Alte Website ade: Strategien zum Ausbau

Vom Firmenprospekt zur dynamischen Site – drei Webagenturen präsentieren ihre Lösung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/36

     

Die statische Firmenprospekt-Website ist out - drei, vier Seiten mit den Elementarangaben über das Unternehmen bringen die Maus des Surfers heute kaum mehr zum Tanzen. Dennoch bilden genau solche Sites nach wie vor den Löwenanteil aller existierenden Webinhalte. Vor allem kleinere Unternehmen scheinen den Aufwand oft zu scheuen, den der Ausbau des Online-Informationsangebots mit sich bringt - und vergessen dabei, dass nur eine oft besuchte Website eine profitable Website ist.


Verschiedene Varianten

Eine der wesentlichen Eigenschaften der effektvollen Webpräsenz: Das Informationsangebot ist stets auf dem aktuellsten Stand. Damit nicht für jede Änderung ein Webdesigner den HTML-Code von Hand anpassen muss, bieten sich mehrere Varianten zur dynamischen Erstellung von Webinhalten an: Am meisten Flexibilität bietet die Eigenentwicklung einer Serverapplikation mit Hilfe von Technologien wie ASP, JSP, PHP oder eines Applikationsservers. Rasch umsetzen lassen sich auch fixfertige Webapplikationen, etwa für einen Newsticker, oder eine CMS- bzw. E-Commerce-Lösung. Jede Variante hat allerdings ihre Vor- und Nachteile (siehe Tabelle in der Print-Ausgabe).



Die Wahl der geeigneten Methode hängt weiter von verschiedenen Faktoren ab:




• Kosten für Software und Arbeit,





• zeitlicher Aufwand für die Implementierung,




• Notwendigkeit des Beizugs externer Consulting- und Webentwicklungsfirmen,




• vorhandenes oder fehlendes internes Know-how,




• Umfang und Lebensdauer der Inhalte,




• Art der Pflege (zentral oder dezentral),




• Grad der Verknüpfung mit den internen Businessprozessen und Workflows.


Die Ausgangslage

Wir sind mehrere Webagenturen mit der Bitte angegangen, ihre Lösung für die folgende Problemstellung grob zu skizzieren: Ein KMU mit 50 bis 100 Mitarbeitern aus dem Handels- oder Industriebereich und einem Produkteportfolio von höchstens einigen hundert Artikeln, hatte bisher eine statische Website vom Typ "Firmenprospekt". Nun möchte das Unternehmen seinen Auftritt neu gestalten und gleichzeitig erweitern.



In einer ersten Phase sollen die angebotenen Produkte mit detaillierten Angaben auf der Site ständig à jour gehalten werden. Dazu soll ein regelmässig an alle Interessenten verschickter Newsletter kommen.




Das Unternehmen rechnet mit einem starken Wachstum und möchte die neue Website daraufhin ausrichten; Ziel: Man will nicht schon in zwei Jahren wiederum alles neu implementieren. Man plant darüber hinaus auch, die Site mit zusätzlichen Funktionen auszustatten und den eigenen Mitarbeitern als Intranet-Informationsplattform anzubieten. Dies alles soll jedoch nicht schon jetzt, sondern erst in einer zweiten Phase geschehen. Für die aktuell gefragte Lösung sind in erster Linie die Anforderungen der ersten Phase entscheidend.



Als Budgetrahmen für Konzeption, Implementation und allfällige Softwarelizenzen haben wir 50'000 Franken angegeben. Im folgenden präsentieren wir die Lösungsansätze der Agenturen, die uns geantwortet haben - eine zwar nicht repräsentative, aber interessante Auswahl von Agenturen unterschiedlichen Kalibers.




Crealogix: Nicht interessiert

Am Beispiel des international tätigen IT-Unternehmens Crealogix zeigt sich, dass ein bekannter Name für kleinere Webprojekte aus dem KMU-Bereich nicht unbedingt die korrekte Wahl sein muss. Crealogix-CEO Bruno Richle: "Wir haben zwar die Wurzeln im Webbereich, konzipieren und realisieren jedoch schon seit einigen Jahren fast ausschliesslich Webapplikationen nahe an den Kernprozessen für grössere Unternehmen." Folgerichtig empfiehlt Crealogix Firmen, die mit einem Projekt im Stil unseres Beispiels anklopfen, "sich eine besser geeignete kleine Webagentur zu suchen". Ähnliche Argumente dürften verschiedene andere unter den "Grossen" dazu gebracht haben, auf unsere Anfrage trotz mehrmaliger Erinnerung gar nicht erst zu antworten.





