Verwirrspiel um UMTS-Moratorium
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/12
Kürzlich war verschiedenen Medienberichten zu entnehmen, dass zwei parlamentarische Initiativen ein UMTS-Moratorium erwirken wollten. Die NIS-Verordnung (Verordnung zur nichtionisierenden Strahlung) soll massiv verschärft, die Anzahl Antennen reduziert und die UMTS-Einführung um mindestens vier Jahre verschoben werden - respektive so lange, bis eine Schweizer Studie vorliegt, die beweist, dass UMTS für die Gesundheit unbedenklich ist, so die Forderungen.
Anstoss zu den Diskussionen gab eine Studie vom holländischen Forschungsinstitut TNO, die bereits vor einem halben Jahr veröffentlicht wurde. Die Studie besagt, dass die Strahlung von UMTS-Netzen deutlich stärkere gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorruft als GSM-Strahlen.
Der Präsident der Kommunikationskommission (ComCom), Fulvio Caccia, weiss nichts von parlamentarischen Vorstössen nach
einem Moratorium, das er auch als eine unverhältnismässige Massnahme erachten würde. «Es gibt ein Postulat von Nationalrätin Ruth Humbel, aber das Wort Moratorium existiert nicht», so Caccia. Vielmehr werde eine Replikation der TNO-Studie verlangt. Obwohl die TNO-Studie ernstgenommen werden müsse, seien die Resultate mit Vorsicht zu geniessen, so Caccia. Denn selbst die an der Studie beteiligten Wissenschaftler seien sehr zurückhaltend und hätten den Bericht nur auf Drängen der Regierung veröffentlicht. «Die Resultate der Studie sind wissenschaftlich gesehen an der Grenze jeder statistischen Aussagekraft», sagt Caccia. Verbindliche wissenschaftliche Ergebnisse gebe es bislang nicht.
Dass hierzulande eine Replikation der TNO-Studie notwendig ist, steht für den ComCom-Präsidenten ausser Frage. So ist denn auch bereits eine Schweizer Studie, die die gesundheitlichen Auswirkungen der UMTS-Strahlung wissenschaftlich untersucht, in Vorbereitung. Federführend ist dabei das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG), beteiligt sind mehrere Ämter wie etwa das Bakom und das Buwal. Ausserdem seien auch die Holländer daran interessiert, an der Replikation teilzunehmen, und das ComCom schliesst eine Teilnahme seinerseits auch nicht aus.
Durchgeführt wird die Studie von der Forschungsstiftung Mobilkommunikation. Egal welche Resultate die Studie schliesslich bringen wird, angesichts der Tatsache, dass die Forschungsstiftung unter anderem auch von Orange, Sunrise und Swisscom mitfinanziert wird, kann jetzt schon davon ausgegangen werden, dass die Gegner die Glaubwürdigkeit anzweifeln werden. Und dies, obwohl die Stiftung von der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht kontrolliert wird und nach
eigenen Angaben dafür einsteht, dass sie unabhängig funktioniert.
Auch innerhalb der Ämter scheint das Säbelrasseln weiterzugehen. So erhielt der ComCom-Präsident Ende April von Buwal-Direktor Philipp Roch einen Brief, worin Roch schreibt, falls die Replikationsstudie die Resultate des TNO-Instituts bestätigen würden, würde sich das Buwal verpflichtet fühlen, vom Bundesrat eine Senkung der Grenzwerte zu verlangen. Ausserdem wurde dem ComCom nahegelegt, auf die Forderung nach einer 50-Prozent-Abdeckung bis Ende Jahr zu verzichten. Das ComCom wird den Brief bis Ende Monat beantworten. Unter anderem wird man erklären, dass man nicht auf die 50-Prozent-Abdeckung verzichten wird. «Dieser Verzicht hätte uns nicht viel gebracht», sagt Caccia, denn auf die Betreiber hätte er kaum Einfluss. Die Swisscom, die mit ihrem UMTS-Netz ab Juli startet, deckt jetzt schon über 70 Prozent der Bevölkerung ab.