Vergleichstest: XPress vs. InDesign

Adobes erster Angriff auf Quarks Publisher-Monopol misslang gründlich, InDesign 2 setzt nun aber den Kontrahenten XPress stark unter Druck.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/22

     

Nachdem Adobe 1999 mit InDesign 1 erfolglos versuchte, in den von Quark beherrschten DTP-Markt vorzudringen, scheint den Südkaliforniern mit InDesign 2 nun der grosse Wurf gelungen zu sein. Die neue Version des Layoutprogramms ist durchdachter, leistungsfähiger und strukturierter sowie auch um ein Vielfaches schneller als seine Vorgänger. Und auch viele der Nachteile gegenüber QuarkXPress sind verschwunden. Es gibt beinahe nichts mehr, das Quark kann, was man in InDesign nicht auch machen könnte. Darüber hinaus bietet die Adobe-Lösung verschiedenste Tools und Funktionen, die in den meisten Fällen weit über das Leistungsvermögen von XPress hinausreichen, zumindest dann, wenn man die vielen XTensions von Drittanbietern ausser acht lässt.


Vielerlei Überraschungen

Unzählige Grafikprofis haben gespannt auf die neuen Versionen XPress Passport 5 und InDesign 2 der beiden DTP-Programme gewartet. Viel wurde im Vorfeld angekündigt, und erfreulicherweise ist vieles davon endlich auch umgesetzt worden.



Was einem bereits beim Auspacken der Software aus dem Hause Quark erfreut, ist die Tatsache, dass der neue Release 5 von XPress, der uns in einer Beta-Version vorlag, endlich wieder ohne Dongle ausgeliefert wird. Enttäuschend dagegen für Mac-User - und das sind wohl die meisten Anwender solcher Softwarepakete -, im Gegensatz zu Adobes InDesign 2 unterstützt XPress 5 nicht den nativen Betrieb in Mac OS X. Eine diesbezügliche Lösung soll zwar in einer nächsten Version 5.5 oder 6 vorliegen, genauere Angaben über das Wo und Wann können aber bisher noch keine gemacht werden. Zwar kann XPress 5 in der klassischen Umgebung von OS X benutzt werden, ist da jedoch langsamer, als es die Vorgängerversion 4 war. Ganz anders nutzt Adobe das neue Betriebssystem von Apple, geht das Arbeiten doch in InDesign 2 unter OS X sogar noch etwas schneller vonstatten als in OS 9.2. Und spätestens seit die Bildbearbeitungssoftware Nummer 1, sprich Adobe Photoshop, in der Version 7 vorliegt und den nativen Betrieb in Mac OS X unterstützt, kann dieser Punkt bereits ein Grund für einen Umstieg von XPress auf InDesign bedeuten.





"Bewährtes" kontra "Neuland"

Während bei InDesign in seiner neuen Ausgabe schon rein optisch zu
sehen ist, dass an der Software viel gearbeitet wurde, bemerken Quarks Jünger erst auf den zweiten Blick, dass auch XPress 5 mit einigen neuen Features daherkommt. Die Benutzeroberfläche hat sich wenig geändert, und die so geliebten Hotkeys und Tastaturkürzel befinden sich noch immer an ihren angestammten Plätzen. Leider muss man für diese angenehme Gewohnheit mit den altbekannten Beschränkungen weiterhin leben. So ist es in XPress 5 zum Beispiel noch immer nicht möglich, mehrere Undo- oder Redo-Schritte durchzuführen, wogegen InDesign in dieser Hinsicht alle Anforderungen erfüllt. Punkto Übersichtlichkeit und Bedienerfreundlichkeit zeigt sich Quarks XPress etwas freundlicher als InDesign. Letztgenannte Applikation verfügt über zu viele (bis 28) Paletten, die sich zwar verschachteln und magnetisch andocken lassen, ein grosser Monitor (mindestens 21 Zoll oder grösser), allenfalls sogar ein Zweitmonitor scheint aber Pflicht zu sein, um vor lauter Paletten das Seitenlayout noch in nützlicher Grösse sehen zu können. Adobe-Illustrator- und Photoshop-Usern werden diese Tools sehr bekannt vorkommen, Neu-Anwender könnten aber von dieser Vielfalt an Paletten eher abgeschreckt werden.