Aseantic: CMS ist Trumpf

Eine der Spezialitäten des Full-Service-IT-Dienstleisters Aseantic mit Hauptsitz in Biel und Filiale im Zürcher Mediapark ist nach wie vor die Konzeption und Realisierung von Websites für Unternehmen aller Grössen.



Communication Director und Partner Artur P. Schmidt empfiehlt im KMU-Bereich generell den Einsatz eines Content-Management-Systems: "Dies ermöglicht dem KMU einen wirksameren Informationsfluss im gesamten Unternehmen. Die Mitarbeiter in den Fachabteilungen können den Content sehr einfach erfassen, ohne auf die Unterstützung durch eine interne IT-Abteilung oder einen externen Anbieter angewiesen zu sein."




Dies gilt, nachdem die Lösung erst einmal implementiert ist - bei der Einführung des Systems greift das KMU, so Schmidt, mit Vorteil auf externe Kräfte zurück: "Wenn ein Unternehmen interne Ressourcen hat, kann ein CMS auch von diesen angepasst werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es für die Template-Entwicklung ratsam ist, externe IT-Dienstleister hinzuzuziehen."




Webvision: CMS-Lösung notwendig

Auch die Zürcher Agentur Webvision (Referenzen unter anderem Zoo Zürich, Migros-Partyservice und Bio-Strath) setzt auf Content Management, ohne jedoch ein bestimmtes Produkt zu bevorzugen: "Aufgrund des geschilderten Anforderungsprofils ist eine CMS-Lösung notwendig", führt Webvision-Partner Laurent Wirz an, und weiter: "Eine Portallösung ist je nach Angebot oder Firmenstruktur sinnvoll, aber nicht Voraussetzung. Sofern sich die Produkte dazu eignen, kann auch ein Online-Shop Sinn machen - er hilft, Personal für die Bestellannahme einzusparen, und lässt sich zu einem späteren Zeitpunkt in die Betriebsabläufe integrieren."





Nextron: Differenzierte Szenarien

Martin Häfliger, Mitglied der Geschäftsleitung der Basler Nextron Internet Team GmbH, die unter anderem für so bekannte Sites wie das Online-Portal der Stadt Basel mybasel.ch verantwortlich zeichnet, differenziert aus seiner Erfahrung mit Updates von KMU-Websites zwischen zwei Szenarien, die im Groben unserer Fragestellung entsprechen, aber nach unterschiedlichen Lösungen rufen:




Variante 1: Der Grossteil der Unterhaltsarbeiten findet in der Produktedatenbank und beim Newsletter-Versand statt. Änderungen im statischen Bereich - allgemeine Angaben zur Firma, Koordinaten, Feedback-Formulare und so weiter - gibt es nur sehr selten. Die Verwaltung der Website erfolgt zentral in einer bestimmten Abteilung, oft durch einen einzigen Mitarbeiter. Die Website wird voraussichtlich in zwei Jahren mit zusätzlichen, zum jetzigen Zeitpunkt unbekannten Funktionalitäten erweitert; zusätzlich wird ein Intranet implementiert. Ein Beispiel für diese Variante ist www.freemobil.ch, die Site eines KMU der Möbelbranche (Produktekatelog mit 700 Positionen realisiert als individuelle ColdFusion-Lösung mit MS-SQL-Server).





Variante 2: Zusätzlich zur Produktedatenbank und dem Newsletter-Versand möchte das Unternehmen selbständig den Internetauftritt mit einzelnen Seiten und Funktionen erweitern. Auch die "statischen" Bereiche ändern oft. Zudem sind mehrere Abteilungen in die Website involviert, und der Unterhalt wird auch an die einzelnen Abteilungen delegiert (dezentrale Verwaltung). Beispiel: Die Site des Basellandschaftlichen Kantonsspitals Bruderholz www.ksbh.ch mit etwa 200 Seiten, die von verschiedenen Abteilungen gepflegt werden - Basis ist das Nextron-eigene CMS-Produkt Creatix, das ebenfalls auf ColdFusion aufsetzt.



Bei der ersten Variante sieht Häfliger eine einfache Lösung: "Zum jetzigen Zeitpunkt benötigt der Kunde kein komplexes Content-Management-System. Das Risiko, sich jetzt für ein CMS zu entscheiden, das dann vielleicht in zwei Jahren benötigt wird, ist zu hoch: Das Produkt wird dannzumal schon veraltet sein, oder vielleicht gibt es das Produkt gar nicht mehr. Betriebswirtschaftlich gesehen, wird Geld in eine Lösung investiert, die noch gar nicht benötigt wird - Kapital ist blockiert, Return-on-Investment fehlt."



