IT-Löhne 2003: Gleich viel Lohn, weniger Boni
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/41
Das Jahr neigt sich dem Ende zu, und wie immer um diese Zeit stellt sich die Frage, wie es wohl mit dem Lohn für das nächste Jahr ausschaut. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage der UBS nicht allzu rosig: Um 1,3 Prozent nur sollen die Löhne im Durchschnitt über alle Branchen steigen. Diese trüben Lohnaussichten stehen in direktem Zusammenhang mit dem Pessimismus, der in den Schweizer Unternehmen für das nächste Jahr herrscht. So sind laut UBS 72 Prozent der befragten Firmen der Überzeugung, dass die Wirtschaft auch im nächsten Jahr weiter einer Rezession ausgesetzt sein wird oder zumindest stagniert. Demgegenüber stehen magere 2 Prozent der Unternehmen, die an ein starkes Wachstum glauben.
Im IT-Bereich - um zurück auf die Löhne zu kommen - sieht die Situation aber bei weitem nicht so düster aus wie in anderen Branchen, beispielsweise dem Bau, der grafischen Industrie oder den Banken mit Lohnerhöhungen zwischen 0,3 und 0,7 Prozent. Satte 2,4 Prozent sollen die IT-Löhne steigen und damit, so die UBS, im selben Ausmass wie auch die Saläre in der Telekommunikationsindustrie. InfoWeek wollte es genauer wissen und hat eine Reihe von Schweizer Grossfirmen mit Fragen zu den IT-Löhnen 2003 konfrontiert.
"Aufgrund der aktuellen Situation bei ABB gilt für die Schweiz bis Ende 2003 ein Lohn-Freeze - also eine Nullrunde. Ausnahmen sind durch den Personalchef der ABB Schweiz zu bewilligen", zerstört Lukas Inderfurth, Leiter Medienstelle ABB Schweiz, gleich vorweg praktisch alle Hoffnungen der ABB-Mitarbeiter auf mehr Lohn im neuen Jahr. Die ABB ist jedoch kein Einzelfall: "Die Mitarbeiter der Credit Suisse Group in der Schweiz - und damit auch die Winterthur-Mitarbeiter - erhalten fürs kommende Jahr keine Lohnerhöhung. Dies gilt auch für die IT-Mitarbeiter", so Renata Tschudi von der Medienabteilung der Winterthur Versicherungen. Und auch bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) wird's nur unwesentlich mehr geben. "Grundsätzlich stagnieren die Löhne. Allenfalls planen wir strukturelle Korrekturen. Dafür vorgesehen sind für das Jahr 2003 insgesamt 0,3 Lohnprozente", gibt die Bank auf Anfrage Auskunft.
Mit einem Wachstum von 0,5 Prozent werden die IT-Löhne beim Reisespezialisten Kuoni ebenfalls eher marginal angehoben. Grundsätzlich werden die Löhne eher stagnieren, heisst es. Mit ein Grund dafür sei die tiefe Teuerung.
Doch es könnte die IT-Spezialisten noch schlimmer treffen. Bei Unisys beispielsweise wird im nächsten Jahr gar weniger ausbezahlt. Rolf Jenni, Leiter Personal Unisys Schweiz: "Der Durchschnittslohn wird sinken." Hoffnungen dürfen sich die Unisys-Angestellten trotzdem machen, denn nicht alle sind betroffen. "Wir planen individuelle Lohnanpassungen. Als Massstab für diese Anpassungen dienen der Marktvergleich, interne Quervergleiche, die Funktion, die Leistung und das gesamte Lohnbudget", informiert Jenni weiter.
Grund zum Jubeln haben hingegen die Microsoft-Mitarbeiter. Bereits im Juli, als die Gehaltsrunde stattfand, wurden die Gehälter im Schnitt um 3,7 Prozent erhöht. Dies stützt die positiven UBS-Zahlen zur IT-Industrie. "Unser Budget war 4,2 Prozent. Die noch nicht ausgeschütteten 0,5 Prozent werden wir im Laufe des Jahres brauchen", so Beat Schwab, Human Ressources Manager bei Microsoft.
Auch beim Chemie-Multi Roche geht's mit dem Salär aufwärts. "Roche erhöht in der Schweiz die Lohnsumme per 2003 um 2,5 Prozent. Dies gilt für alle Abteilungen inklusive der IT", kann Roche-Mediensprecher Baschi Dürr bekanntgeben.
Ebenfalls mehr bezahlt wird bei der Allianz Suisse. Gemäss Ingrid Edelmann Naujack, Leiterin Personalmanagement bei der Versicherung, werden die Löhne individuell und leistungsbezogen um maximal 1,5 Prozent angehoben.
Ein grösseres Schweizer Unternehmen aus dem Telekombereich, das anonym bleiben will, da die Mitarbeiter noch nicht informiert wurden, hebt die IT-Löhne auch um 1,5 Prozent an. Als Massstab für diesen Prozentsatz wurden Marktumfragen und der aktuelle Geschäftsgang genommen.
Die Entwicklung der Lohnsituation, so bekräftigen praktisch alle Befragten, hänge nicht von der Funktion und Hierarchiestufe des Mitarbeiters ab. Vielmehr zähle die Leistung, so der allgemeine Tenor. Bei Kuoni jedoch gibt es eine gewisse Differenzierung, so Koni Iten, CIO bei Kuoni Reisen: "Tiefere Löhne werden eher angepasst. Höhere, ab zirka 7000 Franken im Monat, aber nur sehr gezielt."
