Was die Liberalisierung der letzten Meile wirklich bringt
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/05
Keiner sei unglücklich mit der Situation, wie sie jetzt ist. Dies ist die Einschätzung von Zwi Holles zum leidigen Thema letzte Meile. Holles ist technischer Direktor bei Econophone. Er ist zwar nicht gegen die Öffnung der letzten Meile, führt aber an, dass eine starke Swisscom für niemanden schlecht sei.
Per 1. April soll die Swisscom jedenfalls das Monopol auf der letzten Meile, also den Telefon-Hausanschlüssen, verlieren. Dies hat der Bundesrat mittels Verordnung durchgeboxt. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der Entscheid von der Swisscom vor Bundesgericht angefochten wird. Daneben soll der Unbundling-Entscheid über eine Gesetzesrevision im Fernmeldegesetz in die Wege geleitet werden. Das würde dann bedeuten, dass die Liberalisierung 2005 Tatsache wird, denn das Bundesgericht würde im Fall Swisscom nicht entscheiden, bevor das neue Gesetz ausgearbeitet wird. Doch ist die Öffnung der letzten Meile wirklich zum Wohle aller? Zweifel sind angebracht.
ISPs beispielsweise haben sich schon des öfteren - offiziell oder hinter vorgehaltener Hand - gegen eine Liberalisierung der Hausanschlüsse ausgesprochen. Abschreckend wird vor allem das Beispiel USA angeführt, wo sich die Entbündelung negativ auf die Investitionen in die Infrastruktur ausgewirkt hat. Holles spricht gar vom Chaos in den USA, das bei uns auch denkbar wäre. Und Swisscom-Sprecher Sepp Huber fügt an: "Mit der Regulierung sinkt der Anreiz für die Swisscom, in die letzte Meile zu investieren." Holles glaubt aber, dass sich die letzte Meile für die Swisscom auch mit der Regulation der Preise noch lohnen wird. Sepp Huber weist hingegen darauf hin, dass andere Anbieter bereits seit Anfang 1998 Hausanschlüsse selbst erstellen könnten, dies aus wirtschaftlichen Gründen jedoch nur bei Geschäftshäusern praktizieren würden. "Bei einer Entbündelung konzentrieren sich die alternativen Anbieter gemäss Erfahrungen in anderen Ländern auf KMU in den Zentren und picken sich so die Rosinen", gibt Huber zu bedenken.
Er weist auch darauf hin, dass der Anschlusspreis von gut 25 Franken laut einer Studie zu den tiefsten in Europa gehört, unter den Kosten der Swisscom liegt und seit 1994 unverändert geblieben ist. Die Studie stammt allerdings aus dem August 2001.
Ausser Econophone (siehe unten) wollte sich kein anderes Telekomunternehmen über mögliche Preisstrukturen nach der Öffnung auslassen. Laut Sunrise hätten Erfahrungen aus dem Ausland aber gezeigt, dass nach der Entbündelung deutlich tiefere Preise angeboten werden könnten. Sunrise hebt jedoch die Möglichkeit hervor, im Bereich Telefonie, Datenverkehr und Breitband neue, eigene Produkte anbieten zu können - vor allem auch im Firmenumfeld. Dazu Sunrise-Sprecherin Monika Walser: "Firmenkunden werden von einem vielfältigeren Dienstleistungsangebot und einem günstigeren Preis/Leistungsverhältnis profitieren können, da wir nebst der eigentlichen Entbündelung im Bereich der Mietleitungen sowie dem schnellen Datenverkehr deutlich günstigere Einkaufspreise erwarten." Im ADSL-Umfeld kann laut Sunrise ebenfalls mit vielfältigeren Angeboten und einem besseren Preis/Leistungsverhältnis gerechnet werden.
Anderer Meinung ist hier Zwi Holles. Er glaubt, dass die Mietleitungspreise schon so weit angepasst worden sind, dass hier kaum mit Preissenkungen zu rechnen ist. Und auch bei ADSL werde kaum etwas passieren, denn für eine eigne ADSL-Struktur eines Telekomunternehmens wären Milliardeninvestitionen nötig. Deshalb werden mit oder ohne Unbundling wohl alle ihr ADSL-Angebot weiter brav bei Swisscom-Wholesale einkaufen.
Ein nicht unwichtiges Argument für die Öffnung der letzten Meile liefert aber Beat Geiser von Tele2: Nach der Liberalisierung würden die Kunden nur noch eine Rechnung erhalten, womit das Wiederverkaufsangebot attraktiver würde. "Täglich stellen wir in unserem Call Center fest, dass dies ein wahres Bedürfnis unserer Kunden ist."
Auch nach der Entbündelung bleiben die Hausanschlüsse im Besitz der Swisscom und können von anderen Telcos gemietet werden. Der Mietpreis wird von der ComCom festgelegt werden. Auch neue Liegenschaften unterscheiden sich bezüglich Entbündelung nicht von bestehenden Liegenschaften, denn die Swisscom wird weiter verpflichtet sein, die Grundversorgung sicherzustellen.
Laut Zwi Holles, technischer Direktor bei Econophone, dürfte der Mietpreis für die Drittanbieter im Bereich von 10 bis 15 Franken zu liegen kommen. Die Kunden werden dann rund 20 Franken für den Hausanschluss bezahlen, schätzt Holles weiter. Dies ist auch der Preis, den die Cablecom für Digital Phone verlangt. Auf die Gesprächskosten wird sich das Unbundling laut Holles kaum auswirken.