Der Markt für gebrauchte Software ist in Europa längst etabliert. Seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von 2012 steht fest: Unbefristete Softwarelizenzen dürfen nach ihrem Erstverkauf weiterveräussert werden. Eine Zustimmung des Herstellers ist nicht nötig. Damit ist der rechtliche Rahmen klar – und Unternehmen können von einem Markt profitieren, der rechtssicher und wirtschaftlich attraktiv ist.
Gerade für KMU eröffnet das Spielräume. Wer Software gebraucht kauft, zahlt nur einmal, kann die Kosten abschreiben und die Anwendung so lange nutzen, wie er möchte – ob im eigenen Rechenzentrum oder als BYOL (Bring your own Licence) in einer Cloud der Wahl. Damit sind gebrauchte Lizenzen eine kostengünstige Alternative zum Neukauf. Gleichzeitig stärken sie die digitale Souveränität, weil sie Stabilität und Planbarkeit bieten. Während Cloud-Abonnements oft mit intransparenten Kosten und wachsender Herstellerabhängigkeit verbunden sind, bilden gebrauchte Lizenzen ein verlässliches Fundament – auch in hybriden Modellen.
Gebrauchte Lizenzen im Alltag: Ein- und Verkauf im KMU
Wie der Markt in der Praxis funktioniert, zeigt sich am Ein- und Verkauf gebrauchter Lizenzen. Im Kern geht es um Nutzungsrechte, die ein Ersterwerber rechtmässig gekauft hat und später «weiterveräussert». Für Unternehmen bedeutet das: Der Käufer erwirbt dieselben Rechte wie beim Neukauf – nur eben zu deutlich niedrigeren Kosten – und kann die Software so lange einsetzen, wie er möchte.
Beim Einkauf gebrauchter Software kommt es für den Käufer, also Unternehmen und Behörden, vor allem auf eine lückenlose Nachweiskette an. Seriöse Händler dokumentieren den ursprünglichen Erwerb, die Deinstallation beim Vorbesitzer und die rechtssichere Übertragung. Vertrauliche Originalverträge müssen dabei nicht direkt offengelegt werden. Sicherheit entsteht durch Testate von Wirtschaftsprüfern mit besonderen Berufspflichten und verbindliche Eigenerklärungen des Händlers sowie Haftungsfreistellungen inklusive Vermögensschadenhaftpflicht zugunsten des Käufers. Auch formale Nachweise wie Handelsregisterauszüge oder Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Finanzamt und Sozialversicherungsträger tragen dazu bei, die Seriosität eines Anbieters einzuschätzen.
Wer Lizenzen an Händler veräussert, muss spiegelbildlich belegen, dass sie bestehen und nicht mehr genutzt werden. Typische Nachweise sind Rechnungen, Bestellbestätigungen, Vernichtungserklärungen, Verträge und Produktkeys. Bei grösseren und komplexen Lizenzpaketen entsteht allerdings eine besondere Herausforderung: Die Nachweiskette umfasst zahlreiche Unterlagen, die nicht an beliebig viele Nacherwerber weitergegeben werden sollten.
So zeigt sich: Ob beim Kauf oder beim Verkauf – klare Strukturen, vollständige Nachweise und die sorgfältige Wahl eines seriösen Partners sind die Grundlage, damit der Gebrauchtmarkt zu einem echten Gewinn für Unternehmen wird.
Rechtliche Einordnung – klar geregelter Markt
Der Handel mit gebrauchter Software ist in Europa rechtlich eindeutig zulässig. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2012 ist klargestellt: Das Verbreitungsrecht des Herstellers erschöpft sich mit dem Erstverkauf einer unbefristeten Lizenz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Linie bestätigt. Eine Zustimmung des Herstellers ist nicht erforderlich.
Für Käufer bedeutet das: Eine gebrauchte Lizenz ist einer Neulizenz rechtlich gleichgestellt. Entscheidend ist, dass die Lizenz ursprünglich im EWR verkauft wurde, unbefristet ist und vom Vorbesitzer nicht mehr genutzt wird.
Überzogene Offenlegungspflichten gibt es nicht. Weder EuGH noch BGH verlangen die Vorlage sämtlicher Originalverträge. In der Praxis genügen Eigenerklärungen der Anbieter, Haftungsfreistellungen und – wo nötig – neutrale Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer. Das schützt vertrauliche Informationen und macht die Rechtekette zugleich auditfest.
Damit ist klar: Gebrauchte Software bewegt sich nicht in einer Grauzone, sondern in einem eindeutig geregelten und sicheren Markt, der KMU wirtschaftliche Vorteile und mehr Unabhängigkeit verschafft.
Mehr Wert, weniger Risiko: Vorteile und Grenzen
Der finanzielle Vorteil gebrauchter Software ist offensichtlich. Einsparungen von zwanzig bis fünfzig Prozent gegenüber Neulizenzen sind realistisch, auch bei den aktuellsten Versionen. Für KMU bedeutet dies eine spürbare Entlastung der Budgets und mehr Spielraum für Investitionen. Hinzu kommt die Flexibilität. Über den Gebrauchtmarkt können Unternehmen – neben ganz aktuellen Versionen – gezielt auch ältere Versionen beschaffen, die vom Hersteller längst nicht mehr angeboten, im Betrieb aber weiterhin benötigt werden. Gleichzeitig entsteht ein Gegengewicht zu Abonnementmodellen, deren Kosten mittelfristig schwer kalkulierbar sind, etwa infolge regelmässiger Erhöhungen.
