Editorial

Tarifwirrwarr und Rekordtarife statt Kundenservice


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/14

     

In letzter Zeit drängeln die Schweizer Telcos regelrecht mit stolzgeschwellter Brust an die Öffentlichkeit und verkünden angeblich innovative und für den Kunden unglaublich vorteilhafte neue Angebote. Meist geht es um den Preis, der in den Schweizer Mobilnetzen gemäss einer finnischen Studie im Europavergleich schwindelnde Rekordhöhen erreicht. Stundentarife und Flat-Rates bei Orange und Sunrise, Abend- und Wochenendverbilligungen bei Swisscom Mobile bewirken jedoch vor allem eines: Für den Kunden wird der Tarifdschungel noch unübersichtlicher. Neue und erst noch kommende Mobilanbieter wie Tele2 und Cablecom – pikanterweise vom Firmennamen her ein Widerspruch in sich – vergrössern die Wirrnis zusätzlich.





Profitiert wird dafür bei Comparis & Co. – die Telcos helfen hier einer völlig neuen Branche auf die Sprünge. Nachdem bekanntermassen sämtliche denkbaren DJ-Posten längst vergeben sind, wird ja vielleicht «Tarif-Consultant» demnächst zum neuen Traumberuf der Schweizer Jugend.
Alle Varianten der «Billig»-Mobiltelefonie sind zudem mit einem riesigen Haken behaftet: Die wirklich sehr günstigen Tarife gelten nur im inländischen Verkehr mit dem Festnetz und dem eigenen Mobilnetz. Orange-Abonnenten, die mit einem Gesprächspartner im Swisscom- oder Sunrise-Netz palavern, entrichten nach wie vor ähnlich exorbitante Oboli wie immer schon; bei den anderen möglichen Kombinationen verhält es sich analog. Da man meist aber nicht weiss, in welchem Netz der andere Teilnehmer zappelt, kann das ganz schön ins Geld gehen – die Vorwahl eignet sich ja seit Einführung der Nummernportabilität nicht mehr als Indiz, und Krücken wie die Information via SMS oder spezielle Klingeltöne beim mobiltelefonischen Fremdgehen sind entweder unhandlich oder kommen erst dann zum Zug, wenn die Verbindung schon fast steht.






Über die Kostenverhältnisse beim internationalen Roaming sage ich lieber nicht allzuviel; es käme sonst zu Unflätigkeiten. Viel mehr als Begriffe wie «Raubrittertum» und «kundenunfreundlich» fällt mir dazu ohnehin nicht ein. Vom Festnetz her sind Unverschämtheiten im Stil von «auch bei eingehenden Anrufen fallen für den internationalen Teil der Verbindung die üblichen Kosten an» jedenfalls völlig unbekannt, und ich sehe genauso wenig ein, wieso ich bei einem Aufenthalt in Berlin, Moskau oder Kuala Lumpur für ein mobiles Ortsgespräch im Vergleich zu Abonnenten eines landeseigenen Anbieters das
x-fache zahlen muss.





Wenig Kundenfreundlichkeit stellt man auch beim öffentlichen Wireless LAN fest, und dies nicht bloss punkto Tarif. Wer nicht zufällig an einen Access Point gerät, der vom eigenen Mobilanbieter betrieben oder unterstützt wird, muss sich mit einer «Value Card» oder ähnlich umständlichen Hilfsmitteln befassen, die zudem tariflich meist so unflexibel sind, dass eine Zwei-Stunden-Karte nicht zehnmal zu je zwölf Minuten genutzt werden kann, sondern auf einen Rutsch verbraucht werden muss.
Als Tip an die Anbieter kann ich einen aus der Wirtschaft sattsam bekannten Mechanismus empfehlen: die Mischrechnung. Warum nicht die Interkonnektionskosten gleich in die Flatrate integieren oder auf die Verrechnung von eingehenden Auslandsgesprächen verzichten? Um den Finanzverlust auszugleichen, könnten die Telcos ja endlich einmal darauf verzichten, neuen Kunden den Gerätekauf mit völlig überrissenen Subventionen zu versüssen und stattdessen die bestehende Klientel besser betreuen. Dabei würde auch das Werbebudget geschont: Langfristige Kundenbindung schafft man nämlich besser mit gutem Service als mit aufwendigen Spots und Plakaten.

(ubi)


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