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Trotz überzeugender Leistungsmerkmale werden Wikis nach wie vor wenig beachtet. InfoWeek hat fünf Wiki-Tools auf ihre Praxistauglichkeit getestet.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/10

     

Wikis gibt es fast schon seit den Anfängen des WWW. 1995 erfand Ward Cunningham das Wiki-Prinzip, das seitdem in unzähligen Programmen eine mehr oder weniger praxistaugliche Umsetzung gefunden hat.
Die Wiki-Idee ist bestechend einfach: Statt die Webseiten immer selber zu aktualisieren, lässt man die Besucher dabei helfen. Dies, indem sie beim Betrachten der Webseite mit wenigen Klicks in den Editier-Modus wechseln und die Seite bearbeiten können. Damit niemand etwas kaputtmachen kann, werden die Änderungen versioniert, womit sich ältere Versionen einer Seite problemlos wiederherstellen lassen. Einige Werkzeuge bieten zudem eine Rechtevergabe, damit nur autorisierte Benutzer Hand an den Seitenquelltext legen dürfen. Wiki ist hawaiisch und heisst schnell, entsprechend sind die Formatierungsoptionen sowie die Verlinkung auf Einfachheit und Schnelligkeit ausgelegt. Statt HTML-Tags werden einfache Symbole wie ein * oder = zur Formatierung genutzt. Obwohl dieses Prinzip bei allen Wikis gleich ist, unterscheiden sich die Formatierungsdialekte doch von Software zu Software. Bei der Verlinkung wird in der Regel nicht auf eine bestimmte Formatierung, sondern auf die sogenannte CamelCase-Schreibvariante (Binnenversalie) gesetzt. Dabei werden Worte, die nach dem CamelCase-Muster (beispielsweise DasIstEinBeispielLink) geschrieben werden, automatisch in Links umgewandelt.





Die Themenvielfalt der Wikis reicht vom Herrn der Ringe über diverse technologische Themen bis hin zum Fischen. Das wohl bekannteste Wiki ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, die in der deutschen Variante schon über 85'000 Artikel enthält und auf english knapp 270'000 Beiträge zählt. Trotzdem spielen Wikis besonders als Dokumentationsplattform oder Knowledge Base (siehe InfoWeek 08/2004, Seite 45) eine Rolle.
Nachdem Ward Cunningham seine Wiki-Idee in einer ersten Software realisiert hat, wurden unzählige Implementierungen in den verschiedensten Programmiersprachen realisiert. InfoWeek hat die Programme MediaWiki, phpWiki, SnipSnap, TWiki und WakkaWiki ausgewählt und genauer angeschaut.


MediaWiki

MediaWiki wird unter der GNU GPL vertrieben und ist die Software hinter der Online-Enzyklopädie Wikipedia sowie einer Handvoll anderer Seiten.
Voraussetzung ist ein Webserver mit PHP 4.1.2 oder höher sowie MySQL 4.0, wobei auch tiefere Versionen (minimal 3.22.x) funktionieren. Da MediaWiki auf eine hohe Last und viele Seiten ausgelegt ist, wurde auf den Support anderer Back-ends verzichtet. Dafür verfügt die Software über einen Caching-Mechanismus für die ansonsten dynamisch generierten Seiten sowie Unterstützung für den Proxy-Server Squid.
Die Installation geht schnell vonstatten. Nach dem Entpacken des Archivs und dem Setzen der richtigen Schreibrechte muss man nur die korrekten Zugangsdaten für die Datenbank eingeben und einige vom Script bereits ermittelten Pfade absegnen. Nach Absenden des Formulars ist MediaWiki einsatzbereit.




Neben den essentiellen Funktionen eines Wiki bietet MediaWiki eine ausgefeilte Versionierung der Artikel sowohl über das Verschieben als auch Umbenennen der Seiten hinweg, ebenso eine Unterstützung für mehrsprachige Artikel. Entsprechend wurde auch Support für UTF-8 integriert, wodurch auch das Bearbeiten von arabischen und japanischen Texten kein Problem darstellt. Bilder lassen sich nicht nur einbinden, sondern, sofern die Grafikbibliothek GD in PHP zur Verfügung steht, beim Upload automatisch verkleinern. Mathematische Formeln werden mit Hilfe von LaTeX in PNG-Grafiken umgewandelt. Als besonderes Schmankerl werden in den Artikeln auftauchende ISBN ausgewertet und so die direkte Recherche in einer wählbaren Auswahl von Bibliotheken und Online-Buchhandlungen wie Amazon ermöglicht.
Ebenfalls wurde viel Wert auf die Funktionen gelegt, welche für eine bessere Übersicht über die Artikel sorgen sollen. Neben der üblichen Liste der zuletzt geänderten Artikel lassen sich neu angelegte Seiten anzeigen, und auch verwaiste sowie Seiten mit besonders viel oder wenig Text sind schnell aufzufinden. Für die Benutzer ist es möglich, sogenannte Watchlists anzulegen, mit deren Hilfe man beliebig viele Seiten auf Veränderungen hin beobachten kann.





