Vier Terabyte auf dem Desktop

Nachtrag zum NAS-Vergleichstest vom Herbst 2007: Das 4-Bay-Modell TS-409 Pro von Qnap überzeugt in fast allen Punkten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/05

     

Ganz offensichtlich geniesst die Produktekategorie «Desktop-NAS» nicht nur bei den Herstellern, sondern auch bei den Anwendern ungebrochen eifrigen Zuspruch, sonst kämen nicht dauernd neue Modelle auf den Markt. Letztes Jahr haben wir in Ausgabe 16/2007 drei NAS-Geräte für kleinere Umgebungen mit vier Harddisk-Einschüben getestet und verglichen. Heute kommt der Nachtrag: Das 4-Bay-Modell TS-409 Pro Turbo von Qnap war zum Zeitpunkt unseres Vergleichstests zwar schon angekündigt, ist in der Schweiz aber erst seit kurzer Zeit lieferbar.


Eierlegende Wollmilchsau

Wie die bereits getesteten, vom Hersteller für den geschäftlichen Einsatz positionierten 4-Bay-Geräte wartet auch das Qnap-Produkt mit einer fast schon unübersichtlichen Funktionsfülle auf. Einerseits genügt es mit seinen vier Hotswap-Einschüben und ziemlich flexiblen RAID-Konfigurationsmöglichkeiten durchaus professionellen Ansprüchen an ein Netzwerkspeichersystem.


Auf der anderen Seite verzichtet auch Qnap, wie die anderen Desktop-NAS-Anbieter, selbst bei diesem «Pro»-Modell nicht auf Features wie Fotogalerie, Bittorrent-Client, uPnP/DLNA-Mediaserver auf Basis Twonkymedia und iTunes-Service, die doch eher in den Home-Entertainment-Bereich gehören. Schlimm ist das allerdings nicht: Alle Funktionen lassen sich individuell ein- oder ausschalten, wenn man sie nicht benötigt.



Mit einem 500-Megahertz-Prozessor und 256 Megabyte DDR-II-RAM – in der Qnap-Terminologie werden diese gegenüber den Einstiegsmodellen verbesserten Eigenschaften durch das Attribut «Turbo» verdeutlicht, das «Pro» steht für Features wie NFS und Active-Directory-Einbindung – bringt der TS-409 Pro Turbo genügend Power für den Einsatz als Fileserver für mehrere Benutzer. Das Embedded-Linux-Betriebs-system wartet aber auch mit einem Webserver und einem MySQL-Datenbankserver auf.


Ansprechende Hardware

Von der äusseren Erscheinung und der Gehäusequalität her überzeugte in unserem Vergleichstest das Netgear-Modell am meisten: Hochwertige Materialien, stabiler Eindruck, kompakte Bauweise. Das Vergleichsgerät von Synology vermochte zwar durch den mit Abstand günstigsten Preis und die gute Performance zu begeistern, das Plastikgehäuse wirkt bei der Synology-Cubestation aber etwas billig, und die Harddisk-Steckplätze sind zwar Hotswap-fähig, aber erst nach dem Abschrauben der rückwärtigen Gehäuseabdeckung zugänglich.


Qnap liegt mit dem TS-409 genau dazwischen. Mit der gemessenen Disk-Performance von 18,5 Punkten im Xbench-Test kommt das Qnap-Modell fast an den Spitzenreiter von Zyxel heran, und der Preis liegt mit 999 Franken für das Grundsystem ohne Harddisks nur wenig über dem Niveau von Synology.



Die vier Harddisk-Einschübe sind hinter einem Schwenktürchen an der Vorderseite versteckt. Die Festplatten werden zur Installation auf einen Metallträger geschraubt, der seinerseits durch zwei Schrauben gesichert wird, die sich ohne Werkzeug lösen lassen.


