Editorial

Die Krux mit der Fire-and-Forget-Mentalität

Wie Hersteller die Verantwortung abschieben.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/01

     

Seit kurzem habe ich ein neues Notebook mit Windows 2000. Ich bin sehr zufrieden damit. Es ist klein, schnell und der Betrieb auf Achse sehr angenehm. Mit einer Ausnahme:



Mein Nokia Card Phone 2, ein an sich praktisches GSM/HSCSD-Modem im PC-Card-Format, habe ich mit dem Groupwise-E-Mail-Client von Novell, den ich nutzen muss, nicht zum Laufen gebracht. Card Phone und Groupwise funktionieren für sich tadellos, doch miteinander will es nicht klappen - zumindest unter Windows 2000 nicht. Bei Windows 98 ging es noch bestens.




Der geneigte Leser ahnt es: Mein Problem blieb ungelöst. Nicht dass ich der einzige wäre, der es hat: Ich fand bei der Suche im Internet diverse Leidensgenossen. Ich schaute mich auch auf den Support-Sites der beteiligten Hersteller Nokia, Novell und Microsoft um. Doch ausser Kommentaren verärgerter Anwender, wonach das Card Phone unter Windows XP erst recht nicht laufe, fand ich nichts. Ich durfte mich aber mit zum Teil schludrig realisierten Supportseiten abmühen, die mitunter den Eindruck erweckten, dass gewisse Anbieter alles tun, damit die Kunden nicht herausfinden, wie sie echten Kontakt aufnehmen können.


Verantwortung abschieben

Ich blieb hartnäckig. Microsoft konnte mir nicht weiterhelfen, schliesslich gehe es um zwei Produkte anderer Hersteller. Beim Novell-Support bekam ich niemanden ans Telefon, und zahlen wollte ich für meinen Ärger nicht auch noch; das tat schon die IT-Abteilung im Büro, die trotz Support-Vertrag keine sinnvolle Antwort erhielt. Mir blieb nur eine Mail übrig, die nie beantwortet wurde. Nokia wiederum erklärte mir am Telefon umgehend, dass mein "Groupwise-Problem" sie nicht kümmere, da das Card Phone mit dem Internet Explorer ja laufe (andere Handy-Modems funktionieren notabene mit beiden Programmen).



Schweigen, Schultern zucken oder abwimmeln, so lautete das Ergebnis. Inzwischen wird das Card Phone kaum benutzt; ich verwende das T39m von Ericsson. Bedenklich stimmt mich aber nicht, dass mein Problem ungelöst blieb, sondern dass sich keiner der Hersteller dafür nur annähernd interessierte. Fest steht: Mindestens einer hatte bei seiner Software geschlampt, und Microsoft war es wohl nicht. Eigentlich sollte ich mit meiner Branchenerfahrung wissen, dass Anbieter regelmässig Probleme auf mitbeteiligte Hersteller abschieben.





Problemlose Vernetzung gefragt

Doch über kurz oder lang wird dieses Verhalten nicht mehr aufgehen. Ich mag zwar zu jenen Benutzern gehören, die neue IT-Lösungen vor dem Mainstream einsetzen. Doch die Branche wird je länger je mehr davon leben, dass auch die breite Kundschaft ihre Systeme miteinander vernetzt, nicht ständig alles neu kaufen will und von ihren Computern und Kommunikationsgeräten erwartet, dass sie immer mehr Funktionen bieten. Genau dies versuchen uns die Hersteller ja auch zu verkaufen. Das Handy ist nicht mehr nur Telefon, sondern zugleich Instant-, Short- und Mail-Messaging-Client, Adress- und Termin-Datenbank und Modem, das sich mit Notebooks und Handhelds verbinden lassen muss. Betriebssystemen wie Windows kommt derweil eine wachsende Bedeutung als Integrationsplattform zu, an deren Regeln sich die Programmierer der Anwendungsprogramme wiederum gefälligst halten sollten.




Da aber aller Standards zum Trotz Schnittstellen zwischen IT-Produkten nie problemlos sein werden, sollten die Anbieter Mechanismen schaffen und nutzen, um Probleme wie meines zumindest zu eruieren, nötigenfalls gemeinsam. Nur ein solcher Aufwand wird jenes Vertrauen in die Kompatibilität der Informationstechnik schaffen können, damit Kunden nicht weiterhin davon abgeschreckt werden, neue Errungenschaften des Marktes auszuprobieren, weil sie mit ihren bestehenden Geräten nicht funktionieren könnten.



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