CIO-Interview: «Unsere IT war zu teuer, zu langsam und zu komplex»
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CIO-Interview: «Unsere IT war zu teuer, zu langsam und zu komplex»

Bei Valora blieb in Sachen IT in den vergangenen drei Jahren praktisch kein Stein auf dem anderen. Markus Guggenbühler erklärt, wie die IT saniert wurde und weiter optimiert wird.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2011/03

     

Swiss IT Magazine: Herr Guggenbühler, als Sie im April 2008 als CIO zu Valora stiessen, traten Sie ein schwieriges Erbe an, nämlich die IT des Unternehmens zu sanieren, woran Ihr Vorgänger scheiterte. Was haben Sie angetroffen?
Markus Guggenbühler: Sie haben recht, 2008 war die Valora-IT tatsächlich in einer sehr schwierigen Situation. Unsere IT war zu teuer, zu langsam, zu komplex – im Vergleich zur Konkurrenz waren wir IT-mässig zu dieser Zeit noch in der Steinzeit. Wir hatten ein Grossprojekt zur Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems auf Basis von SAP, das schon sehr lange lief und nun endlich abgeschlossen werden sollte, sowie eine sehr heterogene IT-Landschaft, die es zu konsolidieren galt. Ausserdem galt es, ob vieler Strategiewechsel Kontinuität zu schaffen. Es gab also viel zu tun, auf allen Ebenen, und das mit einem gleichzeitig nahezu komplett erneuerten Konzernleitungsteam.

Sie waren 16 Jahre bei Manor, dort war es vergleichsweise sehr ruhig. Wieso haben Sie zu Valora gewechselt?
Nach der langen und guten Zeit bei Manor war es einfach an der Zeit, etwas Neues anzufangen, ich hatte viele grosse, strategische Themen abgearbeitet. Ich wurde angefragt, ob mich die Aufgabe bei Valora reizen würde, und ich habe zugesagt.
Valora ist wie Manor ein Retail-Unternehmen, ein Umfeld, das mir liegt und das mich sehr interessiert. Und es gibt meiner Meinung nach wenige Unternehmen, die ein so grosses Handlungsfeld bieten wie Valora. Wir betreiben ja lange nicht nur Kioske. Ich bin heute noch glücklich über diese Chance und diesen Entscheid.

Wie ist die IT von Valora heute organisiert?
Die IT ist ganz klar aufs Business, also die drei Valora-Divisionen «Retail» (Kioske, Avec-Shops, Caffès Spettacolo, Presse- und Buchshops P+B etc.), «Services» (Pressevertrieb) und «Trade» (Distribution von Markenartikeln im Konsumgüterbereich) ausgerichtet. Wir haben heute in der Schweiz 75 Mitarbeitende in der IT. Hinzu kommen knapp 20 zusätzliche Mitarbeitende an unseren Standorten im Ausland in Deutschland, Österreich, Luxemburg und in Skandinavien.



Wie wurde oder wird die Valora-IT ganz konkret saniert?
Im Bereich Retail haben wir noch 2008 unser bereits erwähntes SAP-Grossprojekt abgeschlossen. Im Februar dieses Jahres haben wir nun auch noch die letzten Umstellungen vorgenommen. Jetzt sind wir daran, nach und nach die verschiedenen Ländergesellschaften zu integrieren. Noch in diesem Jahr soll Luxemburg folgen. In der Division Trade haben wir unsere neue Business-Plattform auf Basis von Microsoft Dynamics AX per Ende 2010 in allen skandinavischen Ländern eingeführt. Nun beginnt die Integration der DACH-Länder, die derzeit noch mit Movex arbeiten. In der Division Services haben wir eine neue Zielplattform PVG eingeführt, die seit 2010 auch in Luxemburg bereits zum Einsatz kommt. Aktuell läuft die Integration unserer Niederlassungen in Österreich. Ausserdem haben wir im Bereich Logistik 2009 die bislang 19 verschiedenen Logistik-Anwendungen durch eine, neue Standardanwendung (WAMAS) abgelöst.