Waren diejenigen Angestellten, die in den vergangenen Boomjahren einen Bonus anstelle des 13. Monatslohns erhielten, eher im Vorteil, zeichnet sich in diesem Jahr eine Trendwende ab. Praktisch alle Firmen, die Boni zahlen, kürzen diesen - teils sogar massiv. Bei der ZKB beispielsweise werden die Boni im Vergleich zum Vorjahr im besten Fall maximal 50 Prozent betragen. Ins gleiche Horn stösst Renata Tschudi von den Winterthur Versicherungen: "Falls ein Bonus ausbezahlt werden kann, wird er sicher um einiges geringer ausfallen als im letzten Jahr."
Bei einer anderen Versicherung, der Allianz Suisse, sind keine Kürzungen der Bonuszahlungen im Vergleich zum Vorjahr geplant, und auch Microsoft spricht derzeit nicht von weniger Bonus. Dieser sei unter anderem vom erwirtschafteten Umsatz und von der Leistung jedes einzelnen abhängig. Das Bonusbudget wird bei Microsoft in diesem Jahr in etwa gleich bleiben.
Einige der Schweizer Grossunternehmen müssen eingestehen, dass in den Boomjahren Ende der 90er-Jahre IT-Löhne teils zu hoch angesetzt wurden. Nun leiden die Firmen unter diesen Angestellten mit einem zu hohen Zahltag - sie geben aber auch Gegensteuer. Dazu Daniel Fleuti, Pressesprecher der Zürich Versicherung: "Bei IT-Kräften, bei denen in den Boomjahren die Löhne sehr hoch angesetzt wurden, sind heute selektive Anpassungen in Einzelfällen möglich."
Ähnliches hört man von der ZKB: "Teilweise wurden die Löhne zu hoch angesetzt. Korrekturen finden vor allem bei Freelancern statt, die entweder abgebaut oder in den Betrieb integriert werden."
Rolf Jenni von Unisys sieht die Situation so: "Eine stetige Nivellierung der IT-Löhne ist seit einigen Jahren spürbar. Lohnkonflikte kann es im internen Quervergleich bei Einstellungen geben. Es empfiehlt sich deshalb, eine klar propagierte Lohnpolitik kontinuierlich anzuwenden."
Dagegen ist das derzeitige Überangebot an IT-Fachkräften für gewisse Firmen nun ein Grund, die Löhne zu drücken, auch wenn dies niemand so direkt zugeben will. "Die Löhne werden den Leistungen der Mitarbeiter, den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Unternehmung, sowie der Lohnmarktentwicklung angepasst. Damit fliesst eine allfällige Überflusssituation auch in die Lohnentwicklung ein", druckst Daniel Fleuti von der Zürich herum. Etwas konkreter wird man bei IBM: "Ein Überfluss an Fachkräften kann natürlich den Markt beeinflussen." Die ZKB gibt unumwunden zu: "Bei Neuanstellungen in Bereichen mit Arbeitskräfte-Überfluss sinken die Löhne tendenziell."
Zu guter Letzt wollten wir von den befragten Firmen noch wissen, in welchen IT-Bereichen sie für das nächste Jahr eine Verknappung der verfügbaren Fachkräfte auf dem Markt sehen, und wo der Überfluss an Spezialisten weiterhin Bestand haben wird. Obwohl die Antworten sehr unterschiedlich ausgefallen sind, lassen sich klare Trends erkennen: Spezialisten sind und bleiben Mangelware, Internetprofis sind auch im nächsten Jahr wenig gefragt, und auch Leute aus dem Supportbereich dürften Probleme haben, einen neuen Job zu finden.
Bei Roche herrscht beispielsweise ein Mangel an Fachkräften aus den Bereichen Pharma Process & Business sowie IT Concept & Technology. Bei Unisys sieht man eine Verknappung der Fachkräfte für den Verkauf von komplexen Lösungen und in der Beratung für Outsourcing und IT Economics. Eher einen Überfluss stellt man im Verkauf und im Service von Hard- und Software fest.
Bei den Winterthur Versicherungen geht man von einem Überangebot von Internetspezialisten und von Software-Entwicklern aus. Im Internetbereich sieht auch die ZKB mehr als genügend Fachkräfte im Markt, dafür dürften Spezialisten in Bereichen wie SAP und Siebel auch weiterhin sehr gesucht und gut bezahlt sein. Einen Mangel an SAP-Spezialisten sieht man auch bei Kuoni, während es im Bereich Client/Server tendenziell eher einfacher sein dürfte, Mitarbeiter zu finden. Auch die Allianz Suisse prognostieziert einen Überfluss im PC-Support-Bereich, ist aber der Meinung, dass gut ausgebildete Informatiker mit einer gewissen Berufserfahrung laufend gefragt sein werden.
Für Spezialisten mit einem gutem Background scheint die Lage auf dem Arbeitsmarkt also nicht so angespannt zu sein, wie es der Zustand der IT-Industrie vermuten lassen würde. So stellt Beat Schwab von Microsoft zum Abschluss fest: "Gute Leute auf einem hohen Level mit zusätzlichem Entwicklungspotential sind eigentlich immer gefragt."
Zudem in der Print-Ausgabe: Die Lohntendenzen von 8 Grossfirmen