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Beschaffung von ­IT-Dienstleistungen im Zeitalter von AI
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Beschaffung von ­IT-Dienstleistungen im Zeitalter von AI

Die Beschaffung von IT-Dienstleistungen und insbesondere von AI-Tools oder -Integrationen ist weit mehr als ein klassischer Einkaufsvorgang. Nur wer den Beschaffungsprozess strategisch angeht, schafft die Grundlage für Effizienz, Compliance und nachhaltige Wertschöpfung.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/10

     

Die Beschaffung von IT-Dienstleistungen hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Während Unternehmen früher meist punktuell Software einkauften oder einzelne Outsourcing-Projekte umsetzten, stehen sie aktuell vor der Aufgabe, ein dauerhaftes Ökosystem an IT-Dienstleistungen zu orchestrieren. Mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz (AI) hat sich die Komplexität noch einmal deutlich erhöht. AI-Tools und -Plattformen sind nicht einfach Standardsoftware – sie müssen in bestehende Prozesslandschaften integriert, auf Datenschutz und Compliance geprüft und kontinuierlich weiterentwickelt werden.


Die Erfahrungen aus zahlreichen Beschaffungsprojekten zeigen: Gerade bei AI-Tools ist eine systematische Vorgehensweise entscheidend, um Risiken zu vermeiden und den Mehrwert zu maximieren. Die Daten für den vorliegenden Artikel stammen von zahlreichen Beschaffungsprojekten über den Beschaffungshub Gryps, aus denen sich ablesen lässt, wie Unternehmen ihre Anforderungen formulieren, Anbieter evaluieren und Projekte realisieren.

Der Paradigmenwechsel bei IT-Beschaffungen

Die klassische IT-Beschaffung war lange von klar definierten Kriterien geprägt: Funktionalität, Kosten, Integrationsfähigkeit und Support. Mit AI-Lösungen kommen neue Dimensionen hinzu:

- Trainingsdaten & Datenqualität: Entscheidend für die Performance von AI-Tools ist, wie sie mit unternehmensspezifischen Daten umgehen.

- Regulatorik & Compliance: Insbesondere in stark regulierten Branchen (Finanzwesen, Healthcare, öffentliche Hand) ist Transparenz der Algorithmen und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen zentral.

- Skalierbarkeit & Flexibilität: Viele AI-Lösungen starten als Pilot. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ein späterer Rollout technisch und lizenzrechtlich machbar bleibt.

- Ethik & Vertrauen: Gerade in der Kundeninteraktion darf der Einsatz von AI nicht zu Vertrauensverlust führen.

Typische Stolpersteine

Aus der Praxis von Gryps lassen sich typische Stolpersteine identifizieren, die Unternehmen bei der Auswahl und Einführung von AI-Tools beachten müssen. Oft zu beobachten ist zuweilen eine unklare Zieldefinition – viele Projekte starten mit dem Wunsch, «etwas mit AI» zu machen. Aber ohne klare Businessziele drohen einem Unternehmen Fehlinvestitionen. Weiter entfaltet Künstliche Intelligenz ihren wahren Wert erst dann, wenn sie nahtlos in die Prozesslandschaft integriert wird. Eine klare Sicht auf die zentralen Unternehmensprozesse ist bei der Integration von KI einer der wichtigsten Faktoren überhaupt.


Ein weiterer Fallstrick ist, dass die Anbieterlandschaft gerne unterschätzt wird – der Markt für AI-Software ist dynamisch, fragmentiert und international. Es lohnt sich also, die Suche nach der passenden Lösung als Investition zu sehen, statt sich für den erstbesten Anbieter zu entscheiden. Zuletzt sind auch die Vertrags- und Lizenzmodelle genau zu beachten: AI-Tools basieren häufig auf Pay-per-Use- oder Subskriptionsmodellen und müssen damit bei den laufenden Kosten berücksichtigt werden.
Best Practices für die Beschaffung von AI-Tools

Aus den Erfahrungen mit zahlreichen Projekten lässt sich damit eine Reihe von Best Practices ableiten:

Strategische Verankerung: AI-Initiativen sollten nicht isoliert im IT-Bereich angesiedelt sein, sondern klar in die Unternehmensstrategie eingebettet werden. Nur so lassen sich Ressourcen, Budgets und Verantwortlichkeiten nachhaltig sichern.

Proof of Concept mit klaren KPIs: Ein PoC ermöglicht es, die Leistungsfähigkeit und den Nutzen eines AI-Tools unter realen Bedingungen zu testen. Entscheidend ist, bereits im Vorfeld messbare Kriterien wie Genauigkeit, Bearbeitungszeit oder Kosteneinsparungen festzulegen.

Vendor Management als kontinuierlicher Prozess: Da sich Anbieterlandschaften und Lizenzmodelle schnell ändern, sollten Unternehmen ihre Partnerbeziehungen regelmässig überprüfen. Ein aktives Vendor Management hilft, Abhängigkeiten zu vermeiden, Innovationen frühzeitig zu nutzen und bessere Vertragskonditionen auszuhandeln.

Transparenz in der Beschaffung: Eine strukturierte Ausschreibung mit klar definierten Anforderungen erleichtert die Vergleichbarkeit der Angebote. Vergleichsplattformen unterstützen dabei, den Markt systematisch zu durchleuchten und die passenden Anbieter effizient zu identifizieren.