Sie setzen im Retail-Bereich auf Business-Software von SAP und im Trade-Bereich auf eine Lösung von Microsoft. Hat das einen bestimmten Grund?
Ja, wir verfolgen absichtlich eine Zwei-Hersteller-Strategie. Ausserdem haben die beiden Divisionen, die als eigenständige Business-Units geführt werden, ganz verschiedene Anforderungen. SAP ist im Bereich Retail beispielweise Standard, hätte auf unsere Trade-Division aber weniger gut gepasst als eben beispielsweise Dynamics AX. Es hätte natürlich noch andere Hersteller gegeben, in beiden Bereichen. Wir setzen aber bewusst auf grosse Player, sie bieten gewisse Standards, die für unser Unternehmen, das weiter wachsen will und wird, sehr sinn- und wertvoll sind.

Was bedeuteten die Sanierungsmassnahmen für den Mitarbeiterbestand?
Wir beschäftigten im Bereich IT vorher in der Schweiz rund 100 und inklusive unseren Niederlassungen im Ausland insgesamt 140 Personen, also deutlich mehr als heute.

Können Sie mit den aktuell rund 100 IT-Mitarbeitenden die gesamte IT des Konzerns selber betreuen oder arbeiten Sie noch mit externen Partnern zusammen?
Wir arbeiten mit diversen Unternehmen zusammen und haben in den letzten zweieinhalb Jahren einige Dienste ausgelagert. Stepcom stellt für uns den ganzen EDI-Betrieb (Electronic Data Interchange) sicher, Xerox stellt uns alle Printing-Services zur Verfügung und
Swisscom betreut unsere ganze Telefonie-Infrastruktur. Ausserdem arbeiten wir mit ein paar SAP-Partnern zusammen.
Aktuell sind wir zudem kurz vor dem Ende eines Auswahlprozesses für ein Outsourcing des ganzen Rechenzentrums-Betriebs sowie des EWP (Electronic Workplace), also des gesamten Client- und Server-Betriebs, inklusive Netzwerk. Das Ziel ist, über alle Länder hinweg eine einheitliche Lösung mit einem Partner zu implementieren, alle auf eine zentralisierte Plattform zu bringen und die derzeit noch existierenden, kleinen Rechenzentren in den Ländern abzulösen. Wir können uns dann noch mehr auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren.

Welche Unternehmen kommen für die geplante Auslagerung des gesamten Client-, RZ- und Netzwerkbetriebs in Frage?
Aktuell sind noch IBM und T-Systems im Rennen, die für diese Aufgabe optimal und vor allem international aufgestellt sind. Der definitive Entscheid wird demnächst gefällt. Starten soll das Outsourcing im April.

Von wie vielen Clients und Rechenzentren sprechen wir?
Wir betreuen derzeit rund 600 Clients hier am Hauptsitz in Muttenz sowie zirka 200 in den Ländern. Rechenzentren betreiben wir derzeit zwei in der Schweiz, eines hier in Muttenz und ein Dual-Site-RZ bei den IWB in Basel, sowie wie erwähnt in jedem unserer Länder ein kleines RZ.

Was werden Sie noch selber machen? Haben Sie zum Beispiel eine eigene Entwicklungsabteilung?
Ja, die haben wir. Sie konzentriert sich auf Kernelemente unserer IT und individualisiert vor allem unsere Standard-Software aus den Bereichen SAP- sowie Business-Intelligence-Programme und entwickelt Integrationsplattformen. Diesen Bereich werden wir noch ausbauen.
Ausserdem werden wir uns nach wie vor um die rund 1800 Kassen in der Schweiz und Deutschland, die rund 450 MDE-Handhelds inklusive Logistik, Smartphones etc. kümmern. Hinzu kommt der Helpdesk für alle unsere Mitarbeitenden, den wir ebenfalls inhouse behalten, und vieles mehr.

