Enterprise-Server: Windows legt auf Kosten von Unix zu

Im High-Performance-Computing erfahren Sun und andere Unix-Protagonisten durch Intels IA-64-Architektur immense Konkurrenz.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/06

     

Dem Servermarkt ist es 2001 nicht gerade gut ergangen. Laut einer Gartner-Dataquest-Studie vom November letzten Jahres wurden im dritten Quartal 2001 in Westeuropa sieben Prozent weniger Servereinheiten verkauft als im entsprechenden Quartal des Vorjahres; punkto Umsatz belief sich das Minus gar auf 21 Prozent.


Servermarkt 2001: Schwach mit Highlight und Tiefpunkt

Die zuständige Gartner-Analystin führt den Rückgang auf zwei Hauptgründe zurück: Erstens herrsche auf allen Stufen von der Entry-Level-Appliance bis zum Enterprise-Server ein intensiver Preiskampf zwischen den Anbietern, zweitens wären die meisten Kunden mehr am Unterhalt der vorhandenen Infrastruktur interessiert gewesen als am Aufbau komplett neuer IT-Welten - Upgrades und Low-End-Implementationen statt Kauf schillernder Computerboliden waren letztes Jahr Trumpf.



Besonders hart hat es die Welt der RISC-basierten Unix-Systeme getroffen, und unter ihnen nochmals verstärkt den Wintel-Hauptgegner Sun mit einem Negativwachstum von 48 Prozent: Lag der westeuropäische Servermarktanteil von Sun Microsystems im Herbst 2000 noch bei acht Prozent, sank er innert Jahresfrist auf deren fünf.




Freude herrscht dagegen bei Dell. Wohl nicht zuletzt dank konsequenter Niedrigpreispolitik und stark erhöhtem Marketing für Server und andere Enterprise-Produkte konnte sich der Texaner als einziger Hersteller verbessern, und zwar von elf auf vierzehn Prozent Marktanteil, was einer Steigerung um 25 Prozent in der genannten Periode gleichkommt.



Bei allen anderen Herstellern sind massgebliche Verluste zu verzeichnen (HP minus 11, IBM und Fujitsu-Siemens minus 10). Nach wie vor an der Spitze bei Umsatz und ausgelieferten Einheiten ist Compaq mit einem Marktanteil von 32 Prozent - das entspricht im dritten Quartal 2001 rund 80'000 verkauften Servern.




Wintel versus RISC/Unix

Das Dilemma zwischen den bewährten RISC-basierten Unix-Systemen, die vor allem von Sun (Sparc/Solaris) und HP (HP9000/HP-UX), aber auch von Compaq (Alpha/Tru64) propagiert werden, stellt sich heute in erster Linie bei den leistungshungrigsten Anwendungen. Dazu gehören das sogenannte "High Performance Technical Computing" (Ingenieurwesen, Wissenschaft, Produktentwicklung) sowie Applikationen im Finanz- und Assekuranzbereich, die ebenfalls auf hohe Floating-Point-Performance angewiesen sind. Solche Szenarien, die hauptsächlich in grossen Unternehmen und Organisationen vorkommen, waren traditionell weitgehend der Unix-Domäne vorbehalten.



Ein gemeinsames Merkmal dieser Architekturen: Sie unterstützen 64-Bit-Adressierung - die Vier-Gigabyte-Grenze der 32-Bit-Systeme fällt weg; ein Server auf 64-Bit-Basis kann einen praktisch unendlich grossen Speicherbereich direkt ansprechen. Das kommt zum Beispiel grossen Datenbanken zugute; mehr Speicher wird aber auch in Systemen mit vielen Prozessoren nötig. Hier stösst man mit 32-Bit-Lösungen bei mehr als acht CPUs bald an die Grenzen, wie auch Heinz Brandenberger, Marketing-Chef von Fujitsu-Siemens, feststellt: "Intel-Server unterstützen heute maximal 32 CPUs, mehr Bedarf an Speicher kann nur durch indirekte Adressierung gedeckt werden."