Die Argumente von Häfliger scheinen uns durchaus stichhaltig; das Fazit aus solchen Überlegungen: Auch wenn ein zusätzlicher Ausbau der Site schon am gedanklichen Horizont erscheint, sollte sich das kostenbewusste KMU mit den oben erwähnten Bedürfnissen keine Luxuslösung aufschwatzen lassen.



Bei der zweiten Variante mit dezentralem Informations-Update lässt sich ein CMS nicht nur, wie Häfliger anmerkt, rechtfertigen, es ist sogar die einzige praktikable Lösung - aber auch hier gilt es, zwischen kostengünstigen, KMU-geeigneten Produkten und völlig überrissenen Angeboten zu unterscheiden.


Kosten im Rahmen

Die Budget-Prognosen der Anbieter decken sich weitgehend - für eine CMS-Implementation im KMU-Bereich setzt Nextron das eigene Produkt Creatix ein, mit typischen Kosten zwischen 25'000 und 40'000 Franken, dazu kommen jährliche Betriebskosten von 3000 Franken, die zum Teil durch das Update der CMS-Software verursacht werden.



Bei Aseantic rechnet man für eine CMS-Integration auf Basis von Online Manager mit Kosten von "weniger als 30'000 bis 50'000 Franken" - aber, so Schmidt: "Der Appetit kommt mit dem Essen. Der Betrag ist abhängig von den gewünschten Funktionalitäten; oft entstehen auf Seiten des Auftraggebers zusätzliche Anforderungen, die das benötigte Budget auch erhöhen können."




Laurent Wirz relativiert etwas: "Ob 50'000 Franken genug sind, ist von der Agentur und den eingesetzten Technologien abhängig. Bei klaren Zukunftsaussichten betreffend der Weiterentwicklung lohnen sich höhere Anfangsinvestitionen. Beim vorgegebenen Budget dagegen kommt am besten eine Lösung mit einem günstigen Basistool zum Zug, die später nach Bedarf erweitert werden kann. Dann fliesst beim Initialprojekt nicht zuviel Geld in die Technologie."



Für die einfache Variante mit datenbankgeneriertem Produktekatalog und Newsletter-Tool rechnet Martin Häfliger mit einem Gesamtbudget zwischen 10'000 und 20'000 Franken - deutlich weniger als für ein CMS. Ein Grossteil der Kosten fällt hier für die eigentliche Informationsauf0bereitung an; das Einscannen von Fotos und die Redaktion und Formatierung der Basistexte verursachen die meiste Arbeit.




Technologie: Von Anfang an gleich richtig

Automatisch generierten Webseiten liegt stets eine Datenbank zugrunde. Der Markt bietet hier verschiedene Möglichkeiten von einfachen Desktop-Lösungen wie Access und Filemaker bis zu transaktionsorientierten Hochleistungsdatenbanken wie Oracle oder SQL Server. Welche Technologie macht für eine KMU-Website Sinn - soll man klein beginnen und später nachrüsten oder gleich von Anfang an auf einen gestandenen Datenbankserver setzen?



Auch hier sind sich die Agenturen einig: "Man sollte von Anfang an auf skalierbare relationale Datenbanken setzen", davon ist Schmidt überzeugt. Häfliger merkt zwar an, "grundsätzlich kann dem Unternehmen das Datenbankformat egal sein - es ist abhängig von der Agentur, welche die Applikation entwickelt und vom Hosting-Provider, der die Website dann hostet". Nextron setzt je nach Hosting-Plattform auf die Datenbanksysteme MySQL (für Linux-Systeme und PHP-Anwendungen) oder Microsofts SQL-Server (ColdFusion- und ASP-Applikationen). Diese beiden Datenbanken gehören laut Häfliger auch zum Standardangebot jedes guten Hosting-Anbieters.




Der Hauptnachteil von Access-Datenbanken gegenüber dem grossen Bruder SQL-Server: Access-Datenbanken benötigen zu viel Systemressourcen, da Access eigentlich gar nicht für den Multiuserbetrieb konzipiert ist. Bei Nextron werden denn auch alle Kundendaten, die im Access-Format angeliefert werden, sogleich nach SQL-Server migriert. "Das bisher verwendete Datenbankformat ist nicht relevant. Mit Hilfe von Import/Exportroutinen lassen sich die Datenbanken recht einfach umwandeln."



