Grosses Fressen im CMS-Markt
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/19
Tom Jenkins, der CEO von Open Text, bekennt sich zum Standort Schweiz. «Ja, wir stehen zu Basel», sagt er anlässlich eines Besuchs in der Schweiz. Das auf die Verwaltung und Suche von unstrukturierten Daten spezialisierte kanadische Softwareunternehmen beschäftigt hierzulande rund 130 Personen, die meisten davon in Basel. Damit ist die Schweiz einer der mitarbeiterstärksten Standorte im Unternehmen, das in Europa
allein an 34 Standorten aktiv ist und weltweit über 2000 Mitarbeiter auf der Lohnliste führt. Mit einem Umsatz von 440 Mio. Dollar sieht sich das Unternehmen ausserdem als weltweiter Marktführer vor Filenet, IBM und Documentum.
Das grosse Gewicht der Schweiz hat historische Gründe und ist auf die Übernahme von Obtree durch die deutsche Ixos zurückzuführen, welche wiederum von Open Text im vergangenen Jahr geschluckt wurde. Bei Obtree, die 2001 noch an die Schweizer Börse wollte, scheinen Überlebenskünstler am Werk zu sein – nur so lässt sich ihre Existenz nach zwei Übernahmen erklären. Die Tatsache jedenfalls, dass CEO Jenkins die Entwicklungstätigkeiten im Bereich des Web-Content-Managements in Basel bündelt und somit auch im Frühling eingegangene Versprechen einlöst, muss als Erfolg gewertet werden – und als positiven Leistungsausweis für die Truppe rund um den Programmierer Luc Haldimann, unter dessen Leitung 40 Entwickler an Softwarelösungen tüfteln.
Doch wie langfristig die Jobs am Rheinknie gesichert sind, das mag niemand zu beantworten. Für Jenkins ist klar, dass sich auf dem Markt für Content-Management-Systeme noch zu viele kleine Anbieter tummeln. Das grosse Firmenfressen wird also erst noch stattfinden. Das Opfer einer Übernahme zu werden, will Jenkins auch für sein Unternehmen nicht ausschliessen. «Genauso wie bei den ERP-Anbietern die Konzentration fortschreitet, wird dies auch Content-Management-Bereich der Fall sein.»
Insbesondere ortet er einen zunehmenden Appetit bei den Business-Software-Riesen wie SAP oder Oracle, deren Fähigkeiten im Umgang mit unstrukturierten Daten noch zu wünschen übrig liessen.
Aber im Unterschied zu den ERP-Firmen haben Content-Management-Firmen noch eine zusätzliche Konkurrenz: Open Source. Jenkins allerdings sieht in den zahlreichen Open-Source-Projekten weniger eine Gefahr, als vielmehr eine Chance für mögliche Partnerschaften. Ob er das tatsächlich so meint? Allen Beteuerungen zum Trotz ist es bisher noch zu keiner Einspeisung von Quellcode oder Unterstützung von Open-Source-Projekten gekommen.
Ein Grund dafür kann sein, dass Open Text sehr stark mit sich selbst beschäftigt ist und viel Zeit damit verbringt, die zahlreich zugekauften Produkte zu einer soliden Einheitsplattform zu verschmelzen. Hier gibt es tatsächlich noch einiges zu tun. Das Produktportfolio hinterlässt auf jeden Fall einen hochgradig konfusen Eindruck.