Start-up: Gethaip erweckt Oberflächen zum Leben
Quelle: Haip

Start-up: Gethaip erweckt Oberflächen zum Leben

Mit Gethaip hat Haip eine App lanciert, mit der sich Videos mittels Augmented Reality auf analogen Oberflächen abspielen lassen. Das junge Luzerner Start-up nennt es Augmented Storytelling und möchte damit schon bald über die Landesgrenzen hinaus expandieren.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/05

     

Das Start-up Haip mit Sitz in Luzern hat kürzlich sein erstes Produkt lanciert. Gethaip ist eine Augmented-Reality-App, mit der Videos auf physischen Oberflächen platziert werden können. Die Technologie kann beispielsweise genutzt werden, um ein statisches Zeitungsinserat zum Leben zu erwecken. Bereits interessieren sich namhafte Schweizer Unternehmen für die Technologie von Gethaip, um so die Kommunikation mit Kunden dynamischer zu gestalten.

Eine Lösung für die crossmediale Kommunikation

Die Idee zu Gethaip ist ein Kondensat aus den Erfahrungen, die Niklas Jung mit seinem ersten Unternehmen gesammelt hat: «Im Alter von 21 Jahren habe ich mit einem Studienfreund die Videoagentur namens Videodesign.com gegründet, die im Bereich der Erklärvideos beheimatet ist. Mittlerweile haben wir über 4500 Videoprojekte realisiert und sind auch für internationale Kunden tätig, wie beispielsweise Axa, Intel, Nike, Oeko-Tex oder Swatch.»

Bei diesen Projekten haben Niklas Jung und sein Team festgestellt, dass die crossmediale Kommunikation primär via QR-Codes umgesetzt wird. Eine holprige Lösung, wie Jung findet: «In Magazinen, Broschüren oder auf Plakaten lassen sich keine Bewegtbilder einsetzen. Deshalb werden QR-Codes verwendet, die dann auf ein Video, PDF oder eine Landing Page verlinken. Das führt zu einem Bruch zwischen dem physischen und dem digitalen Medium. Der Übergang ist nicht optimal und alles andere als nahtlos.»


QR-Codes, wie sie heute an vielen Orten zu finden sind, stellen laut Jung zwar eine gute Möglichkeit zur Weiterleitung zu Informationen im Internet dar, doch die Interaktion bleibe statisch und unpersönlich. «Scannt man einen QR-Code, findet man sich in der Regel auf einer Webseite mit weiterführenden Informationen wieder, aber dabei bleibt es dann leider auch. Wir haben deshalb nach einer Möglichkeit gesucht, die physische und die digitale Welt miteinander zu verschmelzen, und uns für eine Lösung auf Basis von Augmented Reality entschieden», erklärt Jung.

Mit Gethaip eigenen Hype generieren

Um die Idee umzusetzen hat Niklas Jung im Dezember 2020 eine weitere Firma namens Haip gegründet. Wie der CEO erklärt, leitet sich der Firmenname vom englischen Wort Hype ab: «Bei uns kann jeder ganz einfach einen eigenen Hype erzeugen, und zwar mit einem Haip. Ein Haip ist ein Bild, das auf unserer Plattform hinterlegt wird. Sobald dieses Bild von der AR-App erkannt wird, wird es mit einem Video ersetzt und automatisch auf dem jeweiligen Objekt abgespielt (die Illustration in diesem Artikel ist ein solcher Haip). In unseren Testläufen haben wir festgestellt, dass unsere Technologie bei den Betrachtern einen Wow-Effekt auslöst. Im Gegensatz zu QR-Codes findet keine Weiterleitung auf eine Webseite statt, sondern das Video wird direkt auf dem Gegenstand eingebunden. Dies ermöglicht das Betrachten des Videos aus verschiedenen Winkeln und erzeugt die gewünschte Verschmelzung der digitalen mit der realen Welt.»

Gethaip ist aber nicht bloss AR-Spielerei, sondern richtet sich vornehmlich an Unternehmen, die ihre Zielgruppe mittels moderner Technologie erreichen möchten. «Während wir unseren Kunden mit Videodesign.com die Produktion von Videos anbieten, unterstützen wir sie mit Gethaip auch in der Distribution und Platzierung», freut sich Niklas Jung.


Dem Start-up spielt dabei in die Hände, dass moderne Smartphones über genügend Rechenleistung verfügen, um auch komplexere AR-Anwendungen stemmen zu können. «Unsere Lösung mit AR-Videos wirkt simpel, im Hintergrund ist unsere App jedoch sehr komplex: Alle visuellen Informationen der Smartphone-Kamera werden in Echtzeit analysiert. Sobald ein Haip erfolgreich erkannt wird und das Video platziert ist, werden weitere Faktoren interpoliert. Hierzu zählen die vorhandene Belichtung oder Reflektionen. Nur so kann ein realistischer Effekt gewährleistet und das Tracking von Objekten in Echtzeit ermöglicht werden. Eine gewisse Herausforderung für die Chips von Smartphones», gibt Jung zu bedenken.

Kurze Entwicklungszeit mit agilem Ansatz

Das Team hat deshalb verschiedene AR-Technologien geprüft, um Gethaip zu entwickeln. Glücklicherweise hat sich laut Jung auf diesem Gebiet in letzter Zeit einiges getan. Sowohl Google wie auch Apple investieren viel in die Entwicklung von AR-Applikationen und stellen ausgereifte Plattformen zur Verfügung. «Wir haben sorgfältig und intensiv evaluiert, wo die aktuellen Lösungen an ihre Grenzen stossen, um eine optimale Grundlage für die Entwicklung von spezifischen Funktionen zu erhalten», erklärt Jung.

