Ein Mobilfunkanbieter ist keine Bank
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/20
Wie können Bezahldienste via Internet erfolgreich werden? Diese Frage beschäftigt Carrier seit geraumer Zeit. Jüngst hat sich nun die Hochschule für Wirtschaft Luzern (HSW) mit diesem Thema auseinandergesetzt. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurden Demos entwickelt und Mitte September an der Retail Swiss in Luzern dem Fachpublikum vorgeführt. Anstatt Enduser befragten die Studienverfasser jedoch potentielle Anbieter.
Bei den Demos setzte die HSW auf die Technologie USSD (Unstructured Supplementary Services Data), einen weitgehend unbekannten, ziemlich primitiv aufgebauten und deshalb kaum genutzten Servicekanal innerhalb des GSM-Netzes, genau wie es SMS auch ist. Der Vorteil dieser Technologie: Sie funktioniert mit praktisch allen verfügbaren Handys und wird deshalb beispielsweise derzeit von der Swisscom beim Pilotversuch eines Parkhausbezahldienstes via Handy in Luzern genutzt.
Die HSW hat nun an der Messe den sogenannten Future Store als Testumgebung aufgebaut, an dem vier verschiedene Zahlungssituationen simuliert wurden: Das Aufladen von Guthaben, der Schaufensterverkauf, der Kauf eines Tickets sowie das Bezahlen an der Ladenkasse - alles Szenarien des Makropayments (ab 8 Euro aufwärts). Die Bezahlung mit USSD funktioniert dabei ziemlich einfach: Man gibt lediglich *-Taste plus eine Nummer (z.B. 128) ein, die für den Artikel steht, dann nochmals *-Taste plus den Betrag (z.B. 15 Franken), den man bezahlt, plus #-Taste als Abschluss (also z.B *128*15#). Die Artikelnummer (128) kann mit einer IP-Adresse verglichen werden - will heissen, sie kann nur einmal vorkommen und könnte, falls das System tatsächlich einmal in die Praxis geht, leicht auch 103'456'532 heissen. Dies würde auch eine Vergabestelle, eine Art ICANN, erfordern.
Das ganze Konzept setzt bei der Zahlungstransaktion auf bestehende Bezahlmittel, sprich EC- und Kreditkarten. Laut Indro Celia, Leiter des Competence Center E-Business an der HSW, der einzige Weg, um Macropayment erfolgreich zu machen. "Wir haben versucht, die Voraussetzungen für erfolgreiches M-Payment herauszufiltern, und sind zum Ergebnis gekommen, dass ohne Banken nichts zu machen ist." Celia führt auch gleich den Grund dafür auf: "Das Vertrauen der Leute liegt bei den Banken. Start-ups wie Paybox und auch die Carrier für sich alleine sind in den Augen der Verbraucher weniger vertrauenswürdig."
Das Beispiel, das für die Studie gewählt wurde, basiert auf Kreditkarteninfos, die von den Banken verwaltet werden. Der Carrier muss lediglich den sicheren Zugriff auf diese Infos gewährleisten, und schon verwandelt er das Handy in eine Kreditkarte.
Bei den Interviews, die die Studienmacher führten, stellte sich heraus, dass bei den Händlern grundsätzlich grosse Akzeptanz gegenüber M-Commerce herrscht. Der Handel erkenne das Potential eines zusätzlichen Verkaufskanals. Äusserst positiv sei zudem die einfache Bedienung des USSD-Kanals aufgenommen worden.
Celia nennt als Fazit die wesentlichen Punkte für erfolgreiches Macropayment. "Erstens sollte nichts neu erfunden werden. Man sollte Zahlungsinstrumente und Technologien wie USSD nutzen, die es gibt. Jeder Player sollte sich auf seine Stärken konzentrieren. Der Fokus eines Mobilfunkanbieters liegt nicht im Bankgeschäft."
(mw)