ERP für KMU: Service hat Priorität

Kleinere und mittlere Unternehmen haben ganz klare Anforderungen an ihre ERP-Lösung. Im Vordergrund stehen dabei der Branchenfokus und die Serviceleistungen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/16

     

Mittelständische Unternehmen investieren wieder in ihre Software. Der Markt ist umkämpft. Schon lange haben die Softwaregiganten wie SAP und Oracle die gesunden Mittelständler als Zielgruppe entdeckt. Doch sie stehen nicht allein. Denn in der vermeintlichen Nische bewegen sich ebenso viele mittelständische Anbieter, die den Markt seit Jahren kennen und erfolgreich bedienen.



Software im Mittelstand lässt sich heute nicht mehr über einen Kamm scheren. Das macht das Geschäft ebenso spannend wie schwierig. Es dominieren Lösungen, die einen klar fokussierten fachlichen Bezug zur Branche haben.
In mittelständischen Firmen haben die Verantwortlichen selbst in höchsten Positionen ein viel ausgeprägteres Fachwissen ihrer Kernprozesse als Manager in Grosskonzernen. Sie erwarten, sich mit ihrem Softwarelieferanten in ihrem Branchenjargon zu unterhalten. Mit einer Allerweltssoftware ohne Branchenzuschnitt gewinnt man dort heute keinen Blumentopf mehr. Auch mit Buzzwords wie Service-Orientierter-Architektur (SOA) kann man im Mittelstand nicht punkten. Die dahinter- stehende Technik, Business-Logik von der grafischen Oberfläche zu trennen, wird erwartet. Das Marketinggeschwätz drum herum nicht.


Software wird individueller und einfacher

Branchenübergreifend kann man sagen, die Software wird insgesamt flexibler und individueller. Sie stellt den unterschiedlichen Benutzern personalisierte Oberflächen zur Verfügung, die ihnen genau die Funktionen anbietet, die sie benötigen. Denn die Akzeptanz eines integrierten Softwarepakets hängt von der Intuitivität der Bedienung ab. Hier ist Einfachheit Trumpf: Überladene Oberflächen sind out.


So ungewöhnlich es klingen mag: Das Vorbild für moderne Business-Anwendungen muss das Apple iPhone sein. Es kann nicht mehr als andere Handys. Darum geht es auch bei betriebswirtschaftlicher Standardsoftware schon lange nicht mehr. Aber es besticht durch eine klare Oberfläche, ist einfach zu bedienen, der Nutzer legt sofort los.



Diese Regeln für den Erfolg eines Produktes gelten auch im B2B-Geschäft. Denn meist nutzt ein Anwender nur 20 Prozent der bereitgestellten Features. Die restlichen 80 Prozent irritieren ihn und führen zu Fehlbedienungen. Dennoch sind diese Funktionen in Einzelfällen unternehmenskritisch und dürfen nicht fehlen. Doch nur wer es schafft, die nur selten benötigten Funktionen im Alltagsgeschäft auszublenden und dafür branchenspezifische Masken bereitzuhalten, liefert die Software, die den Arbeitsalltag wirklich einfacher macht.


Auswertungen sind gefragt

Rechnen Mittelständler schon immer scharf, so entdecken sie nun, dass die Software ihnen dazu komfortablere Werkzeuge als den berühmten «spitzen Bleistift» zur Verfügung stellt. Entsprechend steigt branchenübergreifend die Nachfrage nach Auswertungssoftware, bezeichnet man sie nun als Business Intelligence, Data Warehouse oder schlicht Informationssystem. Sie ermöglichen eine schnelle Kosten-Nutzen-Analyse. Kennzahlen werden graphisch aufbereitet und mit Frühwarnsystemen verknüpft. Auch eine Drill-Down-Funktion zur Aufsplittung der Zahlen bis auf die unterste Belegebene ist gefragt.


Serviceleistungen müssen überzeugen

Standardsoftware ist anbieterübergreifend vergleichbar. Auf was es daher ankommt, ist der begleitende Service. Dazu gehört eine kompetent besetzte Hotline, die sich im Bedarfsfall auch per Fernwartung binnen Sekunden auf die Kundenserver schalten kann. Dazu gehören ausserdem intelligente Schulungsangebote, die sich nicht mit 08/15-Standardseminaren begnügen, sondern individuelle Coaching-Angebote bereithalten. Und dazu gehört eine Beratungsleistung, die neben Branchen-Know-how Verständnis von Softwarearchitektur und Sinn für das finanziell Machbare hat. Der Mittelständler möchte als Kunde gar nicht König sein. Er sucht einen fairen Partner auf Augenhöhe.


Mietmodell in unterschiedlichen Ausprägungen

Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle. Doch es zählt nicht nur die absolute Zahl, sondern auch die Konditionen. Im Mittelstand kommen Mietmodelle in Mode. Sei es als reines Mieten der Software über drei bis fünf Jahre oder den kompletten Betrieb der Anwendung im Rechenzentrum des Anbieters im sogenannten ASP-Modell. Dabei greift der Kunde von verschiedenen Niederlassungen über sichere Datentunnel auf die Anwendung zu. Immer mehr Kunden nutzen diese Möglichkeit, um Investitionen in Hardware zu sparen und mit festen monatlichen Kosten zu kalkulieren (siehe Artikel auf Seite 34).


Zukunft: Integrierte Weblösungen auf Open-Source-Basis?

Für die kommenden Jahre zeichnen sich drei generelle Trends ab:



- ERP-Software vollzieht sich nicht länger in einzelnen Modulen, sondern orientiert sich an übergreifenden vernetzten Prozessen.



- Web-basierte Lösungen mit einem ortsunabhängigen Zugriff werden zum Standard und lösen nach und nach Client-Server-Systeme ab.



- Die Open-Source-Bewegung mit ihrem wissenschaftlichen Ansatz der Offenheit und Transparenz führt zur grössten Umwälzung im Softwaremarkt.



Die grossen Anbieter können ihr Wissen nicht länger abschotten, sondern müssen sich öffnen. Das ist wie bei Günther Jauchs Publikumsjoker: Die vereinigte Masse der Open-Source-Entwicklungsgemeinschaft ist intelligenter als ein einzelner Hersteller.


Der Autor

Peter Heinz ist Geschäftsführer der Wilken AG




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