Die Entwicklung von Gethaip ging zügig voran, denn für Jung stand jeweils ein agiler Ansatz im Vordergrund. Die Idee entstand im August 2020 und schon kurze Zeit später standen ein Prototyp sowie die Webseite für die App bereit. Die Beta-Phase erstreckte sich dann ins laufende Jahr hinein und bereits am 1. März 2021 ging die erste produktive Version von Gethaip live.


Den ersten Prototypen hat das Team zunächst an über 100 Personen getestet. «Selbstverständlich haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, ob am Markt eine entsprechende Nachfrage vorhanden ist,», sagt Jung. Doch Gethaip stiess sofort auf grosses Interesse, nicht nur bei den bestehenden Kunden von Jungs anderem Unternehmen. Den Grund dafür glaubt der Gründer des Start-ups zu kennen: «Werbungen in Printmedien sind eine Black Box, was den Return-on-Investment anbelangt. Die Conversion-Rates von gedruckter Werbung sind nur begrenzt evaluierbar. Mit Gethaip bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, individuelle Verlinkungen zu verwenden, die auf spezifische Landing Pages oder eigene Produktseiten verweisen. So kann die Interaktion mit der Werbung transparent gemessen werden, während gleichzeitig das Branding als innovatives Unternehmen gestärkt wird.»

Die Berechnungen werden allesamt auf dem Endgerät des Nutzers durchgeführt. Die Videos hingegen liegen auf einem Server bei Google in Zürich und werden von dort in Echtzeit gestreamt. Die Ladezeiten liegen dabei im Hundertstelsekundenbereich. Die gesamte Nutzung der App findet anonym statt, denn gemäss Jung werden keine persönliche Nutzerdaten gesammelt.

Augmented Storytelling

Wie Niklas Jung preisgibt, konnte das Start-up bereits erste Projekte umsetzen und ist derzeit mit mehreren namhaften Unternehmen im Gespräch. Dazu zählen auch die beiden grossen Detailhändler Coop und Migros. «Unsere Vision ist es, im Konsumgütersektor weiter Fuss zu fassen und dort Produkten mehr Transparenz zu verleihen. Ein Beispiel: Nimmt man Kaffeebohnen aus dem Regal und richtet die Smartphone-Kamera auf die Verpackung, so sieht man mit Gethaip ein Video zum Anbau des Kaffees beim Bauer in Costa Rica. Gerade im Bereich Nachhaltigkeit wünschen sich Konsumenten mehr Klarheit und Transparenz entlang der Wertschöpfungskette.»

Gethaip will den Kunden einen Mehrwert bieten: «Das Entdecken von Produkten und Marken steht im Vordergrund. Wir nennen dies Augmented Storytelling, eine neue Form der Kommunikation, um Geschichten auf innovative Weise zu erzählen.» Die Einsatzmöglichkeiten für die Technologie von Gethaip sind vielfältig. Jung nennt als Beispiele Messen oder Museen, wo Exponate mittels AR mit spannenden Hintergrundinformationen versehen werden können.


Die Lösung von Gethaip ist insofern speziell, da keine optischen Marker wie QR-Codes verwendet werden müssen. «Bei uns kann jedes beliebige Bild hochgeladen werden. Dies kann beispielsweise die Etikette eines Produktes, ein Artikelbild einer Zeitung oder ein Plakat sein. Dieses Zielbild wird mit dem gewünschten Video verknüpft und fertig ist der eigene Haip», so Jung. Der grosse Vorteil ist laut dem CEO auch, dass man einen Haip jederzeit anpassen kann. Auch im Nachhinein, beispielsweise wenn eine Broschüre bereits gedruckt wurde, Produkte bereits im Umlauf sind oder ein Werbeinserat nachträglich ergänzt werden soll. Das Basisangebot von Gethaip ist für Unternehmen kostenlos. Damit will man die Technologie auch für KMU und Start-up nutzbar machen.

Nächste Entwicklungsschritte mit internationaler Expansion

Momentan benötigt man die Gethaip-App, um Haips zu entdecken. Dies soll sich aber schon bald ändern, wie Niklas Jung verrät: «In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, ein Software Development Kit zur Verfügung zu stellen. Dies erlaubt es unseren Kunden, unsere Technologie in ihre bestehenden Apps zu implementieren und zu verwenden. Das endgültige Ziel ist, die Gethaip-Technologie direkt auf Systemebene zu etablieren. Somit könnte sie direkt über die Kamera des Smartphones genutzt werden, ohne dafür eine separate App herunterzuladen.»

Die Firma Haip besteht derzeit lediglich aus dem Gründer und Inhaber Niklas Jung und einem Team von acht Programmierern, die auf Projektbasis an der Entwicklung beteiligt sind. Mit dem Start-up verfolgt Jung klare Ziele: «Derzeit bin ich damit beschäftigt, die Kundenbasis weiter auszubauen, spezifische Feedbacks zu evaluieren und die Lösung weiter zu optimieren. Im Verlauf von diesem und nächstem Jahr wird eine erste Finanzierungsrunde durchgeführt. Darüber hinaus haben wir einen umfassenden Backlog an Ideen, die wir zeitnah umsetzen möchten. Die AR-Technologie hat ein enormes Potenzial und wir befinden uns aktuell erst am Anfang der vielfältigen Möglichkeiten.»


Bereits denkt der Unternehmer Jung auch an die Expansion von Gethaip über die Landesgrenzen hinaus: «In den nächsten Monaten möchten wir nach Deutschland und Österreich expandieren. Gethaip ist als Marke eingetragen und die Domain Gethaip.com aktiv im Einsatz. Wir sind international ausgerichtet und unsere Lösung ist Sprachen-unabhängig. Das Ziel ist denn auch, in den nächsten ein bis zwei Jahren in ganz Europa und auch darüber hinaus tätig zu sein.» (luc)


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