Kleineinkäufe ohne Münz

Erste Micropayment-Dienste machen Rappenbeträge in Schweizer Online-Shops möglich. Jeder Provider hat dabei sein eigenes Verfahren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/19

     

Vor allem die Medien haben Bedarf. Das meinen jedenfalls Branchenexperten: Statt Zeitungsartikel und Radiosendungen wie weiland gratis ins Netz zu stellen, wollen Verlage den Internet-Medienkonsumenten küftig zur Kasse bitten – sei es im Abonnement oder für jeden einzelnen Abruf. Aber auch andere Internet-Verkäufer hätten durchaus Produkte und Dienste, die häppchenweise verkauft werden. Genau das macht aber Probleme: Der Betrag, den man legitimerweise für einen Artikel verlangen kann, ist zu gering für die sonst üblichen Internet-Zahlungssysteme. Zumindest bisher zeigen die Kreditkartenunternehmen nicht das geringste Interesse daran, Kleinstbeträge im Rappen- und einstelligen Frankenbereich zu verarbeiten. Auch die Banken haben zwar über die Telekurs-Filiale Paynet punkto elektronische Rechnung mit der Post gleichgezogen; für Mikrozahlungen eignet sich das Electronic Bill Presentment and Payment (EBPP) aber ebenso wenig wie die Plastikkarte.


Microbilling für den Kleinverkauf

Was beim guten alten Videotext problemlos funktionierte, harzt also bisher im Internet. Abhilfe steht aber in den Startlöchern: Seit Sommer 2004 wurden in der Schweiz gleich mehrere Microbilling-Systeme für den breiten Einsatz aus der Taufe gehoben. Allen gemeinsam: Der Mindestbetrag für eine Transaktion liegt unter einem Franken – einige Provider setzen die Limite bei fünfzig Rappen, andere kennen gar kein Minimum.






In zwei anderen Punkten zeigen sich für den Merchant jedoch deutliche Unterschiede: Bei den Gebühren und beim Maximalbetrag. Sämtliche Microbilling-Provider stecken nämlich einen beträchtlichen Anteil der Kundenzahlung in den eigenen Sack – das geht je nach Provider, Transaktionsvolumen und Verhandlungsgeschick beim Vertragsabschluss bis zu 30 Prozent. Dafür muss der Merchant seinen Web-Auftritt üblicherweise fast nicht anpassen. Oft genügt für eine Transaktion die Übermittlung einiger URL-Parameter über eine mit SSL gesicherte HTTP-Verbindung, in anderen Fällen muss nur ein Script in die Seite integriert werden. Spezielle Server-Software ist nicht notwendig.
Der maximale Zahlungsbetrag pro Transaktion variiert zwischen 15 und 225 Franken; darüber empfehlen die Provider ein anderes Zahlungsmittel.


Viele Verfahren für einen Zweck

Für den Endkunden wiederholt sich allerdings der umständliche Umgang mit Zahlungsmitteln auch im Cyberspace: Für den Kaugummi am Kiosk das Münz im Portemonnaie, im DVD-Laden die Postcard – beim Artikelabruf im Facts-Archiv die Easypay-Karte, bei der Amazon-Bestellung die Amex.





Und es wird noch verwirrlicher: Jeder Microbilling-Provider hat sein eigenes Verfahren. Einmal muss auf eine 0901-Nummer angerufen werden, um einen Code zu erhalten, der dann im Online-Shop eingegeben wird. Im nächsten Shop wird man nach der 0901-Wahl direkt zum bestellten Content weitergeleitet. Der eine Provider arbeitet mit Prepaid-Karten, der andere rechnet monatlich übers Gelbe Konto ab. Ein eifriger Nutzer von Online-Diensten wird also auch in Zukunft kaum mit weniger Kärtchen auskommen.






