Startschuss für Expedition "Jupiter"
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/14
Anlässlich der TechEd 03, die im Juli in Barcelona über die Bühne ging, hat Microsoft über seine "Jupiter"-Strategie informiert und mit BizTalk Server 2004 gleichzeitig das erste Produkt als Beta lanciert. Die 2004er Version des Integrationsservers, der als zentrale Schaltstelle einer "Jupiter"-Lösung fungieren soll, wird bei Verfügbarkeit Ende Jahr die Phase 1 (Codename "Voyager") von Microsofts neuer E-Business-Strategie einleiten.
Phase 2 (Codename "Discovery") folgt im Laufe 2004. Dann werden der Commerce Server, der für den Aufbau von E-Shops und B2B-Lösungen zugeschnitten ist, sowie der Content Management Server in neuen Versionen gemeinsam mit dem BizTalk Server 2004 als integrierte Suite auf den Markt gebracht. Im Gespräch ist auch, den Host Integration Server, der auf die Anbindung von Legacy-Systemen spezialisiert ist, mit in das Bundle zu schnüren.
Für "Jupiter" werden die Funktionen des Commerce- und Content-Management-Servers in mehrere Module überführt, die sich dann für individuelle Lösungen beliebig kombinieren lassen. Als geplante Komponenten nennt Microsoft etwa Workflow, Personalisierung, Web-Site-Analyse, Security und E-Commerce Services.
Verdrahtet werden die "Jupiter"-Module mit BizTalk Server 2004, der von Microsoft generalüberholt wurde. Wie bisher beschränkt sich der auf Business Process Management (BPM) spezialisierte Server allerdings nicht nur auf die Anbindung von "Jupiter"-Bausteinen, sondern kann auch Web-Services, Message Queues und proprietäre Systeme mit Hilfe von Adaptern anzapfen und orchestrieren.
Die Liste der Neuerungen der 2004er Ausgabe ist riesig. Bemerkenswert ist, dass der neue BizTalk Server als erstes kommerzielles Microsoft-Produkt zu einem grossen Teil auf dem .Net Framework basiert. So wurden viele Komponenten des Servers mit C# für die .Net-Runtime entwickelt. Einer der Schwerpunkte ist die nahtlose Integration mit Visual Studio.Net. Business-Prozesse und Schema Mappings lassen sich direkt innerhalb der .Net-Entwicklungsumgebung grafisch aufzeichnen, als .Net-Komponenten kompilieren und innerhalb der .Net-Runtime ausführen. Business-Prozess-Anwendungen können per Knopfdruck auch als ASP.Net-Web-Service publiziert werden.
Unterstützt werden auch einige der ratifizierten Web-Service-Standards der WS-I (z.B. WS-Security) sowie die Business-Prozess-Sprache BPEL (siehe Kasten), die XLANG ablösen soll. Die neuen Human Workflow Services erlauben die Orchestrierung von Business-Prozessen, die den manuellen Eingriff von Personen erfordern. Dazu zählt beispielsweise das Ausfüllen und Weiterleiten eines InfoPath-Formulars oder die manuelle Bestätigung einer E-Mail.
Da die BizTalk-Tools für Visual Studio .Net für die meisten Analysten zu kompliziert sein dürften, plant Microsoft, das bisher auf Visio basierende Design-Tool weiterhin mitzuliefern. Zu den Neuerungen zählen auch ein Single-Sign-on-Mechanismus, der das einmalige Anmelden beim BizTalk Server und allen integrierten Systemen erlaubt, Realtime-Monitoring und -Tracking, höhere Skalierbarkeit sowie ein zentrales Rules- und Policy-Management.
Das Bundling der verschiedenen E-Business-Server zu einer Suite macht Sinn. Anders als bei BackOffice, das wegen zu geringer Nachfrage 2001 eingestellt wurde, werden sich die "Jupiter"-Komponenten enger verzahnen lassen und dadurch bessere Synergien bieten. Ob Microsoft zu einem späteren Zeitpunkt auch Module aus ihren Por-tal-, CRM- und ERP-Lösungen in die Suite integrieren will, ist noch unklar. Auf jeden Fall wird man diese via BizTalk Server so oder so in eine Gesamtlösung einbinden können.
Unklar ist auch, ob die Einzelteile des "Jupiter"-Bundles weiter als Standalone-Produkte erhältlich sein werden. Zumindest bei BizTalk Server 2004 ist dies zu erwarten, da dieser eine Schlüsselrolle in Microsofts Web-Service-Strategie einnimmt.
Wie schon oft verfolgt Microsoft auch bei "Jupiter" die Strategie, mit Hilfe eines Produkts seinen Kunden weitere Pakete aus dem eigenen Haus anzudrehen. Damit wird der Druck auf diejenigen Hersteller erhöht, die sich bislang auf nur einen bestimmten Markt (CMS, E-Commerce etc.) konzentriert haben.
Andererseits muss man aber auch einräumen, dass Produkte wie BizTalk Server, welche die Integration von unterschiedlichen Systemen möglich machen, Firmen von solchen Lock-in-Strategien befreien. Immerhin soll es bis zum Release von BizTalk Server 2004 über 300 Adapter für die Anbindung von proprietären Systemen geben.
Die Business Process Execution Language (BPEL, auch BPEL4WS genannt) wurde letzten Sommer gemeinsam von IBM, BEA und Microsoft vorgestellt und im April 2003 OASIS zur Standardisierung übergeben. Bei BPEL, das vollständig auf XML beruht, handelt es sich um eine Sprache für die Integration und Orchestrierung von auf Web-Services basierenden Business Prozessen. Dabei ist BPEL in der Lage, komplexe Abläufe mit Bedingungen und Verzweigungen sowie parallele, asynchrone und verschachtelte Prozesse abzubilden. Auch Errorhandling und Recovery wird unterstützt, um etwa bei Ausfall eines eingebundenen Web-Services reagieren zu können.
Im Kern handelt es sich bei BPEL um eine Verschmelzung zwischen IBMs Web Service Flow Language (WSFL) und Microsofts XLANG, der Sprache, die bislang in BizTalk Server verwendet wurde. Ähnlich wie heute die transparente Generierung von Web-Service-Schnittstellen in jedem Entwicklungstool Standard ist, darf man damit rechnen, dass künftige IDEs benutzerfreundliche Design-Werkzeuge bieten werden, die BPEL-Scripts automatisch im Hintergrund generieren. Die BizTalk-Design-Tools von Visual Studio.Net gehören zu den ersten Sprösslingen dieser Kategorie. BPEL-konforme Werkzeuge und Processing Engines sind auch bei IBM, Collaxa, BEA oder OpenStorm in der Pipeline oder bereits verfügbar.
Viele Experten rechnen damit, dass BPEL trotz des Alternativ-Voschlags Web Services Choreography Interface (WSCI) von Sun und SAP zum Schlüsselstandard für Applikations-Integration und B2B-Processing avancieren wird. Die Gründe: Einerseits wird BPEL von den drei wichtigsten Herstellern (IBM, BEA und Microsoft) von Applikationsservern unterstützt. Andererseits haben nach SAP und Siebel nun auch Sun und Oracle angekündigt, dem OASIS-Komitee für die BPEL-Standardisierung beizutreten.