Wenn Zeit zur Währung wird
Quelle: Timerepublik

Wenn Zeit zur Währung wird

Auf der Plattform des Schweizer Start-ups Timerepublik bezieht man Dienstleistungen gegen Zeit statt Geld. Der globale Dienst beruht auf dem Konzept von Zeitbanken.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/07

     

Die Spüle ist kaputt, das Portemonnaie leer und die handwerkliche Begabung nicht vorhanden. Nichtsdestotrotz muss die Spüle repariert werden. Was für Optionen bleiben einem in solch einem Fall? Die Lösung des in Lugano ansässigen Start-ups Timerepublik lautet Zeitbanken. Auf seiner Plattform bietet Timerepublik den Nutzern die Möglichkeit, Dienste gegen Zeit statt Geld zu beziehen. Im Fall einer kaputten Spüle beispielsweise, macht man sich auf der Plattform auf die Suche nach einem Anwender, der als eines seiner Talente Sanitär angegeben hat und schreibt diesen via den im Dienst integrierten Chat an. Hat der Angeschriebene Zeit, überweist man ihm nach Erledigung des Jobs von seinem User-Konto genau die Anzahl an Stunden, die dieser für den Service benötigt hat. Mit den gewonnen Stunden kann der Sanitär seinerseits eine Dienstleistung eines Mitglieds der Community beziehen.

Über 300 Seiten zur Entwicklung

«Die Idee für Timerepublik kam uns vor mehr als zehn Jahren. Durch eine Fernsehsendung hörten wir zum ersten Mal von Zeitbanken», erinnern sich die Timerepublik-Gründer Karim Varini und Gabriele Donati. «Damals schloss man die Deals noch in einem Gebäude. Wir waren überzeugt, dass Zeitbanken in Verbindung mit dem Internet ein mächtiges Instrument werden könnten.» Da soziale Netzwerke damals aber noch praktisch in-existent waren, liessen die beiden Gründer ihre Idee vorerst etwas ruhen. Vor zwei Jahren entschieden sie dann, die Zeit sei reif.
Varini und Donati machten sich auf den Weg nach Padua. Dort kannten sie drei Entwickler, von denen sie sich Hilfe erhofften. Diese liessen sich auch tatsächlich für Timerepublik begeistern. Sie erklärten jedoch, dass sie die Designs der Seiten aller Use Cases benötigten, die in den Dienst integriert werden sollten. Erst dann könnten sie mit der Umsetzung der Plattform starten. «Ich war bereits als Grafik-Designer tätig, weshalb ich mich sofort hinter meinen Schreibtisch gesetzt und an die Arbeit gemacht habe. In den nächsten Monaten entwarf ich mehr als 300 Seiten», erklärt Donati.

Dank Le Web zu Aufmerksamkeit

Nebst dieser ersten Hürde standen die Timerepublik-Väter vor allem vor der Herausforderung, genug Geld für den Aufbau ihrer Firma zu beschaffen. «Zum Glück kommt Karim Varini aus dem Finanzsektor und hat dadurch Erfahrung darin, eine Idee zu verkaufen», weiss Donati zu schätzen. Die Schwierigkeit, die Leute von Timerepublik zu überzeugen, liege darin, dass das Konzept der Zeitbanken noch relativ unbekannt und dadurch nicht ganz leicht zu vermitteln sei. Dennoch gelang es den beiden mit der Unterstützung von Familienmitgliedern und Freunden in einer ersten Finanzierungsrunde eine Summe von 240’000 Franken zusammenzutragen.
Auch heute – das Unternehmen hat gerade die zweite Finanzierungsrunde abgeschlossen – spielt die Geldfrage noch immer eine tragende Rolle. So erklärt Varini: «Timerepublik zählt rund zehn Mitarbeiter. Für ihre Arbeit entlohnt werden derzeit aber nur die drei Vollzeit angestellten Entwickler.» Ein wichtiger Meilenstein für Timerepublik war daher die Qualifikation für die Top-16 des Wettbewerbs Le Web in London, im Rahmen dessen das beste neu gegründete Unternehmen 2013 gekürt wurde. «Auch wenn wir den Wettbewerb nicht für uns entscheiden konnten, so war die Teilnahme doch ein Gewinn für uns», führt Varini aus. «Wir hatten die Gelegenheit, unser Netzwerk auszubauen. Vielleicht findet sich unter den neuen Bekanntschaften auch ein grosser Investor für unsere dritte und letzte Finanzierungsrunde.» Zudem sei durch die entstandene Aufmerksamkeit die Zahl der täglichen Registrationen um beinahe das Doppelte angestiegen.

Mit drei Komponenten zum Gewinn

Um mit Timerepublik Gewinne erzielen und sich damit schlussendlich selbst finanzieren zu können, setzt das Unternehmen auf drei Komponenten. Einerseits will man Werbende durch die Möglichkeit der gezielten Einschränkung des Publikums locken, dem sogenannten Targeting. Andererseits setzt das Start-up auf Data Sales, wo die Mitglieder an Head Hunters vermittelt werden. «Wir führen demnächst zusätzlich das Modul My Project ein. Es handelt sich dabei um built-in Co-Working Spaces», erklärt Donati. Die letzte Komponente stellt der Verkauf von Premium-Paketen der Apps für iOS und Android dar, die in den nächsten Monaten auf den Markt kommen sollen.
Obwohl Timerepublik einen Monat nach dem Launch der Plattform im Mai bereits eine Nutzerzahl von 3000 Personen aus über 50 Ländern ausweist, gibt sich das Start-up noch lange nicht zufrieden. Rund 75 Prozent dieser Anwender stammen nämlich derzeit aus Italien, dem UK, den USA und der Schweiz. Das Ziel sei jedoch die globale Marktführung im Bereich der Zeitbanken. Varini ist überzeugt, dieses Ziel erreichen zu können, denn: «Andere Firmen setzen zwar auf das gleiche Konzept wie wir, sind aber nicht global unterwegs. Dies verschafft uns einen zeitlichen Vorsprung. Die Geschichte hat gezeigt, dass es für den Erfolg eines Start-ups vorab wichtig ist, das erste seiner Art zu sein.» (af)


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