Typografie mit neuem Massstab

Die beinahe schon legendären Typografie-Eigenschaften von XPress waren bis anhin mitverantwortlich für die uneingeschränkte Spitzenposition von Quark im Publishing-Markt. Während man sich in Denver aber auf diesen Lorbeeren auszuruhen scheint und seit 1990 kaum wesentliche Änderungen vorgenommen hat, bietet InDesign in der Version 2 merkliche Verbesserungen und wird wohl zum neuen State-of-the-art in der Typografie-Landschaft. So verfügt InDesign beispielsweise über einen sogenannten Absatzsetzer, der es ermöglicht, Zeilenumbrüche nicht bloss über eine Zeile, sondern über einen ganzen Absatz zu kontrollieren und zu berechnen. Mit Hilfe dieser Umbruchtechnik entfallen in den meisten Fällen unschöne Wortabstände. Auch lässt sich mittels Schieberegler bequem einstellen, ob man mehr Wert auf Wortabstände oder eher weniger Trennungen legt. Das erfreuliche Resultat ist ein sehr ruhig erscheinendes Satzbild. XPress setzt hier auf die neuen Diekmannschen Trennalgorithmen, die bislang aber nur für die neue deutsche Rechtschreibung vorliegen.



Generell bietet InDesign gegenüber XPress weitaus umfangreichere typografische Editier- und Bearbeitungsmöglichkeiten sowie auch Support für OpenType-Schriften. Diese Unterstützung ermöglicht es den Designern und Layoutern, 65'000 Zeichen einer Schrift ansprechen zu können als nur wie bisher 256 Zeichen. Kommt dazu, dass OpenType-Schriften plattformunabhängig sind, was den Datenaustausch von PC zu Mac erheblich vereinfacht.




Auch können in InDesign 2 Schriften flexibler bearbeitet werden, beispielsweise mit transparentem Schattenwurf oder mit Illustrator-basierten Features wie Verzerrung.




Tabelleneditor

Der Tabelleneditor gehört wohl zu den meistverlangten Tools sowohl in XPress wie auch in InDesign. Beide Programme bieten hier eine gute Lösung an. In QuarkXpress Passport 5 gefällt der Tabelleneditor durch seine einfache Handhabung, mit der sich der gewohnte User schon nach kürzester Zeit anfreunden wird. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Erstellung einer Tabelle bei Grafikern ein sofortiges Nasenrümpfen bewirkte. Mit XPress 5 ist es ein leichtes, schöne Tabellen zu erstellen, auch mit Bildintegration. Jede einzelne Zelle oder auch mehrere können mit den von Quark gewohnten Befehlen bearbeitet, modifiziert, eingefärbt oder ausgerichtet werden. Sehr nützlich ist dabei, dass mehrere Zellen in eine Zelle umgewandelt werden können. Ein grosses Manko ist leider, dass XPress keine Tabellen aus Word oder Excel importieren kann, wie dies InDesign beinahe perfekt umsetzt. In InDesign werden sogar schriftspezifische Eigenschaften aus Word/Excel oder deren Einfärbungen mit importiert. Bei umfangreichen Excel-Tabellen kann es aber schon mal vorkommen, dass die Sanduhr ewig dreht und ein Neustart unabdingbar wird. Textspezifisch steht InDesign 2 in der Tabellengestaltung den Denvern in nichts nach und bietet überdies auch die Möglichkeit, mehrseitige Tabellen zu erstellen. Schade nur, dass ein Bild nicht direkt in eine Zelle importiert werden kann. Dies geschieht in InDesign über einen Umweg, indem man ein Bild über die Zelle plaziert und skaliert, dieses dann ausschneidet und mit dem Textwerkzeug in die Zelle einfügt. Etwas umständlich, vor allem, wenn man die sonst sehr guten Bildbearbeitungsmöglichkeiten dieser Software betrachtet.