Ob sich ein bestimmtes Verfahren einmal durchsetzt und zum Standard wird, steht noch völlig in den Sternen: Bisher wurden zur Abbuchung von Kleinbeträgen Verfahren auf Telefonbasis am meisten genutzt, vornehmlich allerdings ausserhalb des Internets für TV-Votings, Klingelton-Downloads, Dating-Lines und andere liebesorientierte Dienstleistungen. Wer derartige Services in Anspruch nimmt, ist mit kostenpflichtigen Telefonnummern und SMS-Diensten schon bestens vertraut.
Die rein internetbasierten Verfahren click&buy und Click2Pay kennt man von ausländischen Anbietern schon seit einiger Zeit. Nun sind diese Dienste, dank Post und Swisscom auf Schweizer Verhältnisse angepasst, auch für hiesige Merchants verfügbar. Sie sind aber erst so kurz am Markt, dass sich über die Akzeptanz bei Kunden und Händlern noch wenig sagen lässt. Ein Aspekt spricht jedoch a priori zugunsten neuartiger Microbilling-Umgebungen: 0901er-Nummern und SMS-Dienste haben nicht den allerbesten Ruf. Manche Telefonabonnenten sehen den 0901er-Bereich in der Schmuddel- und Abzockerecke und haben ihren Anschluss für solche Nummern grundsätzlich gesperrt.


Unterschiedlichste Herkunft

Wer bietet Microbilling-Dienste an? Ausser der international tätigen Auktionsplattform eBay, die letztes Jahr den Paypal-Zahlungsservice aufgekauft hat, haben wir in unserer Übersicht ausschliesslich Schweizer Provider berücksichtigt – eine Telefongesellschaft, zwei Internet-Provider, eine auf Zahlungsdienste spezialisierte Privatfirma und die Post.





Green.ch und RT-Payment verlassen sich für die eigentliche Zahlungsabwicklung und das Inkasso auf die Swisscom. Hinter beiden Diensten stehen kostenpflichtige Telefonnummern; die abgebuchten Beträge erscheinen auf der Telefonrechnung des Endkunden. Die Swisscom selbst verzichtet interessanterweise auf den Direktlink zu ihren Festnetzkunden und setzt stattdessen auf eine Prepaid-Karte.






Die direkteste Schnittstelle zwischen Online- und Finanzwesen findet sich bei Yellowworld: Das bestehende Online-Banking Yellownet ist zusammen mit den übrigen Finanzdienstleistungen der Postfinance von der Providerseite her gesehen die beste Basis für umfassende Internet-Payment-Services.
Unter diesem Blickwinkel fällt auf, dass die Banken bis dato kein Microbilling anbieten. Das ist einerseits logisch: Microbilling gehört sicher nicht zum Kerngeschäft einer Bank. Auf der anderen Seite hat die Schweizer Bankenwelt mit der Telekurs ja eine IT-Basis, die mit Tochterfirmen wie Paynet bereits im EBPP-Markt tätig ist. Eine Ausweitung aufs Microbilling läge nicht allzu fern.





Die Banken bieten übrigens auch beim Macropayment weniger an als die Post. Während man in jedem anständigen Laden sowohl mit der Postcard als auch mit der Maestro-Karte bezahlen kann, lässt sich bisher nur das Postkonto direkt in Online-Zahlungsabläufe einbinden: Für Beträge über 15 Franken empfiehlt Post-Mediensprecher Flüeler Yellowpay. Bei diesem Verfahren kann der Kunde den geforderten Kaufbetrag wahlweise per Debit-Direct-Belastung bezahlen oder mit seiner Yellownet-Nummer, dem Passwort und dem Streichlistenzusatz direkt von seinem Gelben Konto abbuchen lassen.


click&buy

Der Swisscom-Internetprovider Bluewin klinkt sich «im Auftrag von Swisscom Fixnet» gegen Ende 2004 in die internationale Click&Buy-Alliance ein. Die rund 2800 bestehenden Anbieter, die ihren Kunden die Zahlung auf Basis der gleichnamigen Firstgate-Software ermöglichen, stammen bisher vornehmlich aus Deutschland, Grossbritannien und den USA; Beispiele aus der Schweiz nannte Bluewin vor der offiziellen Einführung noch nicht. Der Schweizer Surfer kann aber mit seinem Click&Buy-Konto künftig bei sämtlichen beteiligten Anbietern aus allen Ländern einkaufen.
Click&Buy läuft im ASP-Verfahren; für die Integration in den Online-Shop muss auf dem eigenen Webserver wie bei allen hier vorgestellten Lösungen keine zusätzliche Software installiert werden. Beim Vertragsabschluss mit Swisscom Fixnet werden unter anderem Transaktionskosten festgeschrieben. Gemäss Swisscom-Pressesprecher Josef Huber «ein geringer Fixkostensatz für die technische Abwicklung sowie ein Prozentsatz des Umsatzes, abhängig von der Höhe der Transaktion und dem Gesamtumsatz des Anbieters.»


