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Euphorie und Ernüchterung

Bei Swisscom IT Services herrscht Verunsicherung über das vorgeschlagene Arbeitszeitmodell.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/05

     

Die Proteste der Mitarbeiter von Swisscom IT Services (SCIS) gegen den geplanten Stellenabbau und die Schliessung von Standorten scheinen auf den ersten Blick gefruchtet zu haben. Der Telekomriese hat bekanntgegeben, seinen IT-Services-Mitarbeitern ein alternatives Arbeitszeitmodell anzubieten. Das Modell sieht vor, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeit freiwillig um 10 oder 20 Prozent reduzieren, dies in Form von zusätzlichen freien Tagen oder als reduzierte Jahresarbeitszeit. Im Gegenzug übernimmt SCIS 50 Prozent der Lohneinbusse im ersten und 45 Prozent im zweiten Jahr, verlangt aber von den Mitarbeitern, bei der nächsten Lohnrunde auf 1 Prozent der Lohnerhöhung zu verzichten.


Abgekartetes Spiel?

Tatsache ist jedoch, dass das vorgeschlagene Arbeitszeitmodell bei den SCIS-Mitarbeitern nicht unbedingt als Reaktion auf ihre Proteste verstanden wird. Viel eher wird ein taktischer Swisscom-Schachzug vermutet. Denn Gerüchte über eine Arbeitszeitreduktion gab es schon im Vorfeld der Proteste, zudem wurde im Herbst 2003 intern eine allgemeine Umfrage zum Thema durchgeführt. So wird vermutet, dass die Swisscom eine "Häppchen-Taktik" betreibt - sprich: Zuerst kündigt man Stellenabbau an, und nach Protesten lenkt man plötzlich ein und steht als Wohltäter da. Ausbaden müssen den Stellenabbau jedoch trotzdem die rund 2000 Angestellten, und ihnen wird auch gleich die Verantwortung im Solidaritätsprinzip übertragen. Denn nur durch die Umverteilung der Stellenprozente reduziert sich die Zahl der abgebauten Stellen - also je mehr Angestellte bereit sind, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, desto mehr Stellen werden gerettet.


Euphorische Unklarheiten

Nun ist es aber so, dass viele Bereiche bei SCIS durchaus jetzt schon ausgelastet sind, und eine Reduktion der Arbeitszeit dadurch teils unrealistisch anmutet. Zudem
herrscht auch Unklarheit darüber, wem denn die reduzierten Stellenprozente zu Gute kommen. "Helfe ich damit jemandem aus meinem Team, einem Arbeitskollegen? Oder ist es irgendein Arbeitsplatz?", so die Fragen, die sich die Mitarbeiter derzeit stellen. Zudem hat man Angst, dass das Management das Signal falsch verstehen könnte, wenn sich ein ganzes Team bereit erklärt, auf 80 Prozent zu reduzieren. Würde das denn nicht bedeuten, dass man heute nicht ausgelastet ist?



Es muss angefügt werden, dass das Angebot bei den Mitarbeitern grundsätzlich als "gut" aufgenommen wird und SCIS sich in den ersten beiden Jahren kulant zeigt. Im ersten Moment nach der Vorstellung des Modells sei die Stimmung gar euphorisch gewesen, heisst es aus Mitarbeiterkreisen.




Wenig erfreut ist man aber über gewisse Passagen, die in den Rahmenbedingungen formuliert wurden. So heisst es: "Eine Veränderung des Beschäftigungsgrades nach Ablauf von zwei Jahren setzt ein beidseitiges Einverständnis voraus. Das Einverständnis des Arbeitgebers richtet sich nach der dannzumaligen Auftragslage und der daraus abgeleiteten Personalplanung von SCIS. Im Falle einer Ablehnung von Einzelgesuchen durch SCIS kann der Arbeitnehmer an eine paritätische Kommission eskalieren. Diese hat lediglich ein Mitspracherecht. SCIS entscheidet definitiv über die Veränderung des Beschäftigungsgrades." Auf gut deutsch bedeutet dies, dass ein Ausstieg praktisch nicht möglich ist, zumindest so lange nicht, wie SCIS einen Ausstieg nicht gutheisst.



Ob das Modell zur Anwendung kommt, steht ohnehin noch in den Sternen, denn in den Rahmenbedingungen heisst es weiter: "Das angebotene Modell wird nur realisiert, sofern sich eine ausreichend grosse Anzahl Mitarbeitende von SCIS daran beteiligen." Der Ball liegt also beim Fussvolk.

(mw)


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