Der Code ist angenehm geschrieben und anständig dokumentiert, womit eigene Erweiterungen kein grosses Problem darstellen sollten, PHP-Kenntnisse natürlich vorausgesetzt. Das Design lässt sich recht problemlos anpassen. Eine Implementierung der Template-Engine Smarty ist für die Zukunft geplant.


phpWiki

phpWiki ist, wie der Name schon sagt, in PHP geschrieben und wird wie MediaWiki unter der GNU GPL vertrieben. Die Installation ist gleich einer der ersten grossen Minuspunkte der Software. Die Konfiguration läuft nicht über ein Formular und ein kleines Script, sondern muss komplett von Hand vorgenommen werden. Die Konfigurationsoptionen in der index.php sind zwar ausführlich erklärt, bei der Initialisierung des Back-end wird man aber etwas alleingelassen. Dies stellt zwar für erfahrenere Anwender kein grosses Problem dar, kann für den Anfänger aber zum frustrierten Abbruch der Übung führen.
Als Back-end werden einige SQL-Datenbanken, darunter MySQL, PostgreSQL oder SQLite unterstützt. Auch lassen sich dateibasierte Datenbanken wie GDBM (GNU Database Manager) oder Berkeley DB benutzen. Dies wird über den Abstraktionslayer PEAR::DB realisiert, und auch wenn dieser leider etwas träge ist, lässt sich das doch mit Hilfe des eingebauten Caching einigermassen abfangen.





Neben den klassischen Wiki-Funktionen zur Formatierung und einer Seite mit zuletzt geänderten Seiten können verschiedene Versionen im Stil von GNU diff verglichen werden. Datei-Uploads und andere Funktionen, die über die klassischen Wiki-Aufgaben hinausgehen, sind im Gegensatz zu MediaWiki über Module realisiert. Mit Hilfe dieser Module lässt sich die Software generell recht einfach erweitern. Das Erscheinungsbild wird durch Themes bestimmt, die mit etwas Aufwand angepasst oder neu geschrieben werden können.
Die Software ist gewachsen, was man ihr auch ansieht. Der Code ist dagegen sauber und erstaunlich gut dokumentiert. Dies kann man von der Softwaredokumentation als Ganzes weniger sagen: knapp, etwas chaotisch und zum Teil veraltet.


SnipSnap

SnipSnap, eine in Java geschriebene Software des Fraunhofer Instituts für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik, ist wohl der Exot unter den Exoten. Im Gegensatz zu den anderen Wiki-Tools benötigt die Software zwingend Zugang zur Kommandozeile, womit sie für Shared-Hosting-Umgebungen untauglich ist. Wenn man das Wiki im Intranet verwenden will, steht dem Einsatz von SnipSnap dagegen nichts entgegen. Unterstützt werden sowohl unixoide Systeme wie Linux als auch Windows. Zur Funktion ist nichts weiter als ein aktuelles Java SDK nötig, den Webserver sowie die Datenbank bringt die Software gleich selber mit. Für einen performanteren Betrieb kann man aber problemlos auf MySQL oder PostgreSQL wechseln. Die Installation ist nach Start eines Shell-Scripts denkbar einfach: Mit dem Browser die von dem Installations-Script vorgegebene Seite besuchen, Formular ausfüllen, zweimal klicken, fertig.





Im Gegensatz zu den anderen Werkzeugen ist SnipSnap eine Mischung aus Wiki und Weblog-Tool, was man der Software auch ansieht. Neben den klassischen Wiki-Funktionen finden sich auch einige Möglichkeiten aus der Weblog-Welt, so beispielsweise ein Kalender und XML-RPC-Interfaces nach der Blogger- und der MetaWeblog-API, mit deren Hilfe sich das SnipSnap-Wiki mit einem Client auf dem Desktop füttern lässt. Neben einem Bild-Upload existiert auch Support für SVG. Zusätzlich ist es möglich, unterschiedliche Seiten oder Wikis mit derselben Installation zu verwalten.
Das Design wird hauptsächlich von CSS-Files gesteuert, die problemlos bearbeitet werden können. Aber auch die kompletten Themes können bearbeitet oder neu gestaltet werden. Dabei hilft, wie auch bei der Bedienung der restlichen Software, eine kurze, aber sehr gut verfasste Dokumentation, die kaum Fragen offenlässt und einen schnell zum Ziel bringt. Die Erweiterung von SnipSnap ist ebenfalls leicht machbar, so lassen sich recht einfach Macros erstellen und in die Software integrieren.


Twiki

TWiki ist der einzige in Perl verfasste Vertreter im Testfeld und wird ebenfalls unter der GNU GPL vertrieben. Auch ist es die einzige Software, die nur auf Textdateien setzt, was sich, je mehr Seiten vorhanden sind, auch auf die Performance auswirkt. Entsprechend muss die Wertung in der Vergleichstabelle gesehen werden.
Die Installation klappt, ist gesamthaft gesehen aber etwas umständlich, da sämtliche Änderungen von Hand vorgenommen werden müssen. Ein Formular, das den Installationsprozess vereinfacht hätte, fehlt. Dass TWiki etwas fürs Techniker-Intranet ist, sieht man auch bei der sonstigen Benutzung der Software: Insgesamt ist die Bedienung gewöhnungsbedürftig und ab und zu etwas mühsam.





