SSD: Noch eher Consumer-Speicher

Solid State Disks gehören zu den grossen Hoffnungen auf dem Speichermarkt. Allerdings ist die Verbreitung eher zurückhaltend.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/08

     

Als vor einigen Jahren die ersten USB-Sticks auf den Markt kamen, hätte wohl niemand gedacht, dass die Technologie dieser kleinen Begleiter einmal der herkömmlichen Festplatte Konkurrenz machen würde. Umso höher und lauter werden zurzeit die Solid State Disks angepriesen und immer wieder mit grossem Tamtam angekündigt. Doch wie sieht die Marktlage wirklich aus? Und wohin geht die Entwicklung? Eine Zukunft ohne herkömmliche Festplatte ist genauso unwahrscheinlich wie eine Zukunft ohne Flash-basierte Speichermedien.


Gemächliche Revolution

Solid State Disks können eine ganze Reihe Vorteile gegenüber den herkömmlichen Hard-Disks aufweisen. Der offensichtlichste dabei ist, dass keine beweglichen Teile mehr vorhanden sind. Bei gewöhnlichen Festplatten werden die magnetisch gespeicherten Daten durch Rotation zum Lesekopf bewegt. Zum einen lässt sich diese Rotationsgeschwindigkeit nicht ins Unendliche steigern, und zum andern hängt die Kapazität der Festplatte somit auch direkt von deren physikalischen Ausmassen ab. Mit dem von IBM entwickelten Konzept des «Racetrack-Memory» sollen sich die Kapazitäten der traditionellen Festplatten zwar um ein Vielfaches steigern lassen, während die Zugriffszeiten auf unter eine Nanosekunde reduziert werden sollen, allerdings dürfte es noch eine ganze Weile dauern, bis diese Technologie den Markt erreicht. Genug Zeit also, um die Vorteile der Solid State Disks auszuloten.


Aus diesem einen Vorteil, dass SSDs ohne bewegliche Teile auskommen, lassen sich beinahe alle weiteren guten Eigenschaften ableiten. So verbrauchen Flash-basierte Festplatten durch das Wegfallen von mechanischer Arbeit bloss einen Bruchteil dessen, was herkömmliche Festplatten an Strom verbrauchen. Ausserdem sind die Daten auch bei plötzlichem Energieverlust nicht verloren, wie dies beim heutigen, schnellen Arbeitsspeicher der Fall ist. Somit lassen sich die beiden Teilbereiche von Festplatte und RAM vereinen, was zu einem Platzgewinn in den Geräten führt. Überdies arbeiten SSDs absolut geräuschlos.



Wir fassen zusammen: SSDs sind herkömmlichen Festplatten also bei Grösse, Gewicht, Geschwindigkeit, Geräuschemissionen, Stromverbrauch und Haltbarkeit der Daten eine Nasenlänge voraus. Und trotzdem verläuft die Revolution der soliden Speicher nur sehr schleppend. Erst eine Handvoll Hersteller bietet Produkte an, welche von Haus aus mit Solid State Disks ausgestattet werden können (von MP3-Playern und Ähnlichem einmal abgesehen). Als Beispiel soll hier das X300-Notebook von Lenovo dienen, welches wahlweise mit einer 64-Gigabyte- Solid-State-Disk ausgeliefert wird. Zu einem gewissen Aufpreis, versteht sich.


Noch zu klein und teuer

Dass sich die SSDs noch nicht flächendeckend durchsetzen konnten, hat mehrere Gründe. Einerseits liegt die langsame Verbreitung am heute noch sehr hohen Preis. Im Gegensatz zu herkömmlichen Festplatten, bei welchen das Gigabyte Speicherplatz üblicherweise deutlich unter einem Franken kostet, liegen die durchschnittlichen Gigabytepreise bei Solid State Disks markant höher, bisweilen bei einigen Franken. Somit sind auch Geräte, welche von Haus aus mit SSDs ausgerüstet werden, noch ungleich viel teurer als solche mit HDDs.