Change Management: Die Einführung von AI-Tools verändert Arbeitsabläufe und Rollen. Nur wenn Mitarbeitende rechtzeitig einbezogen und geschult werden, lassen sich Akzeptanzprobleme vermeiden und die Potenziale der Technologie voll ausschöpfen.

Die Integration in Prozesslandschaften ist der Erfolgsfaktor Nummer eins

Wie bereits erwähnt, ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren die Integration von AI-Tools in die bestehende Prozesslandschaft. Während klassische Software oft standardisierte Schnittstellen bot, sind AI-Lösungen stärker auf Datenflüsse angewiesen. Die Integration umfasst damit drei zentrale Punkte: Die technische Integration, die organisatorische Integration sowie kontinuierliches Monitoring.

Hierzu ein Beispiel aus der Praxis der KI-Tool-Beschaffung eines Schweizer Versicherungs-Brokers: Dieser wollte ein AI-gestütztes Tool zur automatischen Dokumentenklassifikation einführen. Erst während des Beschaffungsprozesses stellte sich heraus, dass die Integration in die bestehende Archivlandschaft und die Einhaltung der FINMA-Vorgaben weitaus komplexer sind als die eigentliche Tool-Beschaffung. Die Lösung bestand dann darin, den Beschaffungsprozess zweistufig zu gestalten. Zuerst wurde in einem Proof of Concept die technische Machbarkeit geprüft, parallel dazu die regulatorischen Anforderungen mit einem auf Versicherungs-Compliance spezialisierten Anwalt abgestimmt. So konnte der Broker sicherstellen, dass das Tool nicht nur funktioniert, sondern auch regulatorisch abgesichert in die produktive Umgebung integriert werden konnte.

Chancen und Besonderheiten im Schweizer Markt

Die Beschaffung von IT-Dienstleistungen ist längst nicht mehr nur eine Supportfunktion – sie wird zunehmend zum Innovationsmotor. Wer es schafft, AI-Tools strukturiert zu evaluieren, passend zu integrieren und kontinuierlich weiterzuentwickeln, verschafft sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Die Erfahrungen aus zahlreichen Beschaffungsprojekten zeigen: Unternehmen, die den Beschaffungsprozess professionell aufsetzen, profitieren nicht nur von besserer Kostenkontrolle, sondern vor allem von höherer Innovationsgeschwindigkeit. Denn am Ende entscheidet nicht die Technologie allein, sondern die Fähigkeit, sie sinnvoll in die eigenen Prozesse einzubetten.


Die Schweiz zeigt im internationalen Vergleich einige Besonderheiten in der Beschaffung von AI-Tools:

Hohe Anforderungen an Datenschutz und Compliance: Schweizer Unternehmen agieren in einem Umfeld, in dem der Schutz sensibler Daten einen besonders hohen Stellenwert hat. Das gilt nicht nur für Banken und Versicherungen, sondern zunehmend auch für KMU, die Kundendaten, Forschungsdaten oder interne Betriebsinformationen nutzen. Entsprechend sind AI-Tools nur dann akzeptabel, wenn sie höchste Standards bei Datensicherheit, Verschlüsselung und Nachvollziehbarkeit einhalten. Anbieter, die diese Anforderungen transparent erfüllen, haben auf dem Schweizer Markt klare Wettbewerbsvorteile.

Starker Fokus auf KMU: Die Schweizer Unternehmenslandschaft ist stark von KMU geprägt. Diese verfügen in der Regel über begrenzte IT-Budgets und benötigen pragmatische, einfach implementierbare Lösungen mit kalkulierbaren Kosten. AI-Tools müssen daher modular, skalierbar und nutzerfreundlich sein. Beschaffungsplattformen helfen insbesondere KMU, Markttransparenz zu gewinnen und Lösungen zu identifizieren, die ihren Anforderungen gerecht werden.

Vertrauen in lokale Anbieter: Ein weiterer Faktor ist das hohe Vertrauen in Anbieter mit lokaler Verankerung. Schweizer Unternehmen bevorzugen Partner, die Datenhaltung in der Schweiz garantieren und die Regulierungen kennen. Lokale Anbieter können mit Nähe, Sprachkompetenz und branchenspezifischem Know-how punkten – und verschaffen sich damit einen Vorsprung gegenüber internationalen Wettbewerbern. Das eröffnet Chancen für Schweizer Softwareunternehmen, sich mit spezialisierten AI-Lösungen nicht nur national, sondern auch international erfolgreich zu positionieren.

Die Beschaffung von AI-Tools ist kein reiner IT-Einkauf, sondern ein komplexer, strategischer Prozess. Unternehmen müssen technische, organisatorische und regulatorische Aspekte gleichermassen berücksichtigen. Strukturiertes Vorgehen, klare Zieldefinition und konsequente Prozessintegration sind die Schlüsselfaktoren.

Der Autor


Urs Gysling ist CEO und Mitinhaber des Schweizer Beschaffungshubs Gryps. Zuvor trieb er als Verlagsleiter, unter anderem der Buch-Editionen, im Ringier-Medienkonzern die Online-Verkäufe durch laufende Optimierungen im E-Commerce an. Gryps vereinfacht die Unternehmensbeschaffung – digital, unabhängig und persönlich. Die Schweizer Plattform für Outsourcing und betriebliche Beschaffung besteht aus mehr als 1500 geprüften Anbietern in den Bereichen IT, Finanzen, Versicherungen, Human Resources, Marketing, Immo-Services und Infrastruktur.


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