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ADSL: Ab 2003 wird alles anders

Die Swisscom gewährt den Providern ab 1. Mai mehr Rabatt auf die 256- und 512-kbps-Preise, zudem wird ADSL 2003 neu positioniert.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/14

     

Seit Bluewin vor rund anderthalb Monaten bekanntgegeben hat, die ADSL-Preise bei den beiden Angeboten BroadWay ADSL 256 sowie 512 massiv zu senken, herrscht Unruhe im Schweizer ADSL-Markt. Die Vorwürfe der Konkurrenz - vor allem an die Swisscom, aber auch an deren Tochtergesellschaft - waren massiv: Bluewin mache das ADSL-Geschäft kaputt und werde von Swisscom bevorzugt behandelt, ausserdem wurde die schwerwiegende Anschuldigung laut, dass Bluewin einen Wissensvorsprung habe, was baldige Preissenkungen beim Swisscom-Wholesale-Angebot angeht (InfoWeek berichtete in der Ausgabe 09/2002). Das Geschäftsgebaren des Ex-Monopolkonzerns sowie seiner Provider-Tochter wurde von ProfiTel gar vor der Eidgenössischen Wettbewerbskommission angeprangert, da Bluewin von Swisscom quersubventioniert werde und nur so einen Marktanteil von heute rund 60 Prozent erreichen konnte.




Da im Schweizer ADSL-Markt offensichtlich Krisenstimmung herrscht, fand in der vergangenen Woche nun eine Sitzung zwischen der Swisscom und den Wholesale-Abnehmern statt, bei der die Swisscom versuchte, die Gemüter zu beruhigen und auf die Bluewin-Konkurrenten und deren Forderungen einzugehen. Nicht zuletzt wollte man damit auch die bei der Wettbewerbskommission eingereichte Untersuchung abwenden. Die Krisensitzung war jedoch sowohl für die Swisscom wie auch für die Provider nur mässig erfolgreich.

Klage trotz Rabatt

So hat der Telekomriese bekanntgegeben, dass auf den Wholsale-Preisen per 1. Mai nun zusätzlich ein Rabatt von 13 Prozent gewährt wird. Dieses neue Rabattsystem gilt aber nur für die Bandbreiten mit 256 und 512 kbps. Als weitere Einschränkung kommt hinzu, dass der gesamte Rabatt die Marke von 20 Prozent nicht überschreiten darf. Mit diesem neuen System werden alle Anbieter, die über 5000 Kunden vorweisen können, 20 Prozent Rabatt gewährt. Zuvor brauchte es für einen Preisnachlass in dieser Höhe 20'000 Kunden, was nur Bluewin erreichte.



Somit sollten nun alle glücklich und zufrieden sein, soweit dies in einer Quasi-Monopolsituation möglich ist. Dem ist aber nicht so: Unmittelbar am Morgen nach der besagten Zusammenkunft liess ProfiTel, einer der heftigsten Kritiker der Bluewin-Preissenkungen, via Pressemitteilung verlauten, man werde die Weko-Klage nicht zurückziehen. Der Grund dafür: Man fordere eine Preisreduktion rückwirkend auf den 1. März, also den Zeitpunkt, auf den Bluewin die Preise reduzierte. Zudem werde eine Preisreduktion von mindestens 25 Prozent verlangt, auch diese Forderung nimmt Bezug auf die Bluewin-Preissenkung. Und zu guter Letzt seien die Swisscom-Preise auf der letzten Meile um 30 bis 50 Prozent überhöht, stänkert ProfiTel.




Und so geht's weiter

Das neue Rabattsystem ist bis Ende Jahr befristet. Dass bis dahin aber mit den Wholesale-Preisen noch etwas passieren könnte, will Swisscom-Sprecher Sepp Huber nicht ausschliessen. Richtig in Bewegung wird der hiesige Breitband-Markt aber im neuen Jahr kommen - mehr als vielleicht je zuvor. Diesen Schluss lassen jedenfalls Äusserungen der Swisscom-Verantwortlichen an der besagten Krisensitzung von letzter Woche zu.



