CIO-Interview: «Das Wichtigste ist, den Konsens zu finden»
Quelle: OIZ

CIO-Interview: «Das Wichtigste ist, den Konsens zu finden»

Werner Breinlinger kümmert sich zusammen mit seinen Mitarbeitern um die IT der Stadt Zürich – von der Finanzverwaltung bis hin zum Spital Triemli.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2016/04

     

Swiss IT Magazine: Herr Breinlinger, was macht die OIZ?
Werner Breinlinger:
Die Organisation und Informatik, kurz OIZ, ist eine Dienstabteilung der Stadtverwaltung Zürich und zuständig für sämtliche IT-Belange der rund 28’000 Mitarbeitenden in den über 60 Organisationseinheiten der Stadt Zürich. Dazu gehören nebst den bekannten Teilen der Kernverwaltung wie etwa der Finanzverwaltung oder der Polizei auch die beiden Stadtspitäler Triemli und Waid, Schutz und Rettung, die Verkehrsbetriebe VBZ und die Elektrizitätswerke EWZ. Unsere Aufgaben sind sehr vielfältig und technisch orientiert.


Und die OIZ stellt für alle, inklusive Spitäler, die IT-Infrastruktur zur Verfügung?
Genau. In unseren Rechenzentren betreiben wir sämtliche Applikationen aller Dienstabteilungen der Stadt Zürich. Die IT der Stadt Zürich ist sehr zentral aufgestellt. Das ist auch der grosse Unterschied zu den Kollegen beispielsweise aus Bern oder Basel.

Welche Verantwortung übernimmt die OIZ in diesem breiten Feld?
Es gibt eine Aufgabenteilung zwischen der OIZ und den Departementen und Dienstabteilungen. Was die OIZ grundsätzlich für die gesamte Stadtverwaltung macht, ist die Bereitstellung der Infrastruktur. Das heisst Computerarbeitsplätze, Netzwerk, Server, Storage und Security werden von uns zur Verfügung gestellt. Ebenfalls betreuen wir sämtliche Querschnittsapplikationen wie den Internet-Auftritt und die E-Government-Applikationen, das städtische Intranet, SAP, das Dokumenten-Management-System und die Office-Anwendungen. Zusätzlich stellen wir auch spezielle Fachapplikationen wie beispielsweise diejenige für die Einwohner- und Fremdenkontrolle bereit. Daneben gibt es in den Organisationseinheiten Spezialanwendungen wie etwa beim EWZ für das Energiedatenmanagement. Diese laufen zwar infrastrukturell in der OIZ, werden also von uns betrieben und gepatcht, aber die funktionale Betreuung liegt bei den Fachabteilungen.


Können Sie in groben Zügen erklären, wie die Infrastruktur der OIZ aufgebaut ist und was die Eckpfeiler dieser Infrastruktur sind?
Wir haben zwei sehr moderne Rechenzentren. Das eine ist das 2012 eröffnete Zentrum an der Albisriederstrasse und das andere steht im Hagenholz in Oerlikon. Die Rechenzentren beinhalten etwa 4200 Server, wovon 90 Prozent virtualisiert sind. Mit unserem Netz erschliessen wir die rund 500 Standorte der Stadtverwaltung. Hinzu kommt die Workplace-Umgebung, die über die ganze Stadt verteilt ist. Wir sprechen hier von 19’000 PC-Arbeitsplätzen und 3800 Multifunktionsgeräten in der Stadtverwaltung und 8400 Computerarbeitsplätzen in den Schulen.

Mit wie vielen Mitarbeitenden nehmen Sie diese Aufgaben wahr und wie sind die strukturiert?
Die Organisation und Informatik der Stadt Zürich beschäftigt 380 Mitarbeitende, die in drei grosse Bereiche unterteilt sind. Die Mitarbeitenden des ersten Bereichs sind verantwortlich für die Anliegen unserer Kunden, den Dienstabteilungen. Zusätzlich sind sie für Betrieb und Weiterentwicklung der Querschnittsapplikationen zuständig. Der Infrastruktur-Bereich ist für den Betrieb der Rechenzentren, für das Hosting und das Netz, die Überwachung und den Service Desk verantwortlich. Die dritte grosse Abteilung kümmert sich um alle Belange des Workplace, diese enthält auch die Druckerflotte und die Schulinformatik. Die grösste Herausforderung für all diese Bereiche ist die Heterogenität der Stadtverwaltung.