Das Standard-Aussehen, das man getrost als verunfallt bezeichnen kann, lässt sich über Templates den eigenen Bedürfnissen anpassen. Etwas unglücklich ist die starke Abhängigkeit von der CamelCaseSyntax. Freie Links sind nur mühsam möglich.
Sehr umfangreich ist das Plug-in- und Add-on-Verzeichnis, in dem sich die nötigen Erweiterungen für die verschiedensten Funktionen finden. So ist es möglich, TWiki nachträglich Caching beizubringen oder es darauf zu trainieren, dass man neue Seiten auch per E-Mail einfügen kann.
Die Dokumentation, die über hundert Seiten stark ist, weiss zu überzeugen. Die angeschnittenen Themen werden klar und ausführlich beschrieben und sind mit den nötigen Befehlen für die Shell illustriert.


WakkaWiki

WakkaWiki ist die kleinste der getesteten Engines, basiert auf PHP und MySQL und wird unter der GNU GPL vertrieben.
Die Installation ist einfach und wird durch ein Formular unterstützt, wirkt aber noch nicht ganz so ausgefeilt wie bei MediaWiki. Die Voraussetzungen dürften ebenfalls einfach zu erfüllen sein: PHP 4.1.0 oder höher sowie MySQL 3.23.23 oder höher werden vorausgesetzt, was so ziemlich jeder Shared-Hosting-Account mitbringen dürfte.
Da WakkaWiki vor allem auf Schnelligkeit ausgelegt und darum auch sehr schlank geraten ist, findet man abgesehen von den klassischen Wiki-Möglichkeiten keine zusätzlichen Funktionen. Sogar ein Bilder-Upload fehlt, soll aber in Zukunft dazukommen. Die Wiki-Funktionen sind dafür erstaunlich intuitiv und klar ausgefallen. Vor allem bezüglich Formatierung existieren sehr viele Möglichkeiten.




Da WakkaWiki kein eigenes Caching mitbringt, muss man bei grösseren Installationen selber Hand anlegen. Dies lässt sich, da WakkaWiki sehr schlank ist, in nützlicher Frist erledigen. Etwas verwunderlich ist, dass zur Verbindung zur MySQL-Datenbank auf die PHP-Funktion mysql_ pconnect() gesetzt wurde, welche eine persistente Verbindung etabliert und bei einem forkenden Webserver wie Apache eher negative Auswirkungen hat.
Das Design lässt sich entweder über das zentrale CSS-File oder eine Reihe von Includes im Ordner /actions anpassen. Ohne PHP-Kenntnisse ist dies aber ein wenig mühsam. Ebenso steht es mit den eigenen Erweiterungen: Ohne gute PHP-Kenntnisse geht wenig.





Sehr schön ist dafür die Dokumentation gelungen. Kurz und bündig werden die wichtigsten Funktionen erklärt, was besonders bei den umfangreichen Formatierungsmöglichkeiten notwendig ist. Da Learning-by-Doing besonders effektiv ist, existiert auf der Wakka-Homepage eine Sandbox, in der man sofort alle Befehle selber ausprobieren kann.
Wem WakkaWiki gefällt, es aber zu wenig Funktionen bietet, kann einen Blick auf CoMaWiki werfen, das ein Fork von Wakka ist und weit mehr Funktionen bietet.


Fazit

Auch wenn sich jede Software Wiki nennt, wirklich ähnlich sind sich die Testkandidaten nicht. Während MediaWiki vor allem durch starke Wiki-Funktionen und gute Performance überzeugen kann, können dies phpWiki und TWiki durch ihre gute Erweiterbarkeit. WakkaWiki ist durch seine Einfachheit aufgefallen. SnipSnap tanzt endgültig aus der Reihe, bringt es doch seinen eigenen Web- und Datenbankserver mit. Das Prädikat des Testsiegers hat es sich damit verdient, dass es den ausgewogensten Eindruck macht und von der Installation bis zum Betrieb der Seite ohne grössere Schwächen überzeugt.
Welches Wiki man nun wählt, hängt ganz von den eigenen Präferenzen und dem Einsatzgebiet ab. TWiki ist vor allem ein Kandidat für das Programmierer-Intranet, wo noch viele Zusatzfunktionen gebraucht werden. WakkaWiki eignet sich dagegen durch seine Einfachheit für jede Zielgruppe. SnipSnap ist sowohl für das Intranet als auch, einen geeigneten Server vorausgesetzt, für das Internet bestens geeignet. Durch seinen Blogging-Touch verleitet es aber weniger zum Partizipieren als die anderen Tools. MediaWiki ist die eierlegende Wollmilchsau für exzessives Publishing.




Die Testkandidaten im Vergleich





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