Die nächste Herausforderung im e-Procurement: Lieferantenintegration
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/12
Viele Schweizer Unternehmen setzen bereits seit einigen Jahren erfolgreich
e-Procurement-Systeme ein. Nachdem die Herausforderungen der Anfangszeit mittlerweile bewältigt sind, stellt sich mit der Integration von Lieferanten in den elektronischen Bestell- und Rechnungsabwicklungsprozess die nächste Herausforderung.
Noch vor zehn Jahren konnten sich wohl die wenigsten Durchschnittsfamilien in der Schweiz vorstellen, dass sie einmal die Waren ihres täglichen Bedarfs mit Hilfe des Internets decken würden. Die ständig steigenden «Internet-Umsätze» der Grossverteiler zeigen aber, dass sich die Landschaft gründlich geändert hat. Heute nutzen auch Personen, die man bei bestem Willen nicht als technologische Vorreiter bezeichnen kann das Internet zur Beschaffung von Waren.
Eine ähnliche Situation ist in der Wirtschaft erkennbar. Im Gegensatz zu früher, setzen heute sehr viele Unternehmen elektronische Beschaffungssysteme ein. Die Vorteile liegen auf der Hand: Geringerer Zeitaufwand, bessere Vergleichsmöglichkeiten, weniger Fehlbestellungen, um nur einige zu nennen.
Mittlerweile sind viele der Probleme, mit denen die Vorreiter des e-Procurements noch zu kämpfen hatten, weitgehend gelöst.
Doch es gibt mittlerweile eine neue Herausforderung sowohl für die einkaufenden als auch die liefernden Unternehmen: Die Lieferantenintegration.
In der Anfangszeit des e-Procurement waren die einkaufenden Organisationen schon sehr zufrieden, wenn das Angebot der wichtigsten Lieferanten in Form eines elektronischen Katalogs in das eigene Beschaffungssystem eingebunden werden konnte und die gesuchten Artikel schnell und sicher gefunden wurden. Die Übermittlung der Bestellungen erfolgte aber nach wie vor in vertrauten Kanälen, d.h. per Fax. Auch bei der Rechnungsstellung blieb alles wie gehabt. Nach der Lieferung erstellte der Lieferant eine
(Papier-) Rechnung und verschickte diese per Post. Der Medienbruch sowohl beim Verschicken der Bestellung also auch beim Versenden der Rechnung sorgte dafür, dass einiges vom Potenzial des
e-Procurement ungenutzt blieb. Heute streben gerade die grossen Unternehmen, die eine grosse Anzahl von Bestellungen und Rechnungen zu verarbeiten haben nach einer möglichst umfassenden Integration der Lieferanten. Doch was heisst Integration in diesem Zusammenhang? Eine vollständige Lieferantenintegration bedeutet, dass der Weg von der Übermittlung der Bestellung vom Kunden an den Lieferanten, über die Erstellung der Rechnung und der Übermittlung der Rechnung durch den Lieferanten vollelektronisch ist und kein Medienbruch erfolgt. Die Bestellung wird dabei über das Internet an den Lieferanten gesendet und von diesem in einem automatisierten Prozess in sein Backendsystem übernommen. Vom Lieferanten wiederum wird erwartet, dass er nach erfolgter Lieferung die Rechnung ebenfalls elektronisch erstellt und übermittelt.
Es liegt auf der Hand, dass der integrierte Prozess für die Einkäufer grosse Vorteile bietet, da insbesondere die Kosten für die Rechnungsverarbeitung gesenkt werden können. Aber auch für die Lieferanten bieten sich Vorteile wie z.B. gestiegene Wettbewerbsfähigkeit, höhere Kundenbindung und geringerer Aufwand bei der Bestellungsverarbeitung.
Es stellt sich allerdings die Frage, welche Schritte notwendig sind, um die geschilderte volle Integration zu erreichen. Dabei zeigt die Praxis, dass die einkaufenden Organisationen, insbesondere wenn es sich um Grossunternehmen handelt, relativ gut mit den sich stellenden Herausforderungen zurecht kommen. Meistens verfügen die Beschaffungssysteme der grossen Hersteller (z.B. SAP, Oracle oder Ariba) standardmässig über die notwendigen Funktionen für die Lieferantenintegration.