Click2Pay by yellowworld

Per Oktober 2004 hat die Posttochter Yellowworld in Zusammenarbeit mit der deutschen Click2Pay den gleichnamigen Microbilling-Dienst eingeführt. Als Basis dient eine Software, die von der sonst auf Kreditkartensysteme spezialisierten Firma Wire Card entwickelt wurde. Die Schweizerische Post schliesst mit dem neuen Dienst «eine Angebotslücke bei der Abrechnung von digitalen Inhalten.» Der Kunde kann momentan mit der Postcard per Debit Direct, mit Visa oder Mastercard bezahlen. Später sollen LSV und Yellowbill als weitere Zahlungsmöglichkeiten folgen.
Für den Anbieter entstehen neben der Aufschaltgebühr von 250 Franken Transaktionskosten, die laut dem zuständigen Sales Manager «im allgemeinen zwischen 5 und 25 Prozent liegen.» Darin enthalten ist die ganze Abrechnung der kleinen Beträge. Yellowworld betont überdies, dass sich das Debitorenrisiko für den Anbieter dank der integrierten Adressprüfung und weiteren Risk-Management-Prozessen stark reduziert.
Click2Pay geht im November online. Dementsprechend kann Yellowworld noch keine Angeben zur Nutzung machen. Immerhin verkündet Sales Manager Affolter, es seien bereits zwei Merchant-Verträge unter Dach und Fach.


easyp@y

Das Swisscom-Fixnet-Microbilling basiert pikanterweise auf einer Software der Mobilschwester: Die eingesetzte SICAP-Lösung wurde ursprünglich für Natel Easy entwickelt. Bei Easypay zahlt der Kunde mit einer Prepaid-Karte, die es zu 25, 50 oder 75 Franken gibt. Dabei bleibt er völlig anonym: Im Gegensatz zum ebenfalls von Swisscom Fixnet lancierten Click&buy werden beim Kauf mit Easypay keinerlei persönliche Angaben übermittelt. Zum Bezahlen wählt man in einem beteiligten Online-Shop die Zahlungsart Easypay und gibt die auf der Karte aufgedruckte Nummer an. Der Betrag wird vom Kartenkonto abgebucht. Sogar Beträge über 75 Franken sind möglich: Pro Transaktion können bis zu drei Karten benutzt werden.






Obwohl auch Easypay erst vor kurzem eingeführt wurde, verzeichnet die Swisscom-Website schon die stattliche Zahl von 26 Teilnehmern, darunter neben dem eigenen Directories-Dienst die Online-Auftritte von Facts und Tages Anzeiger. Bei Caritas und der Aids-Hilfe kann man per Easypay online spenden. Auch der Vertriebskanal funktioniert schon: Die Karten gibt es im Swisscom-Shop, bei der Post, am Kiosk und ab November auch am SBB-Billettautomaten.
Wie die Verantwortlichen bei Yellowworld hält sich auch Swisscom-Sprecher Huber mit Angaben über die Transaktionskosten zurück: «Es handelt sich um einen Prozentsatz gemäss dem ausgehandelten Revenue Share.» Aus anderen Quellen verlautet, die Transaktionskosten betragen maximal 30 Prozent des Gesamtbetrags. Dazu kommen einmalig 250 Franken Einrichtungsgebühr und der Einbindungsaufwand, der laut Huber unter einem Personentag liegt.


