Mitarbeitersuche auf allen Kanälen

In der Schweiz erfahrene Software-Entwickler zu finden ist derzeit ein grosses Problem. Davon können die Dienstleister Namics, Netcetera und Unic ein Lied singen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/11

     

Der Schweiz fehlen ICT-Fachkräfte. Bis 2017 sollen es, wenn man nichts dagegen unternimmt, nicht weniger als 32’000 Personen sein. «Swiss IT Magazine» hat sich in der Schweizer Software-Industrie umgehört und bei den drei IT-Dienstleistern Namics, Netcetera und Unic nachgefragt, wie sie die Situation einschätzen.

Einige offene Stellen

Der Fachkräftemangel ist bereits Realität und zwar bei allen drei Unternehmen. Unic hat in der Schweiz aktuell 17 Vakanzen, wobei laut Nadine Schlegel, Head of Human Resources, zehn Stellen auf den Wachstumsbereich Development mit Fokus auf Front End Engineers und Application Architects sowie auf den Sektor Project Management und Business Consulting entfallen. Die weiteren sieben Vakanzen seien offene Lehrstellen (Fachrichtung Applikationsentwicklung, Systemtechnik sowie Mediamatik) für 2012. «Der grösste Fachkräftemangel ist eindeutig im Bereich Development zu verzeichnen. Insbesondere das Gewinnen von Seniors setzt heute eine lange und intensive Suche nach den passenden Profilen voraus», erklärt Schlegel. Das Problem liege sicherlich darin, dass diese Fachkräfte auf dem Markt nicht ausreichend verfügbar seien und die Spezialisierung einzelner Applikationsentwicklungskompetenzen in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung gewonnen habe.

Netcetera sucht an seinen Standorten Zürich, Vaduz, Bern und Skopje momentan neun neue Mitarbeiter. «Gefragt sind vor allem erfahrene Software Engineers und Project Managers», weiss Human Capital Manager Regina Vogt. In diesen Bereichen sei man generell immer interessiert an sehr guten Leuten. Das Hauptproblem sei nämlich, dass auf dem Schweizer ICT-Arbeitsmarkt nur wenig Top-Leute mit langjähriger Berufs- und Führungserfahrung verfügbar seien. «Ausserdem erwarten unsere Kunden neben fundiertem technischen Wissen vermehrt auch Branchenkenntnisse. Diese Kombination in einer Person zu finden, ist bisweilen recht zeitaufwendig», so Vogt.


Auch bei Namics sucht man aktuell nach neun neuen Leuten, sieben für die Applikations- und zwei für die Frontend-Entwicklung. «Insbesondere bei erfahrenen Software Engineers, das heisst ab zwei bis drei Jahren Berufserfahrung, ist es schwer und mit zunehmender Berufserfahrung wird die Suche noch schwieriger», erklärt Martin Pulfer, Leiter Human Resources Management. Und dies, obwohl man versuche, das ganze Spektrum von Kanälen für die Mitarbeitergewinnung zu nutzen, das heisst von der klassischen Publikation auf Jobportalen bis zum gezielten Einsatz von Social Media.

Social Media und Messen

Soziale Netzwerke wie Xing, Twitter und Facebook werden nicht nur bei Namics, sondern auch bei Netcetera und Unic genutzt, um veränderungsbereite Fachspezialisten auf sich aufmerksam zu machen. «Jährlich präsentieren wir uns ausserdem an fünf bis sechs Kontaktmessen an Hochschulen im In- und Ausland, um uns den Absolventen im direkten Gespräch vorzustellen und Kontakte zu knüpfen. Daraus ergeben sich auch Praktika, die nach Studienabschluss öfters zu einer Festanstellung führen», erklärt Regina Vogt.


Bei Unic ist man sich ebenfalls bewusst, dass sich gewisse Stellensuchende nicht mehr auf den konventionellen Jobplattformen bewegen. Deshalb gewinne die Nutzung des Social-Media-Kanals zur Gewinnung von qualifizierten Fachpersonen zunehmend an Bedeutung und sei zu einem wichtigen Hilfsmittel geworden sei, erklärt Nadine Schlegel. Hochschulveranstaltungen und Absolventenmessen haben ihrer Meinung nach derweil den Charakter eines langfristigen Investments und dienen grundsätzlich zur Stärkung der Arbeitgebermarke. «Die regelmässige Präsenz an Messen ist darum für uns genauso fester Bestandteil der Rekrutierungsaktivitäten wie die Stellenausschreibung auf Jobportalen oder auf der eigenen Webseite», so Schlegel.

Rekrutierung im Ausland

Wenn es in der Schweiz nicht mehr genug ICT-Fachkräfte gibt, versucht man sein Glück im Ausland. Und das ist längst nicht mehr nur bei den ganz grossen Unternehmen der Fall, obwohl die Möglichkeiten ausländische Spezialisten aus Drittstaaten zu beschäftigen laut Regina Vogt in der Schweiz sehr eingeschränkt sind. «Deshalb haben wir schon früh die Strategie gewählt, Standorte in Regionen zu gründen, wo etablierte Universitäten ein hohes Ausbildungsniveau garantieren und Fachkräfte gut zu finden sind. Sehr erfolgreich sind wir damit seit 2001 in Skopje in Mazedonien. Dort beschäftigen wir heute gegen 100 Software-Ingenieure», erläutert die Human-Capital-Leiterin von Netcetera.


