Java zwischen Nostalgie und Zukunft
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/14
Zum zehnten Mal fand Ende Juni in San Francisco die JavaOne-Konferenz statt. Grund genug für Sun, auch etwas zurückzublicken. Dies übernahm CEO Scott McNealy gleich selber. Er erinnerte daran, dass die Java-Protagonisten an der ersten Konferenz noch milde belächelt wurden. Java sei over-hyped, hiess es damals. Heute zeigten aber die enormen Erfolge, dass Suns Java vielmehr under-hyped war, so McNealy. Und dies, obwohl die vor zehn Jahren gesteckten Ziele wahrlich nicht bescheiden waren.
Neben den bekannten Einsatzgebieten vor allem im Server- und Client-Bereich (gemäss Studien gibt es interessanterweise praktisch gleich viele Server- wie Client-Entwickler) wurde stolz aufgezählt, dass es mittlerweile weltweit 4,5 Millionen Java-Entwickler gäbe, Nokia Java auf sämtlichen Handsets ausliefern wird, bereits eine Milliarde Java-Smartcards im Einsatz seien und last but not least, dass der neue DVD-Player-Standard Blu-ray auf Java aufsetze. Letzteres bedeutet, dass in Zukunft jeder DVD-Player Java-Programme ausführen kann, welche auf den DVDs mitgeliefert werden – vorausgesetzt, Blu-ray setzt sich im Markt durch.
James Gosling, der «Über-Vater» von Java, war besonders stolz auf eine Drohne, welche von Boeing entwickelt wurde. Basierend auf der Java Real Time Specification sind sämtliche Flugmanöver und Kamerapositionierungen in Java realisiert und auch die Kommunikation mit der Bodenstation ist Java-basiert. De facto ist das unbemannte Flugobjekt ein physisch fliegender Web Service.
Gerade im Bereich WebServices tut sich derzeit sehr viel. Vielleicht hat die Peinlichkeit, dass SOAP – abgesehen von 08/15-Anwendungen – heutzutage immer noch nicht Anbieter-übergreifend kompatibel ist, dazu beigetragen, dass Sun den ehemaligen Erzrivalen Microsoft an die JavaOne eingeladen hat. In diversen Sessions wurden die Kompatibilitätsprobleme thematisiert und Lösungswege aufgezeigt. Diese haben aber leider alle ein Manko: Man muss sich noch etwas gedulden. In ein paar Monaten sollen aber auch Attachments wirklich funktionieren. Allerdings weder mit SwA noch mit DIME: Das neue Ei des Kolumbus heisst MTOM (Message Transmission Optimization Mechanism) und soll liefern, was schon lange (nicht nur von Sun und Microsoft) versprochen wurde.
Neben Web Services wurden aber auch noch eine ganze Reihe weiterer Themen angesprochen:
DTrace beispielsweise ist ein interessantes Profiling Tool. Anders als andere Java-Profiler kann es JNI- und Native-Calls mit einbeziehen, liefert also in einem Analysebaum die Zeiten von Java- und zum Beispiel von C++-Methoden. Sun ist von diesem Tool so begeistert, dass jedem ein iPod versprochen wurde, der eine Java-Applikation vorbeibringen konnte, die sich mit Hilfe von DTrace nicht beschleunigen liess – von HelloWorld-Programmen natürlich abgesehen. Leider aber läuft DTrace nur auf Solaris und wird ohne GUI geliefert.
Einen weiteren Schwerpunkt bildete Eclipse, das einen immer grösseren Marktanteil in der Java-Entwicklergemeinde erobert. Dies vor allem, weil es inzwischen eine fast unüberschaubare Menge an Plug-ins gibt. So viele, dass inzwischen auch andere IDE-Anbieter das Plug-in-API von Eclipse übernehmen wollen. Und so viele, dass öffentlich darüber spekuliert wird, NetBeans, die IDE von Sun, könnte eingestellt werden. Sun konterte mit Durchhalteparolen. Allerdings scheint bei Entwicklern die Meinung vorzuherrschen, dass eine Einstellung von NetBeans kein Weltuntergang wäre – wenn auch eine kleine Schlappe für Sun.
AJAX (Asynchronous JavaScript Technology and XML) ist eine neue Möglichkeit, wie Webseiten schneller und interaktiver werden können. Mit AJAX lassen sich recht einfach Teile aktualisieren, ohne gleich die ganze Site neu vom Server herunterladen zu müssen.
Die Sessions mit den höchsten Besucherzahlen waren erstaunlicherweise jene um JBI (Java Business Integration), einer Java-EE-Erweiterung, die WSCI und BPEL4WS einfacher einsetzbar macht.
Das auffälligste Nicht-Thema: Open Source. Zwar wurden weitere Teile des Software-Portfolios von Sun unter irgendwelchen Lizenzen, die Otto Normalverbraucher sowieso nicht mehr versteht, freigegeben; im markanten Gegensatz zu 2004 wurde dies aber kaum mehr angesprochen. Obwohl gewisse Journalisten immer wieder darüber schreiben, war es für die Konferenzteilnehmer offensichtlich einfach kein Thema.
Sun hat diesen Bereich ziemlich gut im Griff. So sehen viele die «Kontrolle» durch Sun als Vorteil, indem sie eine Fragmentierung im Java-Bereich verhindert. Zudem liegt inzwischen ein Teil der Kontrolle beim Java Community Process, den Sun nur noch teilweise dominiert, und Sun nützt im Empfinden vieler Konferenzteilnehmer die restliche «Macht» auch nicht ungebührlich aus.
Nicolas Guillet ist Projektleiter beim Schweizer ERP-Hersteller Abacus Research AG (nguillet@abacus.ch)