Das geplante Gross-Outsourcing wird sicher auch einen entscheidenden Einfluss auf das IT-Budget von Valora haben.
Ja, wir erhoffen uns dadurch natürlich Einsparungen. Aufgrund der Komplexität der noch heterogenen Landschaft ist unser IT-Budget derzeit, trotz deutlichen Verbesserungen in den vergangenen Jahren, nämlich immer noch zu hoch. Wir sind aber auf Kurs und werden demnächst die Retail-üblichen IT-Kostenspannen erreichen, also 1,2 Prozent des Gesamtumsatzes.


Wie sind Sie als CIO in die Unternehmensleitung eingebunden?
Ich bin Mitglied der erweiterten Konzernleitung von Valora. Das ist neu, vor 2008 war das nicht so. Es ist für mich eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von aktuellen Projekten und für das Meistern von Herausforderungen. Es ist sehr wichtig, immer auf dem Laufenden zu sein und Informationen aus der Konzernleitung fliessen praktisch täglich in meine Entscheidungen mit ein.

Valora hat in den kommenden Monaten einiges vor und will zu einem europaweiten, führenden Handelsunternehmen werden. Was bedeutet das für die IT?
Das ist für uns natürlich eine grosse Herausforderung, insbesondere deswegen, weil das Wachstum des Unternehmens grösstenteils mit den bestehenden IT-Strukturen und Mitteln, in finanzieller und personeller Hinsicht, umgesetzt werden soll. Unsere konsolidierten und einheitlichen IT-Systeme spielen deshalb eine ganz zentrale Rolle. Sie ermöglichen die rasche Integration. In Deutschland haben wir in den vergangenen Monaten immer wieder grössere oder kleiner Akquisitionen abgeschlossen und diese jeweils rasch in unsere Systeme integrieren können.
Eine kleine Knacknuss wird das geplante und angesprochene Outsourcing der Clients und Server sein, weil für die kommenden 15 bis 18 Monate eine parallele Transition an den noch zu bestimmenden Partner laufen wird. Aber: Das Outsourcing wird uns schlussendlich bei der Integration von neuen Unternehmen sehr stark helfen.

Valora überrascht immer wieder mit neuen Ideen und Services, beispielsweise ok.-Mobile, die natürlich alle IT-Unterstützung brauchen. Was kommt noch auf Sie und vor allem uns zu?
Wir sind neben dem genannten ok.-Mobile-Angebot bereits seit langem Schweizer Marktführer was den Bereich Prepaid-Services für Mobiltelefone betrifft. In diesem Bereich sind einige spannende, neue Produkte zu erwarten. Daneben haben wir erst im Januar zusammen mit Moneygram, einem Anbieter von globalen Geldtransferdienstleistungen, einen neuen Service gestartet. Vorerst kann man an 80 und bis Ende 2011 an über 500 Kiosk-Verkaufsstellen neu sicher, kostengünstig und international Geld transferieren. Ausserdem werden wir in diesem Jahr in den 300 grössten Filialen ein neues Digital-Signage-System ausrollen und so die Wiedergabe von digitalen Medieninhalte auf Screens in den Kiosken ermöglichen. Und in Zusammenarbeit mit Kuoni ist noch ein weiterer, spannender neuer Service in Planung. Sie werden in unseren K-Kiosk-Verkaufstellen unter dem Motto «schneller als im Internet» bald auch Last-Minute-Reisen buchen können.
Unser Ziel ist, unsere Verkaufsstellen immer mehr zu einem modernen Dienstleistungscenter zu formen.

Last but not least noch die vermeintliche Frage der Fragen: Ist Green IT für Sie ein Thema?
Ich sag’s mal so: Wenn man sich Sorgen um Green IT machen kann, dann hat man es geschafft und alle Hauptprobleme gelöst. Wir erwarten es jedoch von unseren Outsourcing-Partnern. (mv)


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