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Microsoft lanciert "Longhorn"-Technologien

Eine Rekordzahl von über 8000 Entwicklern pilgerte Ende Oktober nach Los Angeles an die PDC, um sich aus erster Hand über Microsofts künftige Plattformen zu informieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/20

     

Im Zentrum der diesjährigen PDC (Professional Developer Conference) stand die erste offizielle Ankündigung von "Longhorn", der nächsten Windows-Plattform. Gezeigt wurden vor allem die neuen Basistechnologien punkto Userinterface, Datenmanagement und Applikations-Integration. Kern der Plattform bildet das Programmiermodell WinFX, das als Nachfolger des .Net Frameworks und der Win32-API Zugang zu allen Basisfunktionen (z.B. Security) und den neuen "Longhorn"-Technologien "Avalon", "Indigo" und WinFS bieten wird. WinFX stellt sozusagen den nächsten grossen Evolutionsschritt der .Net-Plattform dar, wobei .Net als Markenbegriff an der PDC nur noch sehr spärlich verwendet wurde. Der Übergang von den heutigen Technologien auf "Longhorn" und WinFX stellte Microsoft denn auch als einen Paradigmenwechsel dar, der mit dem Übergang von Win16 auf Win32 oder Win32 auf .Net zu vergleichen sei. Gleichzeitig beteuerten die Verantwortlichen aus Redmond auch, dass die Migration von .Net-Anwendungen auf WinFX sanft und nahtlos vollzogen werden könne.


WinFS: Intelligenter Datenspeicher

Microsoft wird "Longhorn" mit WinFS einen neuen Datenspeicher für Dokumente verpassen, der parallel zu NTFS betrieben wird. Letzteres wird nach wie vor für die Speicherung von System- und Programmfiles benötigt. WinFS basiert auf der Datenbanktechnologie des nächsten SQL Servers ("Yukon") und wird neben besseren Suchfunktionen und dem Zuordnen von Metadaten auch zusätzliche Möglichkeiten wie das Verknüpfen von abhängigen oder verwandten Daten (Dokumente, Personen, E-Mails, Bilder, Videos etc.) gestatten. Solche Relationen sind auch multidirektional und beliebig zwischen allen Arten von Dateien möglich, so dass sich komplexe Netzwerke mit untereinander abhängigen Daten aufbauen lassen. Der Clou: Dank diesen Beziehungen können nun die unterschiedlichsten Ansichten auf die vorhandenen Dokumente unabhängig ihres Speicherorts projiziert werden. Beispielsweise lassen sich alle Dokumente, die von einer Person verfasst wurden oder einem bestimmten Projekt angehören, auf Knopfdruck anzeigen. Ein weiteres interessantes Feature sind die Information Agents, die ähnlich wie eine Rules Engine in einem E-Mail-Client, auf bestimmte Ereignisse reagieren können. Nimmt etwa ein anderer User Änderungen an einem Dokument vor, kann man sich über ein Pop-Up-Fenster informieren lassen. WinFS wird zudem auch über bessere Synchronisation und Replikation zwischen verschiedenen Datastores sowie über eine natürliche Abfragesprache verfügen. Es ist anzunehmen, dass künftige Microsoft-Produkte wie der nächste Exchange-Server (Kodiak), Outlook oder die SharePoint Services vollständig auf WinFS als Datenspeicher basieren werden.




Avalon: Neue GUI-Engine

"Avalon" ist der Codename für die GUI-Technologien in "Longhorn", die die Programmierung von User-Interface (Windows und Web), den Umgang mit Dokumenten und die neuen I/O-Technologien (Video, digitale Tinte, Spracheingabe etc.) vereinheitlichen sollen. Nach dem Vorbild von Mozillas XUL (XML User Interface Language) liegt "Avalon" die Sprache XAML (Extensible Application Markup Language) zu Grunde, durch die sich Benutzerschnittstellen deklarativ mit XML formulieren lassen. XAML, das rein vektororientiert arbeitet, erinnert bezüglich den Gestaltungsmöglichkeiten ein wenig an Flash. Bis zum Release von "Longhorn" sollen denn auch für Grafiker und Designer zugeschnittene WYSIWYG-Werkzeuge auf dem Markt sein, die XAML generieren können. So konnte Adobe an der PDC bereits eine Vorabversion von After Effects zeigen, mit der sich Programm-GUIs von Grafikern designen lassen, um diese anschliessend als XAML-Code an die Entwickler weitergeben zu können.




Indigo: Universelle Kommunikation

Mit "Indigo" sollen alle wichtigen Kommunikationstechnologien unter einem gemeinsamen Dach vereint werden. Darin eingeschlossen sind Kommunikations-Protokolle, Web-Service-Technologien, die .Net Enterprise Services, .Net Remoting und die Message Queuing Services. Microsoft zielt mit "Indigo" vor allem auf den Trend in Richtung Service-orientierter Architekturen (SOA) ab und will dazu die notwendigen Basistechnologien direkt auf Betriebssystemebene unterstützen. "Indigo" wird es nicht nur für "Longhorn", sondern auch für Windows XP und Windows Server 2003 geben und könnte darum bereits vor "Longhorn" auf den Markt kommen.




"Aero"-tisches Interface

Die eigentliche Benutzeroberfläche von "Longhorn", Microsoft nennt das User Experience (UX), wird unter dem Codename "Aero" entwickelt. "Aero", das an der PDC bereits in einer Vorabfassung gezeigt wurde, sieht bereits jetzt sehr sexy aus und wartet mit tollen Effekten wie etwa Transparenz, Dokument-Previews oder 3D-Schatten auf. Eine gewisse Ähnlichkeit zur Oberfläche des Mac OS X kann "Aero" nicht verleugnen. Technisch basiert "Aero" komplett auf "Avalon" und demonstriert damit auch gleich, was sich mit XAML und der neuen Präsentationsschicht von "Longhorn" in Zukunft so alles anstellen lässt.




Warten auf "Longhorn"

Ein konkreter Termin, wann "Longhorn" auf den Markt kommen wird, wurde nicht genannt. Eine erste Beta soll im 2. Halbjahr 2004 freigegeben werden. Die endgültige Version dürfte frühestens Ende 2005, wohl aber eher im 1. Halbjahr 2006 verfügbar werden. Später soll "Longhorn" schliesslich auch noch in einer Server-Version auf den Markt kommen.



All die stark von Hype geprägten Ankündigungen rund um "Longhorn" waren sehr beeindruckend und lieferten viele Anhaltspunkte, wie Software in der zweiten Hälfte dieser Dekade aussehen könnte. Wieviel die Technologien letzten Endes bringen werden, und was Microsoft dann tatsächlich liefern wird, werden aber erst die nächsten Monate und Jahre zeigen. Um die Zeit bis zu "Longhorn", der nächsten grossen Entwicklungsplattform aus Redmond, zu überbrücken, steht für Ende 2004 eine stark überarbeitete Version (1.2 oder 2.0) der .Net Umgebung mit dem Codenamen "Whidbey" auf dem Programm. "Whidbey" umfasst eine neue Version des .Net Frameworks, eine stark überarbeitete Version von ASP.Net, Spracherweiterungen für C#, C++ und Visual Basic sowie eine Version von Visual Studio.Net.



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