Oracle empfiehlt Häfliger nur bei wirklich grossen Datenmengen, die bei einem Katalog von einigen hundert Produkten mit Sicherheit nicht anfallen. "Bei den meisten Websites wäre der Einsatz von Oracle Overkill, zudem bieten nur wenige Hoster Oracle-Hosting an."



Filemaker andereseits sei "kein Internet-Standard" und werde nur von wenigen Hostern unterstützt. Sinnvoll sieht Häfliger den Filemaker-Einsatz nur "bei wenigen Mac-Anwendungen". Die Praxis zeigt denn auch, dass Filemaker-basierte Online-Anwendungen für wirklich kleine Projekte durchaus geeignet sind; höheren Besucherfrequenzen genügt die Datenbank-Engine des Produkts jedoch nicht. Dies sieht auch Webvision-Partner Wirz: "Falls die Daten bereits in Filemaker oder Access vorhanden sind, ist eine einfache, jedoch zeitlich beschränkt einsetzbare Lösung möglich. Die Filemaker-basierte Site ist dann vielleicht zwei Jahre lang brauchbar und muss danach von einer fortschrittlicheren Technologie abgelöst werden." Fazit: "Schon zu Beginn auf eine relationale Datenbank setzen, um Investitionen zu schützen und Kosten zu splitten." Wirz empfiehlt ganz besonders die Kombination MySQL und PHP - sie sei kostengünstig, unabhängig und portabel.




Intern oder extern?

Sowohl bei der Implementierung als auch beim Hosting stellt sich die Frage, ob man mit internen oder externen Kräften arbeiten soll. Es kommt nicht ganz überraschend, dass die Agenturen vehement für den Beizug unternehmensfremder Hilfe plädieren, dies jedoch nicht ohne stichhaltige Argumente: Für die Programmierung der Applikationen und die Implementierung der Site werden Ressourcen und Know-how einmalig und kurzfristig benötigt, danach nicht mehr. Häfliger: "Es ist betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll, für etwas Nichtperiodisches sich solche Ressourcen im Betrieb anzueignen."



Auch das Know-how aus der Implementierung wird für die Pflege der Inhalte nicht mehr gebraucht und liegt brach. Deshalb, so Häfliger, "empfehle ich, die komplette Erstellung von der visuellen Gestaltung über die Programmierung der Applikationen bis zur Umsetzung der Inhalte einer Agentur zu überlassen. Diese Aktivitäten gehören zudem auch nicht zu den Kernkompetenzen der Firma."




Wirz empfiehlt aus Gründen des Know-hows, der Objektivität und der nötigen Distanz zum Betrieb ebenfalls, das Projekt mit einer externen Firma abzuwickeln. Aber er betont zusätzlich, dass die Projektgruppe unbedingt durch eine kompetente interne Begleitung ergänzt werden muss: "Mit Vorteil ist die intern verantwortliche Person vom Projektbeginn an anwesend - sie kennt dann auch die Zukunftsaussichten und kann die Site weiterentwickeln." Ohne internes Know-how, so Wirz weiter, kann sich der Projektablauf massiv verzögern.



"Mit Vorteil extern" gilt auch für den Betrieb des Webservers: Bei jedem anständigen Hosting-Anbieter steht von der Anbindung ans Internet-Backbone über das Know-how punkto Serverbetrieb bis zur unterbrechungsfreien Stromversorgung eine professionellere Infrastruktur zur Verfügung, als sie im KMU mit vertretbarem finanziellem Aufwand realisierbar wäre. Beim Hosting sind die Kosten geringer, die Performance ist meist besser, und der reibungslose Betrieb rund um die Uhr ist gewährleistet - nötigenfalls sogar via Service Level Agreement.



Betrachtet man den Budgetrahmen für KMU-Websites, leuchten die Argumente von Häfliger zusätzlich ein: Die zehn- bis zwanzigtausend Franken für eine einfache Website schwinden nur schon für einen einzigen Mitarbeiter, der bei einer Eigenentwicklung eingestellt werden müsste, rasch aus dem Firmenportemonnaie. Eine günstigere Alternative wäre einzig, einen bestehenden Mitarbeiter zu verpflichten, der die Site so nebenbei als Hobby erstellt - dann aber kommt mit einiger Wahrscheinlichkeit die ganze Online-Präsenz hobbymässig heraus.



Zudem in der Print-Ausgabe: Die Konzepte im Vergleich



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