Während des laufenden Jahres soll der bestehende Service, vor allem punkto Qualität, laufend verbessert werden. Per Ende Jahr ist dann offenbar geplant, für jede Bandbreite eine Art Zwei-Klassen-ADSL einzuführen: Ein Angebot, bei dem die gesteigerte Qualität voll zum Tragen kommt, und ein zweites, das in etwa dem heutigen Angebot entspricht, eventuell gar mit einigen Abstrichen. Es könnte dabei offenbar durchaus sein, dass die Preise für das qualitativ hochwertigere Angebot gegenüber dem heutigen Niveau gar noch gesteigert werden, während die qualitativ schlechtere ADSL-Anbindung mit grosser Wahrscheinlichkeit billiger zu haben sein wird als heute.




Angebots-Dschungel droht

Vieles ist jedoch bei der Swisscom noch in der Schwebe. So wird offenbar auch in Erwägung gezogen, das Premium-Angebot mit symmetrischen Bandbreiten (SDSL) auszulegen, was bedeutet, dass dann sowohl Download- wie auch Upload-Geschwindigkeit gleich sind. Würde dieser Schritt tatsächlich vollzogen, dürften Provider wie Cable&Wireless, die heute SDSL anbieten, wohl ordentlich ins Schwitzen kommen. Sepp Huber bestätigte zwar, dass das ADSL-Angebot im neuen Jahr völlig neu positioniert und stärker segmentiert werden soll, wollte aber Details noch nicht bestätigen oder kommentieren.



Die Gefahr, die jedoch besteht, ist die eines Angebots-Dschungels. Man stelle sich vor, derzeit gibt es bereits vier Wholsale-Bandbreiten, welche von den Providern in den unterschiedlichsten Variationen bei IP-Adressen und Services angeboten werden. Im neuen Jahr wird es dann im Minimum deren acht geben, mit SDSL wahrscheinlich gar noch mehr. Wie sich der Kunde dann zurecht finden soll, muss sich erst noch zeigen.




Der Feind heisst Cablecom

Es ist also davon auszugehen, dass Swisscom zwei Ziele anstrebt. Das erste ist kein Geheimnis: Man will Cablecom mit seinen Kabelmodem-Zugängen ausbooten. An der Sitzung wurde laut gut unterrichteten Quellen herumgereicht, dass die Swisscom damit rechne, bis Mitte Jahr die Marke von 100'000 ADSL-Usern zu erreichen. Gegen Ende Jahr will man laut Gerüchten dann 160'000 ADSL-Kunden zählen - von so vielen Cablecom-Kunden wird nämlich derzeit ausgegangen.



Bleibt die Frage, warum nun 13 Prozent Rabatt anstelle einer generellen Preisreduktion auf dem Wholesale-Angebot realisiert wurde. Zum einen wären dann die Vorwürfe, dass Bluewin schon im Vorfeld von einer Senkung der Preise gewusst hat, ohrenbetäubend laut geworden. Zum anderen hätte dann Bluewin genauso von den tieferen Preisen profitiert, womit die Konkurrenzprovider kaum zufriedengestellt gewesen wären, ausser man hätte das ganze Rabattsystem über Bord geworfen. Dann aber hätte sich Swisscom ins eigene Fleisch geschnitten, denn so haben die kleinen Provider nach wie vor den Drang, in die nächst höhere Rabattstufe zu kommen.




Wie dem auch sei, der ADSL-Frühling ist stürmisch, und das neue Rabattsystem wird wohl noch einige Preisnachlässe seitens der Provider mit sich bringen. Dann dürfte es für eine gewisse Zeit ruhig werden im Schweizer Breitbandmarkt, bis zum Zeitpunkt, an dem Swisscom die umgekrempelte ADSL-Zukunft für 2003 präsentieren wird.



Lesen Sie zudem in der Print-Ausgabe: Die neue Wholesale-Preisstruktur der Swisscom



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