Wie zeigt sich diese Heterogenität?
Die beiden Stadtspitäler haben natürlich komplett andere Bedürfnisse als das EWZ, das Steueramt, die Finanzverwaltung oder die Schulen. Die grosse Herausforderung insbesondere im Work-place-Bereich ist es, so zu standardisieren, dass man auf der einen Seite Synergien erreichen und auf der anderen Seite die speziellen Bedürfnisse der einzelnen Dienstabteilungen abdecken kann. Das ist uns ziemlich gut gelungen. Die 19’000 Arbeitsplätze sehen alle gleich aus und sind mit identischen Thin- oder Fat-Clients ausgestattet. Was natürlich nicht überall gleich ist, ist die Software, die auf den Clients läuft. Gewisse Abteilungen benötigen Spezialsoftware, welche andere wiederum nicht brauchen.


In den Rechenzentren läuft nur Infrastruktur der Stadt Zürich?
Nein. Die Stadt hat 2009 in der Volksabstimmung versprochen, dass wir die Reservefläche der Rechenzentren an Drittmieter abgeben, solange diese nicht von uns gebraucht werden. So werden Teile unserer Rechenzentren auch von Banken benutzt.

Arbeiten Sie auch mit externen Dienstleistern zusammen?
Wir nutzen externe Dienstleister einerseits – je nach Ressourcensituation, die wir haben – wie eine verlängerte Werkbank im operativen Bereich. Andererseits muss die OIZ in gewissen Projekten Spezialwissen von Externen einkaufen. Typischerweise kommen die Dienstleister im Bereich Applikationsentwicklung zum Einsatz. Es kann aber auch eine Nachfrage infrastruktureller Art von unserer Seite bestehen.

Wie und mit was für Dienstleistern arbeitet die OIZ zusammen?
Projekte werden gemäss den Vorgaben des Submissionsrechts ausgeschrieben. Das geht ganz normal über Pflichtenheft, Ausschreibung, Angebot, Vergabe, Publikation und Stadtratsbeschluss. Im Bereich der IT-Dienstleistungen ist es etwas anders. Da machen wir Ausschreibungen für verschiedene IT-Profile. Normalerweise schreiben wir solche Profile alle vier Jahre aus und pro Profil bekommen wir mehrere Angebote. Daraus wählen wir dann nach definierten Kriterien, wie Preis und Verfügbarkeit, aus. Die besten fünf bis acht Dienstleister erhalten dann den Zuschlag und je nach Bedarf werden an diese Aufträge vergeben.


Ist dieses Prozedere nicht manchmal mühsam? Würden Sie manchmal nicht lieber einfach mit einem Dienstleister zusammenarbeiten, von dem Sie wissen, dass es funktioniert?
Wir arbeiten auch so nur mit Dienstleistern zusammen, von denen wir wissen, dass sie das nötige Know-how haben. Diese Evaluation ist Teil des Submissionsprozesses. Und falls es mal nicht funktionieren sollte, kann man den Anbieter auch mal wechseln. Darum haben wir auch jeweils mehrere Dienstleister, an die wir Aufträge vergeben können. Aber natürlich ist das Ausschreibungsverfahren manchmal etwas mühsam.