An der Vorderseite befindet sich neben dem Einschaltknopf und Status-LEDs für die Betriebsbereitschaft des Geräts und der vier Festplatten sowie die Netzwerkaktivität auch ein USB-Port zum Anschluss eines externen Speichergeräts sowie die «USB Copy»-Taste: Je nach Konfiguration lässt sich der Inhalt des angeschlossenen USB-Speichers damit ohne weiteres Zutun in ein vorher definiertes Verzeichnis auf dem NAS-Gerät kopieren, oder umgekehrt. Hinten am Gehäuse stehen zwei weitere USB-Ports zum Anschluss von Druckern oder externen Laufwerken zur Verfügung. Die Einbindung ins LAN erfolgt über einen Gigabit-fähigen Ethernet-Port.


Administration im Browser

Bei Installation und Verwaltung gleicht das Vorgehen bei Qnap frappant dem Prozedere der übrigen Hersteller: Um das unkonfigurierte Gerät im LAN zu finden und für die Erstkonfiguration der Netzwerkparameter wie IP-Adresse, Router und DNS-Server ist auf der Software-CD das Utility «Qnap Finder» enthalten, die gesamte weitere Verwaltung erfolgt im Browser.


Die Qnap-Oberfläche ist zwar nicht ganz so ausgefeilt wie das kürzlich vorgestellte, mit AJAX-Elementen angereicherte neue Interface des Konkurrenten Synology, sie wirkt aber aufgeräumt und gefällt durch eine attraktive, aber schlichte Optik und kommt auf jeden Fall eleganter daher als die bisherige Synology-Oberfläche.
Mit einigen Ausnahmen – man muss zum Beispiel den Webserver und den Datenbankserver auf zwei unterschiedlichen Seiten separat aktivieren, bevor man mit der Konfiguration des vorinstallieren Joomla-CMS beginnen kann – findet man dank einer übersichtlichen Einstiegsseite und klaren Symbolen die meisten Einstellungen auf Anhieb.



Es lohnt sich aber auf jeden Fall, nicht nur das Manual zu überfliegen, das über die gesamte umfangreiche Funktionalität des Qnap-NAS informiert und im PDF-Format mitgeliefert wird, sondern auch die Help-Texte der Web-Oberfläche zu studieren: Dort sind gelegentlich Details verzeichnet, die man im PDF-Manual nicht findet.


Etwas mehr Liebe zum Detail möchte man dem Hersteller bei der deutschsprachigen Lokalisierung des Discovery-Progrämmchens und teilweise auch der Web-Oberfläche wünschen. Man errät zwar nach einigem Überlegen, was ein «Bediener» sein soll – aber warum nicht gleich von Anfang an «Server» schreiben? Auch die Bezeichnung «Netzwerksegment» für das, was unter Windows «Netzwerkfreigabe» heisst und im Jargon gemeinhin als «Share» gilt, ist zumindest für den sprachlich weniger findigen Anwender verwirrend. Fazit: Wer die Sprache der Briten und Amerikaner beherrscht, fährt mit der englischen Oberfläche besser als mit der deutschen Übersetzung.


Flexibles RAID-Management

Das Kernstück eines NAS-Geräts ist jedoch nicht die Oberfläche, sondern die Datenhaltung. Hier bietet der TS-409 praktisch alles, was man sich in einem Gerät mit vier Einschüben wünschen kann. Das Qnap-NAS unterstützt die RAID-Levels 0, 1, 5, 5 mit Hot-Spare und 6 und lässt sich alternativ auch als JBOD konfigurieren.


Auch nachdem das System im gewünschten Modus konfiguriert und das RAID-Volume synchronisiert ist, bleibt der TS-409 flexibel: Die vorhandenen Laufwerke lassen sich im laufenden Betrieb per «Online RAID Capacity Expansion» schrittweise durch neue, grössere Disks ersetzen. Die Web-Oberfläche führt den Anwender dabei sicher durch alle Schritte und zeigt zum Beispiel an, wann welche Festplatte entfernt werden soll beziehungsweise darf. Da dabei das RAID-Volume komplett neu aufgebaut werden muss, nimmt die Expansion im Normalfall mehrere Stunden in Anspruch – am besten startet man am Abend und lässt das System über Nacht die Arbeit erledigen.



