Editorial

Der Staat macht’s schneller


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/12

     

Der freie Markt ist einer Wirtschaft, die auf staatliche Interventionen baut, weit überlegen. Als schlagender Beweis dieser westlichen
Binsenwahrheit steht der Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Bloss, die Welt ist nicht so
einfach gestrickt, wie uns das Fundamental-Liberale vormachen wollen.



Gegenbeispiel? In der ersten Juniwoche versammelten sich Schweizer Netzwerker im Zürcher Technopark, um sich am zweiten IPv6 Summit über die neuesten Entwicklungen hinsichtlich des kommenden Netzstandards zu informieren. Was sich dabei herauskristallisierte, müsste hiesigen Markt-Jüngern zu denken geben:
Asien ist Europa und den USA in Sachen IPv6-Implementierung um Jahre voraus. Erste Applikationen sind produktiv, und im Mobilfunk/VoIP-Bereich sowie bei Haushaltgeräten und Unterhaltungselektronik stehen produktionsreife Prototypen bereit. Latif Ladid, Vorstand der europäischen IPv6 Task Force, bilanzierte an der
abschliessenden Podiumsdiskussion nüchtern: Dieser Rückstand wird Europa
Tausende von Arbeitsplätzen kosten.




Der Vorsprung Asiens wird immer mit dem wesentlich grösseren Mangel an IPv4-Adressen in diesem Erdteil begründet. Das ist aber nur ein Teil der Erklärung. Der andere: Asiatische Regierungen setzen bei der Einführung neuer Infrastruktur-Techniken traditionell auf staatliche Intervention. Die Wirtschaft wird zur einheitlichen Umstellung gezwungen. Bei uns versuchen derweil die im Quartalszahlen-Denken gefangenen Hersteller, ihre bisherigen Investitionen in IPv4 mit Flicktechniken so lange wie möglich auszuquetschen.



Quasi-staatliche Verhältnisse in Sachen Infrastrukturtechnik haben zudem auch schon in Europa ihren wirtschaftlichen Sinn bewiesen. Bei der Mobilfunk-Einführung konnte Europa gegenüber den USA dank der Einigung aller Staatsmonopol-Carrier auf den GSM-Standard in kürzester Zeit einen erklecklichen Vorsprung erarbeiten, dessen positive Folgeerscheinung weltweit führende Mobilfunkgiganten wie Nokia, Ericsson, Vodafone, Orange oder T-Mobile sind.



Glauben Sie, der Staat sollte in Sachen Infrastruktur intervenieren, oder sind Sie der Meinung, der freie Markt regle auch diesen Bereich im Endeffekt besser? Schreiben Sie mir: dmeierhans@compress.ch




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