Wissensverwaltung mit Pfiff

Knowledge-Management geht auch ohne teure Software. Das beweist die Zürcher AdNovum Informatik, die auf ein Wiki setzt.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/08

     

Firmen leben von Wissen. Entsprechend grosse Anstrengungen werden unternommen, um das Wissen zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. Schliesslich gibt es nichts schlimmeres, als dass das Wissen mit einem Angestellten das Unternehmen verlässt, es vergessen geht oder mehrfach im Rahmen verschiedener Projekte neu erarbeitet werden muss. Alles vergeudete Zeit, die je nach Projektumfang ein Unternehmen teuer zu stehen kommen kann.
Die Ansätze zum Knowledge-Management sind ebenso vielfältig wie die Auswahl der Tools. Die Zürcher AdNovum Informatik zählt über 100 Angestellte und setzt auf ein Wiki. InfoWeek sprach mit AdNovum-CTO Stefan Wengi über Knowledge-Management und Wikis.



InfoWeek: Es gibt Firmen, die investieren Unsummen in ihre Intranet-Applikationen, um das Wissen ihrer Angestellten zu sammeln und die interne Zusammenarbeit zu verbessern. Doch Sie setzen auf eine kostenlose Wiki-Software. Warum?



Stefan Wengi: Wir haben etwas gesucht, das relativ einfach zu benutzen und so flexibel ist, dass es allen Anforderungen gerecht wird. Zudem sollte es auch Open Source und einfach zu warten sein. So sind wir auf die Idee mit dem Wiki gekommen. Wir sind aber bei weitem nicht die einzigen, die so etwas einsetzen. Wikis sieht man auch in anderen Firmen, vor allem bei Entwicklern. Meist setzt ein Entwickler zwischendurch ein Wiki auf, das vorerst im kleinen Kreis benutzt wird, nach und nach aber die ganze Firma erobert.



InfoWeek: Viele Entwickler schwören auf Weblogs. Sie nicht?

Wengi: Weblogs sind erst in den letzten zwei Jahren richtig bekanntgeworden. Aufgrund ihres Tagebuch-Charakters eignen sie sich zwar gut für Aktualitäten, ermöglichen aber keine so gute thematische Sortierung wie das Wiki. Zudem setzen wir schon seit etwa vier oder fünf Jahren auf ein Wiki, und zur Zeit der Einführung waren Weblogs noch kein grosses Thema.



InfoWeek: Welche Informationen speichern Sie im Wiki? Geht es nur um Collaboration und projektbezogene Daten oder verwenden Sie es auch zum Transport anderer Informationen?

Wengi: Wir verwenden es nicht explizit als Projektmanagement-Tool. Es ist ein Teil unseres Intranets und dient in erster Linie als Knowledge Base. Zum Teil wird es auch in Projekten verwendet, um gewisse projektspezifische Informationen zu sammeln. Es ist ein einfacher Container, der es allen Beteiligten ermöglicht, Informationen jeder Art sehr rasch zu publizieren. Daneben ist auch die interne Verlinkung sehr einfach.
Die Bandbreite der enthaltenen Informationen ist sehr gross. Die Knowledge Base verzeichnet unzählige technische How-tos, beispielsweise "Wie konfiguriere ich Oracle 9?" oder "Wie programmiere ich das und dieses?" von Leuten, die etwas zum ersten Mal getan
haben. Für das Projektmanagement wird ein Web für jedes Projekt eingerichtet. Der genaue Inhalt ist den Projektleitern überlassen; meist finden sich aber eine grobe Roadmap, die Rollenverteilung sowie projektspezifische Links auf Dokumente oder Protokolle von Sitzungen.



InfoWeek: Wie sieht es bei den "IT-fernen" Abteilungen aus? Nutzen auch diese das Wiki?

Wengi: Ja, eigentlich nutzen alle Abteilungen bei uns das Wiki und verfügen auch über ihr eigenes Web. Meist geht es um administrative Mitteilungen, Informationen über Ein- oder Austritte aus der Firma oder über das technische Environment.



InfoWeek: Oftmals scheitern Intranet-Applikationen an der zu zeitaufwendigen Bedienung, und die Mitarbeiter verlieren schnell das Interesse. Wie kommt es, dass es Ihnen da anders geht?

Wengi: Die Bedienung ist kein Problem. Früher haben wir nur mit herkömmlichen Webpages gearbeitet, die wir in Source-Code-Repositories verwaltet haben. Verfasst wurden diese Seiten entweder direkt in HTML oder mit Hilfe von Editoren. Das war aber nie ein Problem, da wir von der technischen Seite kommen. Ein Wiki ist so einfach, dass man innert kürzester Zeit sehr viel damit machen kann, ohne zum Beispiel grosse Kenntnisse von einer Formatierungssprache haben zu müssen. Es ist wirklich sehr, sehr simpel.
Unser grosses Problem besteht vielmehr darin, dass das Wiki ständig wächst. Wir verfügen über sehr viele Seiten, deren Pflege aufwendig und teuer ist. Vor allem bleiben viele veraltete Informationen stehen, die man wegräumen müsste. Da hilft auch die Technologie nicht viel, ausser man führt spezielle Konzepte mit Lifetimes für die Beiträge ein, damit die Artikel nicht für unbeschränkte Zeit im Wiki stehenbleiben. Die Aktualität ist schliesslich das viel dringendere Problem als die Frage nach dem eingesetzten Tool.



InfoWeek: Wie sieht es mit der Qualität der Informationen aus?

Wengi: Auch die Qualität hängt natürlich davon ab, wie schnell und einfach etwas zu ändern ist. Wenn ich durch das Wiki surfe und dabei sehe, dass etwas falsch oder veraltet ist, kann ich das mit wenigen Klicks korrigieren. Dadurch wird vieles besser gepflegt als früher. Neben dem Wiki führen wir aber nach wie vor einen Teil des Intranets, in dem nur ein eingeschränktes, kontrolliertes Publizieren möglich ist. Die dort veröffentlichten Inhalte sind verbindlicher und langlebiger als diejenigen im Wiki.



InfoWeek: Im Rückblick, würde die Wahl wieder auf ein Wiki fallen?

Wengi: Sehr gut möglich. Wir würden sicher das aktuelle Angebot auf dem Markt nochmals genauer anschauen, aber für Webpages, die häufig ändern und die jedermann schnell editieren können muss, ist ein Wiki aus unserer Erfahrung gut geeignet.


Hintergrundinformationen Wiki

Wikis sind im WWW verfügbare Seitensammlungen, die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online bearbeitet werden können, womit man sie als offene Content-Management-Systeme bezeichnen kann. Der Name Wiki wurde der hawaiianischen Sprache entlehnt und bedeutet "schnell". Weitere Informationen zur Wiki-Idee sowie passende Software, um selber ein Wiki zu starten, findet man im grössten existierenden Wiki, der Online-Enzyklopädie Wikipedia.




Die bei AdNovum eingesetzte Software heisst TWiki und basiert auf der Programmiersprache Perl. Auf der TWiki-Homepage www.twiki.org findet man neben allen üblichen Informationen und Links zu den Downloads auch Success-Stories von Firmen wie
British Telecom, Motorola oder WindRiver, die über ihre Erfahrungen mit TWiki berichten.




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