Ein weiterer Grund für das gemässigte Tempo ist die Entwicklung der Kapazitäten. Obwohl immer wieder 128- und 256-Gigabyte-Disks angekündet werden, sind die meisten im Handel erhältlichen SSDs erst mit 32 oder 64 Gigabyte ausgerüstet, was für die heutigen Verhältnisse zwar genügen kann, allerdings nicht muss. Wollen sich die Solid State Disks längerfristig und breit im Markt behaupten, müssen beide Faktoren noch angepasst werden.


Mythos Lebensdauer

Um herauszufinden, wie lange eine SSD durchhält, muss man die Architektur der Platte berücksichtigen. Prinzipiell arbeiten SSDs mit NAND-Flash. Dieser lässt sich weiter in SLC- und MLC-NAND-Flash einteilen. Beim Single-Level-Cell-Verfahren (SLC) kann jede Zelle nur ein Bit aufnehmen. Beim Multi-Level-Cell-Verfahren (MLC) hingegen – der Name ist Programm – lassen sich üblicherweise zwei Bits pro Zelle speichern.


Die Verwendung von MLC bringt damit zwei grosse Vorteile: Erstens lassen sich auf geringerem Platz mehr Daten speichern, und zweitens wird dadurch die Produktion von Flash-Speicher verbilligt und somit auch der Endpreis. Es gibt also Hoffnung auf Besserung, was die teuren Preise angeht. Allerdings gibt es auch gewisse Nachteile beim MLC-Verfahren. Gelesen werden kann eine Flash-Zelle zwar ohne Begrenzungen immer wieder, die Anzahl der möglichen Schreibzyklen, bis eine Zelle «verloren» geht, ist dagegen beschränkt. Die übliche Anzahl der von Herstellern garantierten Schreibzyklen liegt dabei zwischen 10’000 und 100’000, wobei Multi-Level-Zellen in der Regel weniger Schreibzyklen ertragen können als Single-Level-Zellen. Um eine möglichst lange Haltbarkeit zu ermöglichen, arbeiten die SSDs ausserdem mit dem sogenannten «Wear-Levelling». Dabei verteilt der Controller im Laufwerk die Schreibzyklen möglichst gleichmässig auf alle vorhandenen Flash-Zellen, wodurch eine optimale Auslastung erreicht werden soll.



Hersteller von SSDs halten sich mit konkreten Zahlenangaben sehr zurück, wodurch eigentlich bloss geschätzt werden kann, wie lange die verschiedenen Flash-Platten wirklich durchhalten. Allerdings spricht einiges für sie, bedenkt man die Tatsache, dass offenbar noch niemand an die Grenzen einer SSD gestossen ist.


Noch nicht industriefähig

Dass Solid State Disks heute, in einer Zeit, in der das Schlagwort «Green IT» zur Leitdevise geworden ist, langsam aber sicher die Aufmerksamkeit auf sich lenken, ist wohl kein Zufall. Firmen rund um den Globus versprechen sich bereits heute allerhand Kostenreduktionen von den neuen Möglichkeiten der Energieeinsparung durch Solid State Disks. An der Frühjahrstagung der Storage Networking Industry Association (SNIA) in Florida vor einigen Wochen wurde ausserdem prognostiziert, dass bereits 2009 die Preise für SSDs zu fallen beginnen sollen. Die Euphorie hat allerdings den Beigeschmack eines «Hypes».


Auch bei der SNIA ist man nicht blind vor Freude über die neue Technologie. Nicht überall sieht man Einsatzmöglichkeiten für die Solid State Disks, vor allem keine kurzfristigen. Besonders im Business-Bereich gibt man sich aus verschiedenen Gründen zurückhaltend, was das Entwicklungstempo der soliden Speichermedien betrifft. Matthias Werner, Board Member bei der SNIA Europe, differenziert: «Für den Consumer-Markt ist die Robustheit und das geringe Gewicht der SSDs sicherlich ein riesiger Vorteil, besonders da Mobilität in diesem Sektor immer wichtiger wird.

