Interview: Von Orcas und Silverlight
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2007/10
Somar Somasegar: Für den Konsumenten bieten wir mit dem VC1-Codec wesentlich bessere Video-Qualität, als man sie irgendwo sonst findet. Silverlight ermöglicht zudem das nahtlose Umschalten zwischen Inline- und Fullscreen-Ansicht; auch das gibt es anderswo nicht. Entwickler erhalten mit Silverlight die Power der .Net-Programmierung mit VB.Net, C# oder einer anderen unterstützten Sprache und brauchen dazu keine neuen Skills zu lernen. Auch der IT-Betrieb profitiert: Windows-Media-Inhalte lassen sich deutlich preisgünstiger streamen als beispielsweise Flash Video.
Das Programmiermodell ist über sämtliche .Net-Varianten konsistent. Punkto Funktionalität stellt Silverlight jedoch ein Subset des vollen .Net-Framework bereit. Support für Hardware-Beschleunigung oder 3D kann Silverlight zum Beispiel nicht bieten. Die Markup-Sprache für die Präsentation ist aber sowohl bei Silverlight als auch bei der herkömmlichen WPF die gleiche, sie basiert auf XAML.
Interoperabiität ist für uns eine Schlüsselpriorität. Nehmen Sie Silverlight als Beispiel: Da bieten wir integrierte Unterstützung für JSON, REST & Co. In Silverlight lässt sich durchs Band mit allen Web-Services-Protokollen arbeiten.
Wer mit Silverlight entwickelt, soll das grösstmögliche Publikum haben. Mit Support für Windows und Mac OS decken wir unserer Meinung nach den Grossteil der installierten Desktop-Basis ab. Als nächstes folgen andere Geräteklassen wie Smartphones. Linux behalten wir zwar im Auge, im Moment hat eine Linux-Version aber nur niedrige Priorität.
Die Zielgruppe von Expression Studio sind Designer, die die «User Experience» für Web- oder konventionelle Client-Anwendungen gestalten. Die Creative Suite von Adobe bringt zum Teil ähnliche Möglichkeiten, ist als Ganzes aber auch auf andere Einsatzgebiete wie Print ausgerichtet, die wir mit Expression Studio nicht abdecken.
Visual Studio und Expression Studio sind und bleiben separate Produktelinien. Beide nutzen aber eine gemeinsame Projektverwaltung und die Markup-Sprache XAML, was die Integration von Design und Entwicklung erleichtert. Vom Lizenzmodell her erhalten MSDN-Abonnenten auch Expression Blend und Expression Web. Abonnenten des Visual Studio Team System können das ganze Experssion Studio nutzen. Wer ausschliesslich als Designer arbeitet, kauft einfach Expression Studio.
Mit Orcas verfolgen wir drei Ziele: Verbesserte Produktivität für die Entwickler, das beste Toolset für unsere neuesten Technologien und Verbesserungen beim Team-Development. Eine der wichtigsten Neuerungen ist das Multi-Targeting: Früher brauchte man für jede .Net-Version eine andere Ausgabe von Visual Studio. Das war mühsam. Mit Orcas verschwindet das – man kann für .Net 2.0, 3.0 oder 3.5 entwickeln. Wir finden, das ist ein Riesenvorteil. Ausserdem wurde das Build-System MSBuild stark verbessert: Es erlaubt nun parallele Builds mehrerer Projekte und unterstützt Mehrprozessormaschinen, so dass der Build-Zyklus viel schneller abläuft.
SQL wird nie verschwinden (lacht). LINQ bringt aber einen merklichen Produktivitätsgewinn: Objekte, relationale Daten und XML-Daten lassen sich direkt in der Programmiersprache, vorerst in VB und C#, auf die gleiche Weise abfragen und manipulieren. Man braucht keine neuen Konstrukte und keine neue Semantik zu lernen. Im Gespräch mit Entwicklern hat sich dies rasch als eines der wichtigsten Orcas-Features herausgestellt.
In der ersten Ausgabe des Team System, die mit Visual Studio 2005 kam, hatten wir drei rollenbasierte Setup-Varianten für Entwickler, Software-Architekten und Tester. Letzten Dezember ist Funktionalität für Datenbankspezialisten hinzugekommen.
In Visual Studio Orcas for Team System sollen nun die Datenbank-Tools besser ins Gesamtsystem integriert werden. Der Team Foundation Server wird besser für grosse Entwicklerteams skalierbar. Drittens erweitern wir die Architekten-Tools in Richtung Top-Down-Design.
Die nächste Visual-Studio-Version läuft unter dem Codenamen «Rosario» und konzentriert sich auf drei Aspekte: Die Kommunikation der Business-Anforderungen an das Entwicklerteam soll so verbessert werden, dass sich aus den Business-Anforderungen konkrete Arbeitsanweisungen an die Entwickler generieren lassen.
Der zweite Kernbereich von Rosario ist das Software-Testing. Wir wollen das, was Visual Studio bisher den Entwicklern gebracht hat, auch den Testern bieten, nämlich eine integrierte Suite von Werkzeugen für die verschiedensten Testmethoden. Dazu gehören auch Tools, mit denen sich die Erfüllung von Compliance-Vorschriften prüfen lässt.
Drittens verfolgen wir mit Rosario unsere grosse Vision einer integrierten Lösung für Entwicklung, IT-Betrieb und Projektmanagement. Heute haben wir dafür unterschiedliche Lösungen – Visual Studio, System Center und Project Server. Jetzt wollen wir die drei Bereiche enger verzahnen. Die Tools sollen eine gemeinsame Sprache sprechen, die gleichen Schemas nutzen – am Ende steht eine komplette End-to-End-Lösung. Bis es soweit ist, kann es fünf, sieben oder zehn Jahre dauern. Mit Rosario tun wir einen ersten Schritt, um die drei Welten zu verbinden.
Das Interview mit Somar Somasegar führte Urs Binder.