Während Netcetera also sogar ausserhalb des EU-Raums rekrutiert und tätig ist, beschränken sich Namics und Unic derweil auf die angrenzenden Länder mit Schwerpunkt Deutschland. «Dabei hilft uns unsere Gruppenstruktur», erklärt Nadine Schlegel von Unic. Ausserdem sei die Vernetzung der Online-Jobportale mittlerweile so ausgereift, dass man ohne grossen Mehraufwand Stellen für Deutschland oder weitere Länder ausschreiben könne. «Allerdings bedarf die Rekrutierung im Ausland sicherlich einer präzisen Planung sowie einer klaren Fokussierung auf die Zielgruppen», weiss sie. Der Ausformulierung eines klaren Stellenprofils komme dabei besondere Bedeutung zu, um einen erheblichen Mehraufwand bei der Vorselektion auszuschliessen.

Der Einfluss der Grossen

Trotz all dieser Massnahmen fehlen den Unternehmen die Fachkräfte nach wie vor. Liegt es vielleicht daran, dass grosse IT-Firmen wie Google oder Microsoft sich alle guten Leute schnappen? Diese Aussage hört man in der Branche oft. Bei Unic glaubt man nicht daran: «Wir sind der Überzeugung, dass potentielle Mitarbeitende, die sich bei einer grossen IT-Firma bewerben, sich nicht gleichzeitig für Unic interessieren», erklärt Schlegel. Man beobachte, dass sich Kandidaten bewusst für einen kleineren IT-Dienstleister wie Unic entscheiden, in welchem sie eine hohe Selbständigkeit, gelebte Innovation, flache Hierarchien sowie Unternehmertum vorfinden können. Das setze man bewusst ein.


«Konkurrenz belebt das Geschäft – auch im ICT-Arbeitsmarkt. Viele sehr gute Arbeitgeber machen den Schweizer Arbeitsmarkt attraktiv. Davon können wir als KMU nur profitieren», meint Regina Vogt von Netecetera auf die Frage, welchen Einfluss die Grossen haben. Um die passenden Leute zu gewinnen und vor allem auch über viele Jahre zu halten, sei schliesslich ein einzigartiges Angebot ausschlaggebend. Der Weg zum Erfolg führe nicht über das Wetteifern mit den grossen ICT-Arbeitgebern, sondern über eine bewusst gelebte und kommunizierte Unternehmens-individualität, die für die Mitarbeiter attraktiv sei. Dem pflichtet Martin Pulfer von Namics bei: «Sicherlich sind die erwähnten Unternehmen ernsthafte Wettbewerber auf dem Arbeitsmarkt, aber letztendlich kochen alle mit Wasser.» Das Schaffen von attraktiven Jobs, Entwicklungsmöglichkeiten, guten Rahmenbedingungen und den Aufbau eines Employer-Brand habe schlussendlich jeder Arbeitgeber selbst in der Hand.

Selber ausbilden

Neben der Möglichkeit, Fachkräfte extern zu rekrutieren, kann man sie natürlich auch selber ausbilden und so dem Mangel etwas entgegenwirken. Von dieser Möglichkeit machen alle drei Unternehmen rege Gebrauch. Namics bietet laut Martin Pulfer bereits seit mehr als zehn Jahren die Informatiker-Lehre an. Derzeit werde geprüft, ob man das Angebot von bisher einem Lernenden pro Jahr ausbauen wolle. Zudem engagiere man sich in der von der Standortförderung der Stadt St. Gallen ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe zur Förderung der IT-Berufe.
Sehr stark in die Ausbildung investiert auch Unic: «Zehn Prozent unserer Mitarbeitenden sind Lernende», erklärt Nadine Schlegel. Darin eingeschlossen sind allerdings nicht nur Lernende im klassischen Sinn, sondern auch Studierende, denen man in Form von Praktika, Werkstudienplätzen oder Teilzeittätigkeiten eine Einstiegsplattform ins Berufsleben bietet. Auch bei Netcetera gibt es eine eigene Talentschmiede mit Praktikanten und Lernenden. «Wir bilden seit vielen Jahren Applikationsentwickler aus», erklärt Vogt. Auf Anfang 2011 habe man die Anzahl Lehrstellen auf acht verdoppelt. Möglich wird das durch eine Zusammenarbeit mit dem Zürcher Lehrbetriebsverband ICT, wo die Jugendlichen ein Basislehrjahr verbringen und dann für drei Lehrjahre ins Unternehmen wechseln. Ausserdem veranstaltet, sponsort oder beteiligt sich Netcetera regelmässig an Wettbewerben und Events für Schüler und Jugendliche, wie beispielsweise den i-Days, die 2012 wieder stattfinden. Damit soll auch das Image der Informatikberufe aufpoliert werden.

Attraktivität des Informatikberufs

Ist der Informatikberuf wirklich nicht sexy genug? «Ja, die Informatik ist in der Schweiz zu wenig angesehen. Um das zu ändern, sind viel Aufklärungskommunikation und eine stärkere Vernetzung in Politik und Gesellschaft dringend notwendig», meint Regina Vogt von Netcetera. Etwas anders sieht das Nadine Schlegel von Unic: «Das verstaubte Image von klassischen Ingenieuren hinter Grossrechnern gehört definitiv der Vergangenheit an. Die Attraktivität des Informatikberufes hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.» Insbesondere die neu entstandenen Berufsbilder im Bereich der Online-Kommunikation tragen laut ihr viel zu einem neuen Verständnis der IT-Berufe bei. Eine viel grössere Herausforderung sieht Schlegel in der demographischen Entwicklung und dem Mangel an Jugendlichen, die in die Berufswelt einsteigen, ganz allgemein.


Für Martin Pulfer von Namics gibt es schliesslich noch ein weiteres Phänomen, das es zu beachten gilt: «Im Vergleich zum Ausland ist der Anteil der Frauen in IT-Berufen hierzulande zu gering.» Eine frühzeitige Aufklärung bei der Jugend und insbesondere bei den Mädchen sei deshalb sehr wichtig, meint der HR-Leiter. (mv)


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