PayPal

Dieser Payment-Dienst ist vor allem bei eBay-Nutzern bekannt, kann aber auch ausserhalb der Auktionsplattform eingesetzt werden, seit 2004 auch in der Schweiz. Er gibt insbesondere Privatpersonen und Kleinstunternehmen die Möglichkeit, Kreditkartenzahlungen anzunehmen, und zwar zu durchaus humanen Konditionen: Das Premiumkonto erlaubt die Entgegennahme von bis zu 2500 Euro pro Monat mit Handling-Kosten von 0,35 Euro plus 3,4 Prozent des Kaufbetrags. Wer monatlich mehr als 2500 Euro umsetzt, muss weniger abliefern – ab 100'000 Euro sind es noch 1,9 Prozent. Die Eingänge landen auf dem Paypal-Konto des Verkäufers und können entweder für eigene Paypal-Zahlungen genutzt oder zu einer Gebühr von 50 Rappen auf ein Schweizer Bankkonto überwiesen werden. Es fallen keine Einrichtungs- oder monatliche Abogebühren an.


Greenpay

Der Aargauer Internet-Provider Green.ch möchte ebenfalls ein Stück vom Microbilling-Kuchen und hat zu diesem Zweck die Eigenentwicklung Greenpay lanciert. Wer auf einer Website mit Greenpay-Unterstützung einkaufen will – im Moment ist dies erst beim Green-eigenen Service mails.ch und bei Radio 24 Webreplay möglich – ruft eine kostenpflichtige Nummer an und erhält so einen Greenpay-Code. Je nach der Höhe des gewünschten Gesamtbetrags stehen verschiedene Nummern zur Verfügung; man kann auch die gleiche Nummer mehrmals anrufen, um den Betrag zu erhöhen. Danach dient der Greenpay-Code als Online-Brieftasche: Er kann bis zum verfügbaren Gesamtbetrag beliebig oft eingesetzt und über ein Web-Interface jederzeit kontrolliert werden. Die Beträge erscheinen auf der nächsten Telefonrechnung.
Da Greenpay auf den 0901er-Nummern von Swisscom basiert, kommen als erstes deren übliche Inkasso-Gebühren von 12 Prozent auf den Merchant zu. Green verlangt zusätzlich 4 Prozent, macht insgesamt 16 Prozent Transaktionskosten. Dazu addieren sich die monatliche Abo-Gebühr von 30 Franken und 700 Franken für Lizenz und Einrichtung.


touch4bill

Die Rubiger RT-Payment beschäftigt sich auch ausserhalb des Internets mit Mircopayment; ihr Angebot umfasst auch Zahlung per SMS und anderweitige 0901-Bezahldienste. Anders als bei Greenpay schaltet Touch4bill für jede Transaktion eine individuelle, auf den gewünschten Betrag abgestimmte Telefonnummer, die beim Bezahlvorgang in einem Popup-Fenster eingeblendet wird. Der Touch4bill-Service ist in erster Linie für den Abruf von Internet-Inhalten konzipiert: Sobald der Kunde die Nummer gewählt hat, wird der Betrag auf seiner Telefonrechnung verbucht, und er wird zum entsprechenden Content weitergeleitet.





Die Einrichtungsbebühr beträgt je nach Aufwand und Kundenart zwischen 500 und 1000 Franken. Dazu kommen die Kosten für die Telefonnummer und den ISDN-Kanal, der während der Transaktionen belegt ist. Die Transaktionskosten sind mit Greenpay vergleichbar: Swisscom-Inkasso 12 Prozent plus 5 Prozent, die an RT-Payment gehen.
Firmenchef Stucki vermerkt mit Stolz, man habe schon über 30 Teilnehmer, dazu kämen diverse White-Label-Partner, die den Service unter eigenem Namen anbieten. Mit Touch4bill bezahlt man beispielsweise bei der Fahrzeugbewertungsplattform Eurotax, bei Focus online und bei der Dating-Linie Swissflirt. Das letzte Beispiel zeigt im übrigen exemplarisch die aktuelle Situation im Microbilling-Markt: Wer eine möglichst breite Benutzerschicht erreichen will, muss auf absehbare Zeit mehrere Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Swissflirt unterstützt nicht nur Touch4bill, sondern auch Easypay und SMS-Bezahlung sowie – für Abonnemente – die Macropayment-Methoden Kreditkarte, Postcard und Yellownet.




Mikropayment-Lösungen im Überblick

(ubi)


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