Brandenberger bemängelt ausserdem die bisher unzureichende Unterstützung von Enterprise-Funktionen durch die gängigen Betriebssysteme im Intel-Markt. Dazu gehört unter anderem das Partitioning: Die Ressourcen eines Servers lassen sich unter den auf Enterprise-Anwendungen getrimmten Unix-Varianten wie Solaris und HP-UX wesentlich einfacher auf verschiedene Applikationen aufteilen als auf der Wintel-Plattform.




Itanium erst der Anfang

Kein Wunder, dass auch Intel für die Serverzukunft auf 64-Bit-Technologie setzt. Die IA64-Architektur wurde mit dem Itanium-Prozessor erstmals implementiert, der jedoch bisher nicht allzu erfolgreich war. Das hat laut Andy Knöpfli, Vice President Industry Standard Servers bei Compaq EMEA, folgende Gründe: "IA64-Produkte werden heute in erster Linie von Softwarehäusern genutzt, um ihre Produkte auf 64 Bit zu portieren. Ausserdem ist der Itanium nicht auf Performance optimiert; erst die nächste Generation "McKinley" von 64-Bit-Intel-Prozessoren wird die volle Leistung bringen; ich rechne je nach Anwendung mit einem Performance-Zuwachs von 50 bis 150 Prozent gegenüber dem Itanium." Dennoch, so Knöpfli weiter, werden 32-Bit-Systeme bis 2003 die Verkaufsrenner bleiben - IA64 wird sich erst dann auf breiter Basis etablieren, zuvor aber in den bisherigen Unix-Hochburgen für Aufruhr sorgen.



Beat Sommerhalder von HP, dem laut IDC mit 74 Prozent führenden Verkäufer von Itanium-Servern: "Itanium ist eine unserer Schlüsselstrategien. Sun muss sich in Zukunft warm anziehen, da die neuesten Benchmarks für Itanium-basierte Systeme eine Performance weit über den Werten von Sparc-Systemen zeigen."




Dem hält Reto Brack, Sales-Manager von Sun entgegen, man habe im Rahmen der "Sun ONE"-Strategie die einzige wirklich durchgängige Plattform von der Einstiegs-Appliance bis zum Hochleistungsserver mit 106 Prozessoren, auf der die Applikationen unter dem Solaris-Betriebssystem unverändert migriert werden können. Und: "Sun hat mit der aktuellen Ultra-Sparc-III-CPU bereits die zweite Generation von 64-Bit-Technologie im Angebot. Ausserdem ist, obwohl ein entscheidender Baustein bei Computersystemen, die CPU nicht allein entscheidend. Die Integration in ein Gesamtsystem und die Kompatibilität mit bestehenden Applikationen sind von grösserer Bedeutung."



Kompatibilität gibt es allerdings auch in der Wintel-Welt: Immer mehr Hersteller von Enterprise-Applikationen, die in der Vergangenheit voll auf Unix-Plattformen gesetzt haben, bringen nicht minder leistungsfähige Wintel-Varianten ihrer Produkte auf den Markt. Besonders schmerzhaft für Sun dürfte die zunehmende Wintel-Hinwendung von Oracle ausfallen - Larry Ellison propagiert neben den Speed-Rekorden auf Sun-Systemen immer wieder, wie günstig ein Oracle-System auch durch Einsatz vieler kleiner kostensparender Wintel-Server zu höchster Leistung skaliert werden könne.



Ins gleiche Horn stösst die Meta Group, die feststellt, Windows 2000 werde schon 2002 den Betriebssystemmarkt für Mid-Tier-Applikationsserver dominieren. Als Datenbankserver würden Windows-2000-Systeme den Skalierbarkeits- und Verfügbarkeitsbedarf von 90 Prozent aller Anwendungen erfüllen; ausser Solaris würden Unix-Systeme trotz besserer Clustering- und Partitioning-Fähigkeiten in den Ahnenstatus versetzt.



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