Je nach Softwarehersteller ist es zudem wichtig, dass der Gebrauchtsoftwarepartner mit Anbietern von Third-Party-Support wie Origina oder Spinnaker kooperiert. So können zum Beispiel VMware-Kunden, die auf gebrauchte Lizenzen setzen, unabhängigen Support für ihre Virtualisierungs-Software beziehen und sind nicht länger etwa an Broadcoms Bedingungen gebunden.
Auditdruck entzaubert: Nachweise dosieren, Anbieter klug wählen
Auch Software-Audits werden in manchen Unternehmen noch als Bedrohung empfunden. Doch wer die Lizenzbedingungen erfüllt und die Erwerbskette nachvollziehbar dokumentiert, hat keinen Grund zur Sorge. Eine pauschale Offenlegung aller Originalverträge ist nicht nötig – und oft sogar riskant. Sinnvoller ist es, Nachweise abgestuft vorzulegen, etwa durch Händlerbestätigungen oder unabhängige Wirtschaftsprüfertestate.
Die Wahl des Anbieters spielt hier eine Schlüsselrolle. Seriöse Partner erklären die relevanten Lizenzbestimmungen, sichern Mangelfreiheit vertraglich zu und dokumentieren die Rechtekette vollständig. Es empfiehlt sich eine genaue Prüfung der Händler, ob und welche Erfahrungen sie bei der Begleitung von Audits gemacht haben und welche Qualifikationen hierfür im Unternehmen vorliegen.
Wer darüber hinaus Haftungsfreistellungen gibt oder Unterlagen bei einem Wirtschaftsprüfer hinterlegt, schafft zusätzliches Vertrauen. Angebote ohne nachvollziehbare Herkunft gehören konsequent aussortiert.
So verliert der gefühlte Auditdruck seine Schärfe. Mit klarer Dokumentation und verlässlichen und erfahrenen Partnern behalten KMU die Kontrolle – und vermeiden, dass Prüfungen zum Risiko werden.
Abo-Welle versus Kaufrecht: die Zukunft gebrauchter Software
Cloud-Dienste und Abonnements haben unbestritten Stärken – vor allem bei schwankenden Lasten und hochintegrierten Services. Doch für viele KMU sind sie zugleich mit wachsenden Kosten, steigender Komplexität und grösserer Abhängigkeit verbunden.
Unbefristete On-Premises-Lizenzen setzen hier den notwendigen Gegenpol. Sie sichern planbare Kosten, sind unabhängig von Herstellerentscheidungen nutzbar und lassen sich in hybride Modelle einfügen. Sensible oder stabile Anwendungen laufen auf eigener Infrastruktur, während die Cloud dort genutzt wird, wo sie tatsächlich Mehrwert bringt.
Für viele Unternehmen spielt inzwischen auch digitale Souveränität eine zentrale Rolle. Sie wollen sich nicht allein auf die Strategien internationaler Anbieter verlassen. Der Kauf unbefristeter Lizenzen, die auch weiterveräussert werden dürfen, stärkt diese Unabhängigkeit. Damit ist klar: Gebrauchtsoftware ist kein Auslaufmodell, sondern ein zukunftsfähiges Werkzeug in einer IT-Welt, die im Softwarebereich zunehmend von Abos dominiert wird.
Pragmatismus statt Ideologie
Gebrauchte Software ist für KMU eine wirtschaftlich wie rechtlich abgesicherte Option (siehe Textbox). Sie bietet dieselben Nutzungsrechte wie beim Neukauf, aber zu deutlich geringeren Kosten. Zudem behalten Unternehmen die Kontrolle: Sie können Lizenzen so lange nutzen, wie sie möchten, und sie bei Bedarf auch wieder verkaufen. Das macht gebrauchte Software zu einem Hebel für Wirtschaftlichkeit und digitale Souveränität.
Es geht nicht um Ideologie, sondern um Pragmatismus. Wer seinen Bedarf kennt, die Rechtekette dokumentiert und mit seriösen Partnern arbeitet, profitiert doppelt: durch Einsparungen und durch mehr Unabhängigkeit von Herstellerstrategien. In einer IT-Landschaft, die von Cloud- und Abo-Modellen geprägt ist, bleibt «gebraucht» ein starkes Instrument, um Kosten zu kontrollieren und souverän zu handeln.
Der Autor
Andreas E. Thyen ist Präsident des Verwaltungsrats des Gebrauchtsoftware-Händlers
Lizenzdirekt. Dank rund 20 Jahren in führenden Positionen auf dem Gebrauchtsoftware-Markt gilt er heute als Branchenvertreter und leidenschaftlicher Fürsprecher und Vordenker. Die Lizenzdirekt-Gruppe ist einer der führenden europäischen Händler gebrauchter Softwarelizenzen. Das Unternehmen mit Standorten in der Schweiz, Österreich, Frankreich sowie Deutschland kauft und verkauft Volumenlizenzen für Unternehmenssoftware und Betriebssysteme in den Segmenten Geschäftskunden und Behörden.