Als Sie vor gut drei Jahren Ihre Stelle als Chef der OIZ angetreten haben, hiess es, dass Sie die OIZ in eine Phase der Konsolidierung führen sollen. Ist die Konsolidierungsphase inzwischen abgeschlossen und was wurde alles konsolidiert?
Die IT der Stadtverwaltung war bis 2006 sehr heterogen aufgestellt und es gab relativ grosse und autonome IT-Abteilungen in den einzelnen Dienstabteilungen. Die OIZ gab es zwar, aber im Prinzip stand es den Dienstabteilungen frei, mit der OIZ zusammenzuarbeiten oder nicht. Es war damals auch so, dass wir über 50 verschiedene Klein- und Kleinst-Rechenzentren innerhalb der Stadtverwaltung hatten. Dann haben wir 2006/2007 zusammen mit allen Beteiligten eine IT-Strategie entwickelt, die eine zentralisierte IT-Infrastruktur vorsieht. Das war ein grosser Schritt. In der Umsetzung der Strategie begannen wir, die städtische Informatik da zu standardisieren und zu zentralisieren, wo es Sinn macht: Die stadtweiten Applikationen und die gesamte Infrastruktur inklusive des Workplaces wird durch die OIZ zur Verfügung gestellt, die Fach-IT in den Dienstabteilungen betreut und entwickelt die Fachapplikationen. Dazu kam der Aufbau der Infrastruktur, im Wesentlichen die beiden neuen Rechenzentren. Ziel der ganzen Restrukturierung war es, die IT-Kosten einzudämmen. Als ich Ende 2012 Direktor wurde, waren die grossen Veränderungen durch. In den letzten drei Jahren ging es darum, die neu aufgestellte städtische Informatik zu festigen. Parallel dazu haben wir zahlreiche neue Projekte in Angriff genommen, die vom Volumen her natürlich kleiner sind als die Umsetzung der IT-Strategie.

Hatte dieser Umbau auch eine personelle Bedeutung für die OIZ?
Ja. Die OIZ ist in dieser Zeit von 180 auf 380 Mitarbeitende gewachsen. Viele Spezialisten aus den Organisationseinheiten wechselten bei der Umsetzung der IT-Strategie zur OIZ. Organisatorisch war das eine enorme Herausforderung.

Können Sie etwas zu den aktuellsten und wichtigsten Projekten sagen, mit denen sich die OIZ im Moment beschäftigt?
Da gehört sicherlich das neue Bettenhaus im Spital Triemli dazu, für das wir die ganze IT-Infrastruktur inklusive Telefonie bereitgestellt haben. Dann sind wir dabei, einen zentralen Kreditoren-Workflow zu implementieren, was vor allem organisatorisch eine besondere Herausforderung ist. Wir sprechen hier von täglich Tausenden von Rechnungen, die es in einen zentralen, digitalen Workflow einzubinden gilt. Mit dem Projekt Secure Mobile Integration sind wir dabei, den sicheren Datenzugriff über die mobilen Endgeräten der Mitarbeitenden zu ermöglichen. Entscheidender Faktor ist bei diesem Projekt die IT-Security.


Ich kann mir vorstellen, dass Ihr Job bei der Stadt und das Konstrukt der OIZ gewisse Vorteile mit sich bringt, aber sicher auch gewisse Nachteile. Können Sie das so unterschreiben und wenn ja, wo liegen die Vor- und Nachteile gegenüber einer vergleichbaren Position in der Privatwirtschaft?
Die technischen Herausforderungen sind bei uns und in der Privatwirtschaft die gleichen. Es geht um Digitalisierung, Flexibilität und die Anforderungen der Kunden. Dies immer unter Berücksichtigung eines beschränkten Budgets. Der Unterschied ist vielleicht, dass bei uns die Budgetgutsprache für die IT nicht durch einen Vorstand oder den Aufsichtsrat gemacht wird, sondern durch politische Gremien. Das sind bei uns der Stadt- oder der Gemeinderat. Da reden natürlich mehrere Personen mit und man kann relativ schnell unter politischen Druck gelangen. Zudem wird grosser Wert darauf gelegt, dass wir formaljuristisch alles korrekt abwickeln – hier ist die OIZ unter besonders genauer Beobachtung der Aufsichtsbehörden. Das kann eine Herausforderung sein, vor allem, wenn eine schnelle Reaktion verlangt ist.

Normalerweise ist ein CIO immer einem CEO, CFO oder Verwaltungsrat unterstellt. An wen rapportieren Sie?
Ich rapportiere an Stadtrat Daniel Leupi, den Finanzvorstand der Stadt Zürich. Dessen Position ist vergleichbar mit einer CFO-Stelle.