So kann man mit einer preisgünstigen Konfiguration beginnen und im Lauf der Zeit den Gesamtspeicherplatz auf dem logischen Volume erweitern. Mit den aktuellen Ein-Terabyte-Drives bietet der TS-409 bis zu 4 TB Platz.
Das zweite interessante Feature nennt sich «Online RAID Level Migration». Der TS-409 erlaubt den schrittweisen Ausbau von einer preisgünstigen Konfiguration mit einer einzelnen Harddisk zum vollwertigen RAID-System, ohne dass neu formatiert werden muss. Die zusätzlich eingebauten Harddisks erscheinen zunächst als «unmounted» und lassen sich mit wenigen Mausklicks in den RAID-Verbund übernehmen. Auch dabei unterstützt und warnt die Administrationsoberfläche den Anwender jeweils mit passenden Meldungen.


Webapps mit leichter Behinderung

Für einfache Websites genügt die Systemleistung des TS-409 durchaus, beim Betrieb einer ausgewachsenen Webapplikation macht sich der Unterschied zu einem «echten» Webserver auf Basis eines vollwertigen Server-PC aber recht markant durch nicht allzu flotte Antwortzeiten bemerkbar. Für Testzwecke oder als Entwicklungsserver genügt die Performance aber durchaus.


Erfreulicherweise macht Qnap dem TS-409-Benutzer den Umgang mit dem Webserver relativ leicht. Auf Basis von Apache 1.3 bietet die neueste Firmware ziemlich aktuelle Versionen von PHP (5.2.0) und MySQL (5.0.27), so dass sich auch neuere PHP-Applikationen installieren und betreiben lassen.
Netterweise lässt sich sogar die PHP-Konfiguration unter php.ini über die Browser-Oberfläche einsehen und ändern – alle anderen wichtigen Konfigurationsdateien erreicht man jedoch nur, indem man sich mit dem Administrator-Account per SSH auf dem TS-409 einloggt.



Während das vorinstallierte CMS Joomla 1.5 noch einigermassen schnell reagiert, spürt man bei einem andern CMS, nämlich Silverstripe 2.2.1, dann aber doch, dass Prozessor und RAM-Ausstattung eher schwachbrüstig dimensioniert sind. Silverstripe funktioniert nur unter PHP 5 und höher, setzt stark auf die objektorientierten Möglichkeiten der neuen PHP-Generation und bietet dem Content-Autor eine angenehme, aber technisch anspruchsvoll aufgebaute Oberfläche mit Ajax-Elementen und Frames, die wohl etwas höhere Ansprüche an den Webserver stellt.


Silverstripe setzt ausserdem einen Apache-Server mit aktiviertem mod_rewrite-Modul voraus, das in der Grundkonfiguration des Qnap-NAS nicht enthalten ist. Im Online-Forum des Herstellers fand sich aber nach kurzer Suche eine Anleitung zur Installation des Apache-Moduls mit den passenden Pfadangaben. Weil aber weder der integrierte Web-Dateimanager noch ein FTP-Account vollen Zugriff auf alle Systemverzeichnisse bieten, lässt sich diese Aufgabe nur via SSH erledigen.


Backup und Recovery

Fürs Backup von Windows-Clients legt Qnap seinen NAS-Geräten die einfache, aber gängige Software Netbak Replicator bei. Das Programm erlaubt die manuelle oder zeitgesteurte Sicherung der Daten von lokalen PCs in einem Verzeichnis auf dem NAS, wobei sich einzelne Dateitypen auf Wunsch ausschliessen lassen.


Geht es um die Sicherung des NAS-Inhalts selbst, bietet der TS-409 zwei Optionen, die man über die Web-Oberfläche steuert: Daten vom NAS lassen sich auf ein via USB angeschlossenes externes Laufwerk kopieren oder mit den dort bereits vorhandenen Beständen synchronisieren. Steht als Disaster-Recovery-Lösung ein zweiter TS-409 oder ein anderes NAS-Gerät von Qnap zur Verfügung, bietet das System auch eine Option zur Remote-Replikation. Auch dieser Vorgang lässt sich wahlweise manuell oder in bestimmten Intervallen automatisch auslösen.

(ubi)


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