Hier sind die Kosten für Flash-Speicher sicherlich auch interessant. Im Business-Bereich allerdings geht es hauptsächlich um viel grössere Speichermengen, und dabei ist der Kostenvorteil von magnetischen Festplatten gegenüber SSDs noch extrem gross. Dies ist ein Grund, warum man im Enterprise-Bereich in den nächsten zwei Jahren nur sehr wenig von Solid State Disks sehen wird. Ein weiterer Grund für die Nichteroberung des Business-Bereichs ist die Tatsache, dass sich Flash-Speichermedien nur sehr umständlich wieder komplett löschen lassen. Zumindest bei der heute verwendeten Technologie. Der Hype aus dem Consumer-Markt wird wohl nicht so schnell vom Business-Bereich in die Praxis umgesetzt werden.»



Ob Werner mit seinen Prognosen wirklich richtig liegt, lässt sich heute wohl noch nicht sagen. Allerdings gibt es bereits jetzt erste Business-Produkte, welche wahlweise mit SSDs ausgestattet werden können. So zum Beispiel die Calleo-Server-Reihe von Transtec. Laut eigenen Angaben spielen dabei vor allem energietechnische Überlegungen sowie die schnelleren Zugriffszeiten eine grosse Rolle, weniger die Preise. Vor allem in IOPS-relevanten Bereichen soll die Verwendung von SSDs Vorteile bringen.


Obwohl einige Marktbeobachter bereits das Ende der herkömmlichen Festplatten heraufbeschwören, gibt es gute Gründe, warum dies gerade nicht so ist. Laut einer Studie der IDC soll der Anteil an SSDs bis ins Jahr 2011 zwar auf knapp 10 Prozent steigen, von einer schnellen Entwicklung kann dabei allerdings kaum die Rede sein. Und auch wenn der prozentuale Anteil an SSD und hybriden Festplatten den IDC-Analysten zufolge kontinuierlich steigt: Ebenso kontinuierlich steigen auch die Stückzahlen der herkömmlichen Harddisks.


Wie weiter?

Wie Werner erklärt, steigt die Kapazität der SSDs im Moment zwar etwas schneller an als jene der HDDs, «wann diese Kapazitäten sich allerdings kreuzen, lässt sich heute noch nicht so genau bestimmen. Vielleicht im Jahr 2020.» Doch auch dies sei keine gesicherte Aussage. Denn wie immer müsse auch dieses Mal mit einem Durchbruch in der Forschung oder einem Quantensprung in der Technik gerechnet werden, was alle Berechnungen und Schätzungen über den Haufen werfen könnte.


Was die Entwicklung im Consumer-Markt angeht, so ist sich Werner trotz all den unberechenbaren Faktoren ziemlich sicher: «Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden sehr viele Hersteller Produkte mit Flash-basierten Speichern anbieten. Im Enterprise-Segment werden aber wohl auch in naher und mittlerer Zukunft noch traditionelle Speichermedien wie HDDs und Tape vorherrschen. Wir werden zwar viele Versuchsballone zu sehen bekommen, allerdings wird die Solid State Disk für Unternehmen in den nächsten Jahren eher noch ein Nischenmarkt bleiben.»




Entwicklungsprognosen für HDD, HHD und SSD


Hybride Festplatten

Mit hybriden Festplatten (HHD) möchten Hersteller so viele Vorteile der beiden Welten wie möglich miteinander vereinen und dabei die Nachteile aussen vor lassen. Hybride Festplatten bedienen sich beider Technologien, wobei das Flash-Element dem herkömmlichen, magnetisch beschriebenen Speicher zur Seite steht. Auf dem schnellen Flash-Speicher werden dabei oft gebrauchte Daten gelagert, um so schnellere Boot-Zeiten und Programmstarts zu erreichen.

Ausserdem spart man durch die reduzierte Nutzung der HDD Energie. Damit hybride Festplatten ihre volle Wirkung erzielen können, muss das Betriebssystem allerdings entsprechende Technologien (wie beispielsweise «SuperFetch» bei Windows Vista) bereitstellen. Dass Vista erst unter Einsatz von hybriden Festplatten richtig in die Gänge kommt, dürfte wohl einen Schub in der Entwicklung der HHDs zur Folge haben.




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