Datenintegration – ICC schlägt Inselansatz
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/04
Unternehmensanwendungen hatten in der Vergangenheit oft nahezu autistische Züge: zwar waren sie in der Lage, in ihren Spezialbereichen – vor allem Supply Chain- und
Customer Relationship-Management – brillante Leistungen zu erzielen, eine Kommunikation mit- oder untereinander war jedoch nahezu ausgeschlossen. Meist boten sie eine lediglich isolierte Darstellung des Geschäftsbetriebs und wenig Transparenz im gesamten Unternehmen. Aufgrund der Langlebigkeit dieser Applikationen lässt sich dieses Phänomen auch heute noch beobachten. Konzerne verfügen in der Regel über hunderte von Anwendungen sowie dutzende Hardware- und Softwareplattformen, brauchen aber mitunter Wochen, um den Umsatz eines Jahres bekannt geben zu können. Im übertragenen Sinne könnte man meinen, je mehr Daten die Firmen gewinnen, umso blinder werden sie bei der Analyse derselben.Daher haben fast alle IT-Manager nur ein Ziel vor Augen: die Daten zu einer einzigen unternehmensweiten Informationsressource zu verschmelzen. Gerade in grossen Unternehmen erkennt man sukzessive die Vorteile der Datenintegration.
Paradoxerweise versuchen viele Organisationen, dieses grundlegende Element «stückweise» oder in Form von Datensilos umzusetzen. Dieser isolierte Inselansatz eignet sich vielleicht für ein einmaliges Projekt, für mehrere Projekte aber ist er kostspielig und arbeitsintensiv. Ein Team, das an einem der Projekte arbeitet, lernt die Komplikationen einer Integration kennen, kann aber diese Erfahrung nicht weiter nutzen bzw. darauf aufbauen. Stattdessen müssen andere Programmierer aus dem Unternehmen denselben Lernprozess erneut durchlaufen. «Wenn es keine unternehmensweite Architektur gibt, ist es sogar noch schlimmer», weiss Christopher Hackett, Informatica-Geschäftsführer Zentraleuropa, aus langjähriger Projekterfahrung. «Kein Integrationsprojekt kann in dem Fall mit anderen integrierten
Systemen im Unternehmen kommunizieren. Bei all seinen Bemühungen hat das Unternehmen nur noch grössere isolierte Bereiche geschaffen.»
Immer häufiger verwerfen Unternehmen daher diesen Inselansatz und entscheiden sich stattdessen dafür, Integrationsaktivitäten in so genannten Integration Competency Centers (ICCs) zu bündeln, einem Strategiekonzept, das ursprünglich von der Gartner, Inc. entwickelt wurde (Research Note «The Role of the Integration Competency Center», Autoren R. Schulte and G. Long). Charakteristisch für den ICC-Ansatz ist, dass er für jedes Unternehmen individuell entwickelt und dann zentral umgesetzt wird. Auf diese Weise können spezielle Fähigkeiten, Prozesse und Technologien verstärkt werden, die für eine schnelle und
kostengünstige Implementierung von Datenintegrationsprojekten eines Unternehmens erforderlich sind. Je mehr Unternehmen ein ICC implementieren und je mehr positive Ergebnisse erzielt werden, desto häufiger wird der ICC-Ansatz in Betracht gezogen. Gartner Inc. prognostiziert, dass bis Ende 2005 mehr als 50 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 1 Milliarde US-Dollar Umsatz ein ICC haben werden. Zu den Kunden von
Informatica, die bereits ein ICC eingerichtet haben, zählen unter anderem Credit Suisse, Eli Lilly, Federal Express, Pfizer oder Staples. Es gibt eine ganze Reihe möglicher Ansätze für die Entwicklung eines ICCs. Der aktuelle Stand der Organisation in Bezug auf Integrationsprojekte ist dabei sehr entscheidend. Ebenso spielt es eine Rolle, ob man abteilungsweise vorgehen möchte oder holistisch ansetzt und dabei bedeutende Vorausplanung und -investitionen tätigt. Die Ansätze reichen von der einfachen Projektoptimierung über Best Practices und die Vereinheitlichung von Technologien bis hin zu verteilten oder zentralisierten Diensten.
