Build or Buy - Gibt es den Königsweg zum Intranet-Portal?

Das Intranet-Portal lockt als einheitlicher Zugang zu Informationen und Anwendungen – für manche Unternehmen sind die marktgängigen Lösungen jedoch zuviel des Guten.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/09

     

Das Unternehmensportal liegt voll im Trend. IDC prognostiziert für den Portalmarkt ein jährliches Wachstum von 55 Prozent über die nächsten fünf Jahre, und die Meta Group sieht im Gegensatz zum allgemein erkaltenden IT-Markt ebenfalls rege Portalaktivitäten: Während im Oktober 2001 der Prozentsatz an Unternehmen mit eigenem firmeninternem Portal auf 25 Prozent geschätzt wurde, rechnen die Meta-Analysten bis 2004 mit 85 Prozent und bis 2006 gar mit 90 Prozent. Die klarsten Indizien für einen umfassenden Siegeszug des Firmenportals gehen aus einer Umfrage hervor, die US Bancorp Piper Jaffray im Oktober 2001 durchführte: 87 Prozent der Antwortenden gingen mit der Aussage einig, dass "Firmenportale über kurz oder lang zum wichtigsten Zugangspunkt werden, über den die Mitarbeiter auf heterogene Softwareanwendungen, auf analytische Resultate und auf die für sie relevanten Inhalte aller Art zugreifen".


Corporate Portals: Kategorien und Methoden

Den alleinseligmachenden Weg zum Portal gibt es nicht; soviel wird schon nach einem kurzen Rundblick über die Anbieter von Portallösungen klar. Dementsprechend vielfältig sind die Konzepte, die hinter den verfügbaren Lösungen stehen. Sie reichen von der Web-Entwicklungsumgebung über funktional fokussierte Lösungen mit Wurzeln in Messaging, Conten , Knowledge oder Document Management, Web-fähige Einzelapplikationen, Produkte auf Basis von Unternehmenslösungen wie SAP und Oracle bis hin zum horizontalen Enterprise Information Portal, das die Integration möglichst vieler heterogener Datenquellen und Anwendungen zum Ziel hat.



Bei der Implementationsweise unterscheidet man zwischen "Build" und "Buy" - eine Frage, die sich bei anderen Softwareanwendungen schon seit Jahren nicht mehr stellt. Niemand käme heute mehr auf die Idee, selbst ein ERP-System oder eine Textverarbeitung zu entwickeln; hier ist Standardsoftware die Regel ohne Ausnahme. Dass bei Portallösungen individuelle Entwicklungen nach wie vor gang und gäbe sind, zeigt deutlich die relative Unreife dieser Softwarekategorie. Dennoch weist auch hier der Trend klar in Richtung Standardlösungen.




Peter Roth, Geschäftsführer der Schweizer Niederlassung von Plumtree, die je nach Studie mit Marktanteilen zwischen 15 und gegen 40 Prozent als Leader für integrationsorientierte horizontale Portallösungen gilt, nennt drei Kategorien:




Web-Tools für den Portalbau: Mit einem effizienten Tool lässt sich jedes Portal auch selbst entwickeln - zielgerichtet und konzeptionell genau auf das eigene Unternehmen zugeschnitten. Demgegenüber ist bei diesem "Build"-Ansatz generell mit höherem Arbeitsaufwand und höheren Kosten zu rechnen. Die Ressourcen des Unternehmens konzentrieren sich bei diesem Verfahren zudem auf den Portalbau statt auf die Pflege von Content und Business-Prozessen.




Applikationen mit aufgesetzten Portalfunktionen: Spezialisierte Applikationen werden vereinfacht und um Portalfunktionalität erweitert. Als Basis dient eine bestehende Anwendung, zum Beispiel ein ERP-System oder eine Lösung aus den Bereichen Document Mangement, Content Management, Knowledge Mangement oder CRM. Diese wird durch eine Web-Enabler-Komponente um die eigentlichen Portalfunktionen erweitert, unterstützt durch softwaretechnische Frameworks für die Integration weiterer Applikationen und für den Zugriff auf Dokumente. Dennoch bleibt die Grundapplikation im Zentrum der Lösung - dies hat Vor- und Nachteile: Einerseits ist die gesamte Funktionalität der Basislösung implementiert und weiterhin zugänglich; auf der anderen Seite ist das Portal gerade deswegen nicht immer selbsterklärend und mit optimaler Einfachheit zu bedienen.




Horizontale Unternehmensportale: Eine Portalplattform, die von Anfang an für die Integration von allen denkbaren Informationen und Applikationen konzipiert wurde. Die Hauptmerkmale: möglichst umfassender Self-Service für die Anwender, die Entwicklung der Software wird vom Hersteller und nicht vom Kunden vorangetrieben, bei der Wahl der zu integrierenden Applikationen besteht hohe Flexibilität. Als Nachteil nennt Roth die gegenüber einer portalfähigen Spezialapplikation höhere Anfangsinvestition. Die Essenz des horizontalen Ansatzes wird in der Plumtree-Vision deutlich: "Eine neue Mitarbeiterin wird am ersten Arbeitstag eine Stunde lang ins Unternehmensportal eingeführt. Danach ist sie vom ersten Tag an in der Lage, 80 Prozent der für ihre Aufgabe wichtigen Unternehmensapplikationen zu nutzen und Informationen selbständig aufzufinden."


Vorsicht bei Standardlösungen

Geht es nach den Herstellern von Portallösungen mit vorgefertigter Funktionalität, kommt eine Eigenentwicklung heute kaum mehr in Frage. Deutlich skeptischer sieht es Laura Ramos von der Giga Information Group, die auf eine Kundenanfrage hin untersucht hat, nach welchen Kriterien man zwischen "Build" und "Buy" entscheiden sollte. Ramos stellt zunächst fest, vor einem Entscheid sei die Zielgruppe genau zu bestimmen: Benötigen die Mitarbeiter wirklich den personalisierten Zugriff auf individuell zusammengestellte Informationen, der von den Portalherstellern immer als Hauptargument ins Feld geführt wird? Oder genügt eine einfache Website mit allgemein zugänglichen Basisinformationen den Bedürfnissen?



Ohne zwingendes geschäftliches Bedürfnis nach individualisierter Information für den einzelnen Mitarbeiter sind die gängigen Portallösungen oft zuviel des Guten. Ausserdem lassen sich auch Standardprodukte nicht mehr einfach so einsetzen, wenn es um die Integration von heterogenen Anwendungen verschiedener Provenienz geht. Das Fazit: Nicht zuletzt weil der Portalmarkt bis dato konfus und mit Anbietern geradezu übervölkert ist, sollte ein Unternehmen vor der Entscheidung für eine Lösung die Angebote sorgfältig evaluieren und sich nicht von den Versprechen der Hersteller blenden lassen.




Lesen Sie zudem in der Print-Ausgabe: Drei Fragen an die Portalanbieter. Eine Umfrage unter verschiedenen Anbietern zeigt, dass man sich bei Fragen nach den Basis-Bestandteilen und den Kosten für eine Intranet-Portallösung mehrheitlich einig ist.



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