besucher auch Beispiele, wie On-Demand-Business in der gesamten Wertschöpfungskette von Einkauf über Produktion bis zum Verkauf und der Kundenverwaltung bereits heute möglich ist. Weiter wird IBM mit über 100 Partnern Lösungen für KMU aus verschiedensten Branchen vorstellen, und mit Produktvorstellungen vom ThinkPad bis zum zSeries-Server kommt auch die Hardware nicht zu kurz. Weitere Themen im riesigen Messeangebot von IBM sind RFID und E-Learning.



Unter dem Motto «Innovation zahlt sich aus» präsentiert Sun auf über 1000 Quadratmetern neue Produkte und Lösungen aus den Bereichen Data Center, Data Management, Web Services sowie Portale und Mobilität, darunter auch High-End- und Linux-Server mit den neuen Sparc- und AMD-Prozessorgenerationen. Einen Schwerpunkt legt Sun mit einem RFID-Showcase, das Anwendungsmöglichkeiten für die intelligenten Barcodes der Zukunft zeigen soll. Zu den weiteren Highlights am Sun-Stand zählen N1, die Vorstellung von Grid-Lösungen sowie die Java Desktop und Java Enterprise Systeme. Auch bei Sun werden zahlreiche Partner ihre Speziallösungen präsentieren.
Ähnliche Dimensionen belegt auch Novell, das unter dem Motto «One Net Solutions – it’s your best choice» zusammen mit über 20 Partnern seine One-Net-Lösungen vorführt. Novells Schwerpunkte liegen in den Bereichen Network Services und Linux, Collaboration, Resource Management, Integration und Identity Management. Gezeigt werden unter anderem Groupwise für Linux 6.5, Suse Linux 9.1 und die neuartige CRM-Lösung «Mobile Lead Control» (gemeinsam mit Cambridge Technology Partners).




Neben den IT-Grössen haben aber auch zahlreiche kleinere Firmen interessante Lösungen im Gepäck. Backup-Spezialist Tandberg Data etwa setzt den Schwerpunkt auf Automatisierung und stellt zwei preisgünstige SLR-Autoloader für KMU vor. Gupta Technologies, Anbieter von relationalen Embedded-Datenbanken, präsentiert Produkte für Linux und zeigt mit dem Team Developer, wie Unternehmen ihre Geschäftsanwendungen sowohl unter Linux als auch unter Windows entwickeln können. Gleich an mehreren Standorten ist VoiceObjects präsent. Der Anbieter von Voice Application Management Systems (VAMS) zeigt zusammen mit Partnern verschiedene Anwendungsmöglichkeiten moderner High-End-Sprachdialogsysteme, die sich beispielsweise für Sprachportale oder Serviceangebote einsetzen lassen und den telefonischen Kundenkontakt weitgehend automatisieren können.



Nicht zuletzt ist natürlich auch die Wissenschaft auf der CeBIT präsent. Stellvertretend sei hier das Fraunhofer Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS) genannt, das mit der intelligenten Mail-Management-Lösung Responsio eine neue Entwicklung im Text-Mining zeigt. Neuheiten stellt Fraunhofer AIS auch im Bereich Geo-Intelligence vor, mit denen beispielsweise komplexe raum-zeitliche Datenbestände per Data-Mining erschlossen werden können. Schliesslich präsentiert das Institut den Volksbot, eine kostengünstige, mobile Roboterplattform für Industrie, Forschungseinrichtungen und Universitäten, der mechatronisches mit softwaretechnischem Know-how vereinen soll.
Im Messedschungel lassen sich also durchaus einige besondere Schätze finden. Wohl dem, der Zeit genug hat, sie zu suchen.


WLAN total

Was sich bereits in früheren Jahren bewährt hat, darf natürlich auch bei der diesjährigen CeBIT-Ausgabe nicht fehlen: Erneut wird das gesamte Messegelände über WLAN vernetzt. T-Systems hat dazu 200 Access Points installiert, die den Internet-Zugriff mit 11 Mbps ermöglichen sollen. Für die Nutzung des Dienstes muss allerdings die WEP-Verschlüsselung ausgeschaltet werden – was die CeBIT einmal mehr zu einem Hackerparadies machen dürfte, zumal neben dem offiziellen WLAN-Netz noch Hunderte von Ausstellernetzen die Hallen mit Funksignalen füllen werden.
Wie im Vorjahr ist die Nutzung des Messe-WLAN kostenpflichtig: Für die Access-Karten mit Zeitguthaben von einer, vier oder zehn Stunden werden Preise zwischen 10 und 85 Euro verlangt. Die Karten behalten ihre Gültigkeit während der gesamten Dauer der CeBIT, das Zeitguthaben lässt sich damit flexibel einsetzen.




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