cnt

Swisscom-Abbau: Kundenverlust droht


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/20

     

Ein Swisscom-Rechencenter irgendwo in der Schweiz - in der Agglomeration einer grösseren Stadt. Einige Dutzend Mitarbeiter, jeder vierte muss bis Ende 2004 gehen. Auf Ende 2005 soll auch der Standort nach Bern migriert und dann geschlossen werden. Was mit den verbleibenden Swisscom-Angestellten danach passiert? Niemand weiss es.



InfoWeek hatte die Möglichkeit, mit Betroffenen zu sprechen. Sie können die Schliessung nicht verstehen, schliesslich habe man im letzten Jahr einen Millionengewinn erzielt. Aus Angst, dass die Konzernleitung den Standort noch stärker in Mitleidenschaft zieht, möchten die Mitarbeiter anonym bleiben.


Strafen einkalkuliert

"Das Kundengeschäft läuft bei uns", so die Standort-Mitarbeiter. "Bei unserer Grösse können wir dem Kunden den Service bieten, den er braucht. In Bern ist er dann nur noch eine Nummer im System. Wir glauben, die Kunden könnten abspringen." InfoWeek hatte die Möglichkeit, mit einem betroffenen Hosting-Kunden zu sprechen. Man mache sich schon Gedanken. Die Swisscom wisse aber, wie wichtig das Hosting für die Firma sei. Was der Kunde, dem Verfügbarkeit mittels Service Level Agreements (SLAs) garantiert wurde, jedoch nicht weiss: Im Budget des Projekts "Phoenix" sind offenbar Strafen wegen Nichteinhaltung der SLAs bereits als fester Bestandteil einkalkuliert. Zudem hatte der Kunde noch keine Ahnung über das Zeitfenster, in dem die Migration ablaufen soll. Stattdessen fragte er InfoWeek, wann die Umstellung stattfinde.



Probleme könnte es bereits während der Migration geben. Die Hälfte der Mitarbeiter an besagtem Standort wird zur Migration der Systeme abgezogen. "So wird es sehr schwierig, die bestehenden Kunden zu betreuen." Und nach der Migration? "Das Klumpenrisiko, die Grösse und die Struktur in Bern sind ein Problem. Der Kundenservice wird darunter leiden", so die Aussen-Center-Mitarbeiter.




Zudem sei die Stimmung unter den Swisscom-Angestellten sehr schlecht, verständlich, wenn man sich während der Migration quasi das eigene Grab schaufelt. "Die, die eine andere Stelle haben, werden gehen. Und vor allem die Leute mit Know-how finden schnell einen neuen Job. Wenn uns nur 2 oder 3 Mitarbeiter pro Team verlassen, dann haben wir bei der Migration ein Problem."



Die Swisscom-Mitarbeiter vermuten sogar, dass sich Swisscom IT-Services aus dem Drittkundenmarkt zurückziehen will. Für gewisse Bereiche stimmt das. In internen Papieren zur strategischen Ausrichtung heisst es: "Wir konzentrieren uns auf unsere bestehenden Kunden in den Kernbranchen Telekommunikation und Financial Services." Und: "In weitere, geeignete Zielbranchen wie Regierung (Government) und Gesundheitswesen (Health) stossen wir nur selektiv vor." Von dieser Warte aus gesehen, müsste man eigentlich jeden potentiellen Neukunden vor Swisscom IT-Services warnen. Swisscom-Sprecher Sepp Huber bestätigt diese Strategie und gesteht ein, dass man abseits dieser Branchen nicht zwingend Neukunden suche. Man wolle aber bestehende Kunden halten.



Auch die Swisscom-Mitarbeiter des besagten Standorts verneinen nicht, dass Neukunden aus anderen Branchen bei anderen Partnern vielleicht besser aufgehoben sind. "Wir versuchen trotzdem noch, so viele Neukunden wie möglich zu gewinnen, denn wir hoffen, dass der Entscheid noch kehrt oder wir vielleicht ausgegliedert werden." Ein Strohhalm, an dem sich die fallengelassenen IT-Leute halten. Sie müssen denn auch resigniert feststellen, dass dem Kapital Mitarbeiter kaum Beachtung geschenkt wird.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER