Elektronische Intermediation im Gesundheitswesen

Elektronischer Datenaustausch zwischen den Akteuren der Gesundheits-Wertschöpfungskette versprechen Kosteneinsparungen. Intermediäre unterstützen dies, unterliegen jedoch opportunistischen Interessen.
Prof. Dr. Thomas Myrach, Dr. Konrad Walser, Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/04

     

In der Schweiz wird diese Stossrichtung besonders im Zusammenhang mit dem TarMed augenfällig, anlässlich dessen Einführung (ambulante) Leistungserbringer verpflichtet wurden, ihre Abrechnungen auf elektronischem Wege weiterzuleiten.
Das Gesundheitswesen der Schweiz ist geprägt durch eine grosse Zahl verschiedener Leistungserbringer (ca. 700 Spitäler und ähnliche Institutionen, ca. 19‘000 Ärzte, ca. 1‘900 Apotheken, ca. 300 Labore) und Kostenträger (ca. 100 Versicherer). Dies ergibt viele (potentielle) Kommunikations- und Transaktionsbeziehungen und daraus abgeleitete technische Schnittstellen, die durch die Beteiligten initialisiert, gepflegt und administrativ verwaltet werden müssten. Zur Reduktion des damit verbundenen Aufwandes kann ein Intermediär eingeschaltet werden, über den die elektronischen Nachrichten, z.B. Rechnungsdaten, ausgetauscht werden. Dadurch wird die Zahl der aufzubauenden Partnerbeziehungen reduziert, was das Kosteneinsparungspotential durch Intermediation plausibel macht.
Im Schweizerischen Gesundheitsmarkt operieren Intermediäre, die ausschließlich oder teilweise zwischen den Wertschöpfungsstufen Leistungserbringer und Kostenträger tätig sind. Je nach Betrachtungsweise verteilt sich das Gesamtvolumen der jährlich 50 Mio. auszutauschenden Rechnungen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern auf diese wie folgt: Trust Center (ca. 50%), Medidata (ca. 40%) und H-Net (ca. 10%). Die drei Intermediäre unterscheiden sich etwa bezüglich Trägerschaft und Geschäftsmodellen deutlich voneinander (siehe Abbildung).


Fallbeispiele für Intermediation im Gesundheitswesen Schweiz

Die Trust Center sind, da letztlich von den Ärztegesellschaften und der FMH (Foederatio Medicorum Helveticorum) kontrolliert, als Interessensvertreter der Ärzte anzusehen. Die Geschäftsstrategie der Trust Center ist hauptsächlich auf die Ärzte ausgerichtet und scheint keine weiteren Leistungserbringer des Gesundheitssystems berücksichtigen zu wollen. Sie haben neben der reinen Datenaustauschfunktion zuhanden der Kostenträger auch die Funktion, in der Verhandlung um die Höhe der TarMed-Taxpunktwerte die sogenannte Datenparität sicherzustellen. Dies ist die zur Taxpunktwertverhandlung erforderliche anonymisierte Aggregration der Verrechnungsdaten auf kantonaler und nationaler Ebene.
H-Net ist ein unabhängiger Intermediär und bietet umfassende zwischenbetriebliche Integrationsfunktionalitäten an, wie sie auch in EAI-Lösungen abgedeckt werden. Über den entsprechenden Hub werden unterschiedliche betriebswirtschaftliche und technische Daten zwischen Leistungserbringern, Kostenträgern und Lieferanten der Leistungserbringer ausgetauscht. H-Net ist nicht unbedingt an einer Standardisierung des Datenaustausches interessiert, weil die Plattform u.a. Transformationsfunktionalitäten umfasst.
Medidata setzt sich zum Ziel, dass die Kostenträger (primär die Mehrheitseigner SUVA, Winterthur, Zürich, CSS sowie Helsana) ein für sie möglichst umfassendes Dienstleistungsportfolio erhalten. Dazu gehören die Verfügbarkeit von Leistungskatalogen sowie die weitgehende Integration des Rechnungsdatenaustausches von möglichst vielen Leistungserbringern. Aufgrund der komplexen Datenintegration besteht ein starkes Interesse an einer Standardisierung verschiedener Meldungstypen auf Basis von XML.






Grafik


Fachgruppe eHealth der SwissICT

Die Fachgruppe eHealth trifft sich in regelmässigen Abständen, analysiert den elektronischen Gesundheitsmarkt Schweiz, bestimmt Themenschwerpunkte, erarbeitet Lösungsvorschläge, fördert den Erfahrungsaustausch und organisiert Tagungen.
Die folgenden Fragestellungen stehen im Zentrum:



- Wo befindet sich die Schweiz im elektronischen Gesundheitsmarkt verglichen mit den europäischen Ländern?


- Welche Formate und Standards sind erfolgversprechend für den elektronischen Austausch von Gesundheitsdaten?


- Welche Informationen und Webdienste (Services) müssen in einem Gesundheitsportal zur Verfügung stehen?


- Welche Sicherheits- und Datenschutzfragen müssen für die elektronischen Patientenakten und die entsprechenden Informationssysteme gelöst werden?



Es wird angestrebt, mit namhaften in- und ausländischen Institutionen und Behörden das Beziehungsnetz auszubauen und den Erfahrungsaustausch mit den Mitgliedern der Swiss ICT zu pflegen.
Weitere Angaben finden sich unter http://www.swissICT.ch/FgeHealth.html


Marktstudie eHealth Schweiz

Die europäische Union hat auf Ministerebene beschlossen, den Bereich eHealth zu fördern. Es soll in den Mitgliedstaaten die Gesundheitskarte eingeführt und darauf aufbauend entsprechende Gesundheitsdienste angeboten werden. Die Schweiz hat erkannt, dass sie ihre nationale Politik auf dem Gebiet eHealth intensivieren muss. Insbesondere umfasst die Strategie des Bundes für die Entwicklung einer Informationsgesellschaft Schweiz neu den Bereich eHealth.
Der Dachverband SwissICT führt zusammen mit Sponsoren periodisch eine Marktstudie eHealth Schweiz durch. Dabei werden die elektronischen Dienste und Nutzenpotenziale für die Schweiz erhoben und mit anderen europäischen Ländern verglichen.
Der Fokus der kürzlich durchgeführten Studie liegt auf dem elektronischen Leistungsaustausch unter den wichtigsten Marktteilnehmern. Insbesondere wurden die Webdienste der Leistungserbringer Ärzte resp. Ärztekassen, Spitäler und Apotheken analysiert sowie die Leistungsabwicklung via Krankenkassen. Zudem sind die Nutzenaspekte elektronischer Kommunikations- und Distributionskanäle erhoben worden. Neben der Analyse der Prozesse wurden die eingesetzten Technologien und Standards bewertet, um den Mitgliedern der SwissICT und den Marktteilnehmern Entwicklungspotenziale aufzeigen zu können.
Die folgenden Bereiche wurden analysiert (NOGA 85, 51.46, 52.30 und 66.03):



- Arztpraxen als Unternehmungen (inkl. Ärztekassen)


- Spitäler


- Apotheken
- Krankenkassen



Die Markterhebung wird anhand eines Reifegradmodells für eHealth im Frühjahr 2007 publiziert. Mit dieser Langzeitstudie lassen sich in Zukunft Vergleiche anstellen, ob und in welcher Form sich der elektronische Gesundheitsmarkt Schweiz entwickelt.



Wichtige Auswertungen der Marktstudie eHealth Schweiz werden auf der Website der SwissICT unter http://www.swissICT.ch/FgeHealth.html publiziert.




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