Dafür versteht es InDesign, die Ursprungsdatei aus Word oder Excel zu überwachen und allfällige darin vorgenommene Änderungen direkt beim nächsten Öffnen des Dokumentes in InDesign per Update-Befehl zu aktualisieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man in der Zwischenzeit in InDesign keine Änderungen am Inhalt der Tabelle vorgenommen hat, diese gehen dabei nämlich verloren. Auch der Export ins Excel- oder Word-Format geht anstandslos über die Bühne.




Die Tabelleneditoren beider Programme dürften die User erfreuen, sind aber noch ausbaufähig. InDesign bietet mehr Einstellmöglichkeiten, mit XPress dagegen kommt man etwas schneller zum Ziel. Dem Manko der fehlenden Importeigenschaften von XPress können Anwenderprofis mit dem "copy-paste"-Befehl etwas entgegenwirken.




Ebenen-, Bild- und Grafikfunktionen

Die Bild- und Grafikfunktionen von XPress unterscheiden sich kaum von denen der älteren Versionen 3 oder 4, ausser dass man nun einen Bildrahmen automatisch an die Bildgrösse anpassen kann. Neu dagegen ist, dass XPress jetzt auch eine Ebenenfunktion zur Verfügung stellt. Diese Ebenen vereinfachen zwar etwas das Layouten bild- und objektintensiver Dokumente, kommen in ihrer Funktion aber bei weitem nicht an jene von InDesign heran.



Adobe hat im Bereich Bild- und Grafikfunktionen weit mehr zugelegt und weist Quark auch hier deutlich in die Schranken. Ein Zauberwort hierzu heisst Transparenzfunktion. So kann man in InDesign 2 beispielsweise einen Bildrahmen automatisch weichzeichnen oder einem Bild einen transparenten Schattenwurf zuordnen. Diese nützlichen Features ersparen so manchen Gang in den Photoshop und beschleunigen den Layoutprozess erheblich. Auch können transparente Bilder, die beispielsweise mit einer Ebenenmaske freigestellt wurden, direkt mit Transparenzmodus ins Layout übernommen werden. Per Ebenenfunktion lässt sich die Deckungskraft von Schatten, weichen Umrandungen oder transparenten, sich überschneidenden Objekten in Adobe-Manier einfach einstellen. Solche sich überlappende Objekte kann InDesign auch sehr gut visualisieren. Vorsicht dagegen ist bei der Ausgabe auf PostScript-Druckern geboten, da selbst Level 3 keine Transparenz verarbeiten kann und daher die Ausgabe in ein flaches PostScript umwandelt. Dies kann allenfalls zu grösseren Qualitätsverlusten führen.




Ein Zückerchen bietet InDesign allen Layout-Handwerkern bei der Bildplazierung. Hat man ein Bild in einen Bildrahmen gesetzt, wird dieses per Mausklick so angezeigt, dass auch die Bilddaten ausserhalb des Bildrahmens in aufgehellter Form sichtbar werden, dies vereinfacht die Wahl eines Bildausschnittes erheblich. Auch betreffend der Bildschirmdarstellung grafischer Elemente zwingt Adobe die Quark-Entwickler in die Knie. Zwar werden in der neuen XPress-Auflage TIFFs etwas farbechter dargestellt als in der Version 4, allerdings nach wie vor nur in 72-dpi-Qualität. InDesign bietet hier ebenfalls die weitaus besseren Darstellungsmöglichkeiten, so lassen sich Bilder in ihrer echten Auflösung darstellen inklusive EPS-Dateien, die bis anhin punkto Feindarstellung eher Probleme verursachten.




Webdesign und HTML-Support

Generell bieten beide Testkandidaten einen formatierungsspezifisch sauberen HTML-Export und -Import an. Quark wartet hier aber mit einer der wesentlichsten Neuerungen in XPress 5 auf. So verfügt XPress neu über ein leistungsfähiges Webdesigntool, das sich sehen lassen kann, und es darf vermutet werden, dass Quark bei der Entwicklung der Version 5 vor allem in dieses Kriterium viel Zeit und Geld investiert hat. Auch ohne grosse HTML-Kenntnisse lassen sich in XPress auf simple Weise einfache Webdesigns erstellen, inklusive nützlicher Features wie Hyperlinks, Rollover-Effekte, Image-Maps, Schaltflächen oder Formulare. Diese Tools sind in einer zusätzlichen Werkzeugleiste angeordnet. Zu jedem Zeitpunkt des Layouts kann via Knopfdruck auf Browseransicht gewechselt werden. Wer also darauf erpicht ist, zusätzlich zu professionellen Printlayouts auch einfache Webpages rasch erstellen zu können, ist mit XPress 5 gut bedient. Der aus dem Layout generierte HTML-Code kommt nicht schlecht daher, erfüllt aber professionellere Anforderungen nicht.