Wie ist das IT-Verständnis von dieser Stelle?
Das Verständnis und das Interesse für die Informatik innerhalb des Stadtrates ist da. Ein gutes Beispiel ist die IT-Delegation. Sie besteht neben vier städtischen Direktoren auch aus vier Stadträten und berät monatlich über IT-Vorhaben der Stadt Zürich. Das zeigt die hohe Priorisierung der Informatik beim Stadtrat.


Gibt es ein Projekt, das unter Ihrer Führung umgesetzt wurde und auf das Sie besonders stolz sind?
Hervorheben kann ich Projekte wie das angesprochene Bettenhaus des Triemli-
Spitals oder die SAP-Umstellung des HR-Systems. Erwähnen kann ich auch das Projekt Omega – die Einführung einer neuen Software für die Einwohner- und Fremdenkontrolle, die garantiert, dass alle Ämter mit den richtigen Einwohnerdaten und den notwendigen Attributen versorgt werden.

Wo sind Sie an Ihre Grenzen gestossen und was würde Sie als die grösste Herausforderung der letzten paar Jahre bezeichnen?
Mitunter die grösste Herausforderung und gleichzeitig das Wichtigste ist, den Konsens zu finden zwischen den Anforderungen der Dienstabteilungen und der Arbeit der IT der Stadt Zürich. Dafür zu sorgen, dass zusammengearbeitet wird und nicht Eigeninteressen verfolgt werden, das beschäftigt mich. Zudem ist es als Chef der IT in der Stadtverwaltung auch eine Herausforderung, gute Mitarbeitende zu finden.

Wie finden Sie gute Leute?
Dank einer offenen und transparenten Kultur und dank flexibler Arbeitsbedingungen, die wir bieten können. Man muss einem Informatiker ein Umfeld bieten können, in dem er sich wohlfühlt. Dazu muss man ihm Herausforderungen bieten und ihm vertrauen. Wenn diese Komponenten gegeben sind, ist es zwar immer noch schwierig, sie zu rekrutieren. Aber wenn sie einmal rekrutiert sind, ist die Fluktuation bei uns relativ gering, auch weil wir versuchen, die Mitarbeiter zu entwickeln und zu fördern.


Was ist denn der Stolperstein bei der Rekrutierung? Das Image?
Nein, eher das Geld. Zumindest im Kaderbereich.

Ist Fachkräftemangel ein Thema beim OIZ?
Das ist ein schweizweites Thema. Und in gewissen Fachbereichen auch bei uns.

Wie lösen Sie das?
Wir bilden 30 Lernende aus und engagieren uns als Stadt Zürich bei Massnahmen gegen den IT-Fachkräftemangel. Aber in gewissen Bereichen geht es nicht anders, als sich mit Externen zu behelfen.

Haben Sie das Gefühl, dass die 28’000 Angestellten der Stadt die Arbeit der OIZ schätzen?
Ja, das Image der IT innerhalb der Stadtverwaltung ist gut. Alle zwei Jahre machen wir eine Mitarbeiterumfrage. Seit Einführung der IT-Strategie 2007 nimmt die Zufriedenheit stets zu.

Was sind Ihre Ziele bei der OIZ?
Informatik soll in der Stadtverwaltung überall dort eingesetzt werden, wo sie die Qualität des Outputs steigern und einen Effizenzgewinn erreichen kann. Daran orientiere ich mich in meiner Arbeit und in der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in den verschiedenen Organisationseinheiten der Stadt Zürich. (asp)

Kommentare
Der Konsens in der IT Welt wird wohl eher schwierig zu finden sein. Speziell da es bei den Finanzierungen letztendlich immer ums EGO geht. Somit ist der Konsens ausgeschlossen. Es gibt immer nur eine kleine Gruppe an gewinnern. Wer etwas anderes ausprobieren möchte kann hier den Konsens finden.
Freitag, 2. September 2016, Andreas Breitenauer



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