Bei den Lieferanten sieht das Bild jedoch ganz anders aus. Gerade kleinere Firmen tun sich häufig schwer, die gestellten Anforderungen zu erfüllen.
Auf der anderen Seite stellt die Fähigkeit, sich gut und schnell in verschiedene Prozessläufe integrieren zu können, einen immer wichtigeren Wettbewerbsvorteil dar. Doch welche Möglichkeiten hat ein Lieferant, um diesen Wettbewerbsvorteil zu erzielen? Diese Frage kann nicht allgemeingültig beantwortet werden, da die richtige Antwort sehr stark davon abhängt, welche (IT-)Voraussetzungen ein Lieferant mitbringt und welche Integrationsanforderungen die Kunden des Lieferanten stellen.
Für Lieferanten, die über entsprechendes Know-How verfügen bietet sich der Aufbau einer eigenen Verarbeitunginfrastruktur an. Je nach eigener Systemlandschaft kann der Lieferant dabei auf spezielle Integrationsprodukte (z.B. SAP© BusinessConnector™) setzen oder seine Infrastruktur auf standardisierte Komponenten aus der EDI-Familie
(=Electronic Data Interchange) aufbauen.
Lieferanten, die diesen Weg gehen, müssen sich jedoch bewusst sein, dass der Aufbau und der Betrieb derartiger Plattformen recht komplex werden kann und entsprechende Investitionen erfordert.
Gerade für kleinere und mittlere Firmen ist der Aufbau einer eigenen Verarbeitungsinfrastruktur aber wenig sinnvoll. Für diese Firmen bietet sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten Drittanbietern (wie z.B. der Firma SIMENO Systems AG) an, die eine entsprechend leistungsfähige Infrastruktur bereits aufgebaut haben und über das Internet zur Verfügung stellen. Eine derartige Lösung bietet viele Vorteile gerade für Lieferanten, die nur in Einzelfällen eine Integration mit einkaufenden Organisationen erreichen müssen (z.B. ein wichtiger Grosskunde). Bei dieser Art von Lösung geht die Bestellung nicht direkt an den Lieferanten, sondern wird von einer spezialisierten Plattform entgegen genommen. Der Lieferant wird per e-Mail bei eintreffenden Bestellungen benachrichtigt und greift dann via Internet auf seine Bestellungen zu. Er kann dabei wählen, ob die Bestellungen auf der Plattform verbleiben oder in die eigene Umgebung zur Weiterverarbeitung herunter geladen werden sollen. Die Rechnungsstellung erfolgt nach ähnlichem Muster. Dabei stellt die Plattform alle notwendigen Integrationsfunktionen zur Verfügung, um die Rechnung sicher und zuverlässig an die einkaufende Firma zu versenden.
Als Fazit kann festgestellt werden, dass sich das Thema «e-Procurement» heute nicht mehr auf elektronische Kataloge und Online-Bestellungen beschränkt, obwohl dieses Thema nach wie vor zentrale Bedeutung hat. Erfolgreich einkaufende Organisationen haben aber das Potenzial erkannt, das eine enge Integration der eigenen Lieferanten beinhaltet.
Der Austausch von elektronischen Bestellungen und Rechnungen hilft Fehler zu vermeiden und Kosten zu sparen. Aus Lieferantensicht stellt eine hohe Integrationsfähigkeit einen wichtigen Unterscheidungsfaktor im immer härteren Wettkampf dar. Bei der Lieferantenauswahl zählt gerade bei austauschbaren Produkten je länger je mehr die Fähigkeit des Lieferanten, sich möglichst schnell und nahtlos in den Prozessfluss eingliedern zu können. Beim Aufbau der Lösung hat der Lieferant dabei die Wahl, ob er sich die notwendige Infrastruktur selbst aufbauen möchte oder auf die Zusammenarbeit mit Drittfirmen vertraut, die auf dieses Thema spezialisiert sind. Wie auch immer diese Entscheidung ausfällt, das Thema zu ignorieren, ist mittelfristig sicher eine schlechte Entscheidung.