Artur P. Schmidt: Perspektiven für mobile Endgeräte
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/33
Einer der technologischen Schlüsseltrends ist gegenwärtig die drahtlose Übertragung von Daten zu jedem x-beliebigen Ort weltweit. Eine besondere Bedeutung im Wireless-Marktsegment spielen bekanntlich PDAs, wie sie etwa von Palm hergestellt werden. Dabei steht das Internet im Zentrum des Interesses. Palm-Chef Carl Yankowski richtet mittlerweile seine gesamte Produktpalette darauf aus, um seine Marktführerschaft aufrechtzuerhalten. Nach der jüngsten Ankündigung von HP, ein Palm-ähnliches Gerät auf den Markt zu bringen, stürzte der Kurs von Palm bis Mitte September auf mittlerweile 2,5 Dollar. Noch Anfang November letzten Jahres betrug der Kurs des Papieres 67 Dollar, und kurz nach dem Börsengang im März sogar fast 165 Dollar. Mitbewerber Handspring ist ebenfalls auf einen Kurs von etwa 2,5 Dollar eingebrochen. Zu schaffen machten den beiden Herstellern vor allem die Windows-CE-basierenden PDAs von Compaq und HP. Weltmarktführer Palm, der seit der Markteinführung seiner Handhelds im Jahr 1996 etwa 12 Millionen PDAs verkauft hat, sieht sich in die Defensive gedrängt.
Wenn jetzt das neue Microsoft-Betriebssystem mit dem Namen Pocket PC 2002 auf den Markt kommt, könnte dieses Produkt wegen der grösseren Verkaufszahlen von Microsoft an Unternehmen einen Homerun hinlegen. Während sich die Verkäufe von Handhelds in Westeuropa im Sommer stark abschwächten, hat Compaqs iPAQ Pocket PC einen derartigen Homerun bereits hingelegt. Dies mit der Folge, dass der Marktanteil von Palm im 2. Quartal 2001 von gut 59 auf 32 Prozent fiel, was den extremen Kurssturz zu erklären vermag. Dagegen stieg im gleichen Markt der Anteil von Compaq an Handhelds von 4,5 auf über 30 Prozent. Einer der früheren Lieblinge der Kunden, der Psion-Handheld, verlor derartig stark Marktanteile, dass Psion kürzlich erklärte, die Produktion von Handhelds einzustellen.
Der Verdrängungswettbewerb ist im Handheld-Markt mittlerweile in vollem Gange, da der Markt nach Jahren starken Wachstums in die Phase der Konsolidierung geraten ist. Wegen der Marktmacht der E-Gorillas wie Microsoft, HP, Compaq und Nokia sieht sich Palm in die Defensive gedrängt. Mittlerweile drängt neben Nokia auch Toshiba mit einem CE-basierten PDA auf den Markt. Die ersten Angebote GENIO e550 und GENIO e550/MD zielen voll auf den High-End-Unternehmenskunden. Toshiba hat angekündigt, dass Expansions-Slots für diverse Erweiterungen vorgesehen sind.
Der Wettbewerber Handspring sucht sein Heil nunmehr im Bereich der Kommunikation, weshalb das Unternehmen ein Modul zum Telefonieren in seinen Handheld integrieren will. Dies ist jedoch nicht der erste Versuch, palmartige Geräte mit einem Telefon zu vereinen. Zuvor wurde von Qualcomm bereits das pdQ-Telefon mit dieser Absicht herausgebracht. Im Bereich der Linux-basierten PDAs hat Sharp für Oktober die Herausgabe eines Linux-basierten Handhelds angekündigt. Das Unternehmen glaubt, dass die Nutzung von Linux und Java eine hohe Akzeptanz des Endgerätes im Markt sicherstellen wird. Pumatech, ein Hersteller von Synchronisations-Software, betont, dass sein Produkt Intellisync das Sharp-Endgerät bereits unterstützt. Dadurch ist es möglich, es mit Microsoft Outlook und anderen populären PC-basierten Informations-Managern zu verheiraten.
Möglicherweise haben Palm und seine Lizenznehmer strategische Fehler gemacht, als auf eine On-Device-Expansion mit den Formaten Secure Disk und MultiMediaDisk gesetzt
haben. Es sieht so aus, dass CompactFlash und PC-Card-Unterstützung die sogenannten Pocket PCs in eine stärkere Wettbewerbsposition bringen.
Ich bin der Meinung, dass Palm nicht darum herumkommen wird, sich stärker im High-End-Handheld-Markt und im Linux-Bereich zu positionieren. Die von Palm mittlerweile durchgeführten Preissenkungen für Handhelds machen diese zwar auch für Unternehmen attraktiver, jedoch wird es Palm, wenn es nicht aufpasst, möglicherweise wie Apple gehen. Das Produkt ist zwar interessant, aber das grosse Geschäft macht ein Gigant aus Redmond.
Palm hat deshalb angekündigt, mit drei der grössten Mikroprozessorenhersteller (Intel, Motorola und Texas Instruments) zusammenzuarbeiten und Elemente des Palm OS in vier weitverbreitete Net-Device-Plattformen (Intels StrongARM und Xscale-Plattformen, Motorolas DragonBall MX1 sowie Texas Instruments OMAP Plattform) zu integrieren.
Ein neuer Trend, um der Erosion des Marktanteils vor allem in den USA zu begegnen, ist der "tragbare Palm". Der Trend der Fusion von Mode, Uhren etc. und Computern, d.h. die Entwicklung eines "Digital Pret-à-Porter", zeichnet sich ab. Die Miniaturisierung schreitet weiter voran, so dass am Körper tragbare Kommunikationseinrichtungen und Computer kein reines Wunschdenken mehr sind. Die von Microsoft und Swatch geplante Internet-Uhr geht ebenfalls in diese Richtung. Das Unternehmen Xybernaut Corporation, ein Anbieter von tragbarer Hardware und Software, hat einen sogenannten Mobile Assistant V (MA V), einen leichten, mit Freisprecheinrichtung versehenen, tragbaren Computer vorgestellt. Diesen mit einem Texas-Instrument-Chip versehenen Rechner wird IBM produzieren. Xybernaut betont, dass die Plattform in der Lage ist, jedes Windows-, Linux- oder Unix-Betriebssystem zu unterstützen. Dies zeigt, dass Palm mittlerweile nicht nur durch etablierte Firmen herausgefordert wird, sondern auch durch innovative Newcomer, die in das attraktive Segment des Wireless-Bereichs drängen. Die Profiteure dieser Entwicklung werden in den nächsten Monaten die Kunden sein, da die Geräte nicht nur innovativer, sondern auch preiswerter werden.