Ein ICC ist letztlich ein Team innerhalb eines Unternehmens, das sich dem Thema Datenintegration verschrieben hat. Egal, welchen Ansatz dieses Team wählt, alle weiteren Projekte profitieren von dem einmal gewonnen Know-how und den geschaffenen Strukturen. Der Schwerpunkt des ICC richtet sich dabei immer nach den Anforderungen des Unternehmens. Durch die Integration bestehender Systeme in die neue Infrastruktur bleibt der Mehrwert erhalten und gleichzeitig wird redundante Integrations-Middleware eliminiert. Der ICC-Ansatz lässt sich problemlos skalieren. Sobald ein ICC-Team eigene Fähigkeiten und Kenntnisse entwickelt hat, kann es in einem kürzeren Zeitraum mehr erreichen. Ausserdem können sich ICC-Entwickler mit Anwendungsentwicklern im Unternehmen beraten, damit ihre Anwendungen in der Unternehmensinfrastruktur sofort einsatzfähig sind.
ICCs ermöglichen Programme für Customer Relationship Management, Supply Chain Management und Business-to-Business-Interaktion im Rahmen umfassender Prozesse, die den Geschäftsablauf umformen können. Noch wichtiger ist es, dass ein ICC die Möglichkeit neuer Architekturansätze für den universellen Zugriff auf Daten schafft. Herkömmliche, gezielte Ansätze für den Zugriff auf Unternehmensdaten – etwa Datenintegration (DI), Enterprise Application Integration (EAI), Enterprise Information Integration (EII) und Business Intelligence (BI) – dienen allesamt einem speziellen Zweck: dem Sammeln und Bereitstellen von Daten für eine Abteilung. Sie liefern jedoch keinen Architekturansatz für den universellen Zugriff auf Daten. Ein universeller Zugriff ist aber immens wichtig für die gesamte Interaktion mit Daten, erfordert jedoch Dienste für gemeinsam genutzte Informationen, was wiederum Änderungen an der Unternehmensstruktur zur Folge hat. Ein ICC löst jedoch nicht nur die Probleme bisher verteilter und inhomogener Daten. Dank der ganzheitlichen Sicht auf das Unternehmen können ICC-Manager die zugrunde liegende Technologie des Geschäftsbetriebs neu konzipieren.
Für die Realisierung eines ICC müssen Unternehmen gar nicht bei Null anfangen. Fast überall wurden in der Vergangenheit bereits Schritte für eine Datenintegration unternommen, vom Einsatz eines simplen ETL-Tools bis hin zu komplexeren EAI-, EII-, DI- und BI-Initiativen. ICCs können die Transparenz der Unternehmensdaten und die Interaktion mit den Daten mithilfe vereinheitlichter Shared Services verbessern, die die bestehenden
Ansätze integrieren und darauf aufbauen.Auch wenn eine einheitliche Infrastruktur das Ziel ist, kann es sich kein Unternehmen leisten, zu den Anfängen zurückzukehren und mit einem einzigen simplen Computersystem zu arbeiten: Die Leistungsfähigkeit, Flexibilität und der Geschäftswert vorhandener Technologien nehmen immer mehr zu, und Unternehmen müssen stets bereit sein, den Wettbewerbsvorteil einer neuen Lösung zu nutzen. Allerdings können Unternehmen wieder von der Einfachheit eines einzigen Systems profitieren, indem sie mehrere Legacy-Systeme und erstklassige Lösungen in einheitliche, nahtlose unternehmensweite Datendienste integrieren. Firmen, die einen Inselansatz verfolgen, sind hierbei klar im Nachteil gegenüber Unternehmen, die sich für ein ICC-Modell entscheiden und eine schnelle und kostengünstige, teambasierte Entwicklung, Verwaltung und Metadatenverwaltung unterstützen. Einmal realisiert lassen sich die Lösungen mit minimalem Aufwand auf andere Abteilungen oder Landesgesellschaften übertragen.