Trotzdem erweist sich dieses Quark-eigene Feature in vielen Fällen als sehr hilfreich und ist endlich mal ein Bestandteil der Software, den Adobe nicht bieten kann. Vom Webdokument per Mausklick ist man zwar nach wie vor noch weit entfernt, eine kleine Annäherung darf man aber den Leuten in Denver ruhig zugestehen.





Druckausgabe und PDF-Export

Frühere InDesign-Versionen verärgerten viele Grafiker und Drucker mit ständig auftretenden, unerklärbaren PostScriptfehlern. Aber auch dieses Manko konnten die Entwickler in San Jose mit der Version 2 erfolgreich beheben. Die Druckdialogbox wurde neu überarbeitet und um ein Vielfaches erweitert, so können jetzt auch druckspezifische Einstellungen unabhängig von Druckertreibern vorgenommen werden. Die Druckausgabe selber ist zuverlässiger geworden und benötigt deutlich weniger Zeit als ein Ausdruck in QuarkXPress.



Als echtes Highlight, das wohl alle Grafikerherzen höher schlagen lässt, kann man InDesigns Druckvorschau bezeichnen, die sogar Überfüllungen fehlerlos anzeigt oder eben auch nichtgewollte Überfüllungen schonungslos aufdeckt.




Immer stärkere Bedeutung kommt dem Export in ein PDF-Format zu. Sei dies nun für ein simples Versenden der Dokumente per Mail, beispielsweise als Gut-zum-Druck, oder in hochauflösender Qualität als Druckvorlage. Hier macht sich Adobe, seines Zeichens auch Erfinder des PDF-Formats, den Heimvorteil zu nutzen. Während sich in XPress nach wie vor PDF-Dateien nur über den Acrobat Distiller oder noch preisintensivere PDF-Erstellungsprogramme realisieren lassen, kommt InDesign ganz ohne fremde Hilfe aus. Ob für Screen-Anwendungen oder in hochauflösender Qualität, InDesign 2 bietet den gewünschten PDF-Export ohne Umwege. Dieser Vorteil schlägt sich auch im Preis nieder, wo das eh schon teurere XPress nach weiteren unabdingbaren Zusatzinvestitionen verlangt. Beide Programme unterstützen Hyperlinks bei der Generierung in ein PDF-Format. XPress bietet die Möglichkeit, auch separierte PDFs zu erzeugen, wogegen InDesign nur Composite-Files in RGB oder CMYK erstellen kann.




Fazit

Quark setzt auch in der neuen Version XPress Passport 5 auf die altbekannten Stärken. So lief denn das Programm während des ganzen Tests auch sehr zuverlässig und in gewohnter Manier. Ein guter Tabelleneditor, ein eigenes Webdesigntool und die nicht ganz befriedigende Ebenenfunktion sind aber wohl zu wenig Innovation, um den erneuten Angriff des Kontrahenten InDesign wiederum so deutlich abzuwehren.




Adobe hat zweifelsohne aus dem Misserfolg seiner Vorgängerversionen gelernt und bietet mit der Version 2 eine mehr als ernstzunehmende Layoutsoftware an. Diverse Funktionen wie Transparenzmodus, sehr gutes Ebenenhandling und beinahe perfekte Typografie-Eigenschaften machen dieses Programm schier zu einem Must. Ob dies reichen wird, die treue Fangemeinde von Quark XPress für einen Umstieg zu bewegen, bleibt aber trotzdem offen. Mit InDesign 2 hat Adobe nun aber sicherlich das Tool dazu.



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