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Digital Trust - Präzision, Verlässlichkeit, Sicherheit - ­typisch Schweiz

Von Prof. Dr. Bettina Schneider und Prof. Dr. Petra Maria Asprion

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2025/06

     

Unsere Welt ist im Wandel – rasant, komplex, digital. Inmitten globaler Umbrüche zeigt sich eines deutlich: Wer in der digitalen Zukunft mitspielen will, muss heute die richtigen Weichen stellen. Die Schweiz, bekannt für Präzision, Verlässlichkeit und Innovationsgeist, ist genau auf diesem Weg. Im globalen Ranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit des renommierten IMD belegt die Schweiz 2024 den starken zweiten Platz1) – dank Spitzenwerten in den Bereichen Wissen, Technologie und Zukunftsfähigkeit. Die Botschaft ist klar: Die Schweiz ist bereit, eine führende Digitalnation zu werden.

Geschäftshandlungen und Beziehungen verlagern sich immer schneller in den digitalen Raum. Das Bundesamt für Statistik zeigt in einer aktuellen Studie, dass die Schweizer Bevölkerung das Internet mindestes einmal pro Woche nutzt2). Die Schweiz liegt somit über dem europäischen Durchschnitt der Internetanwendung. Auch der Bundesrat setzt ein starkes Zeichen: Mit «Digitale Schweiz 2025» wird eine Vision aufgezeichnet und ein klares «Digital First» ausgerufen – mit dem Ziel, die Schweiz möglichst weit vorn im globalen Wettstreit um Innovation und digitale Wettbewerbsfähigkeit zu positionieren3).


Jetzt sind wir mitten im Thema: «Digital Trust» – also Vertrauen und Sicherheit im digitalen Raum – ist die Grundlage jeder erfolgreichen digitalen Wirtschaft. Denn wenn Menschen sich online unsicher fühlen oder den neuen digitalen Angeboten grundsätzlich misstrauen, bleibt die Technologie links liegen – egal wie smart sie ist4).

Die elektronische Identität (e-ID) steht exemplarisch für die gesellschaftspolitische Komplexität der digitalen Transformation: Sie soll Schweizer Bürger:innen und berechtigten Personen eine rechtssichere und datenschutzkonforme Online-Identifikation ermöglichen. Doch hinter der vordergründig rein technischen Funktionalität verbirgt sich eine tiefgreifende Herausforderung: der Aufbau und Erhalt digitalen Vertrauens in einem sensiblen Bereich staatlicher Souveränität. Hier treffen technologische Innovation, Datenschutz, demokratische Legitimation und gesellschaftliches Vertrauen aufeinander – ein Spannungsfeld, das keine Fehler verzeiht5).

Digital Trust – Wer trägt die Verantwortung?

Eine Befragung von Entscheidungsträger:innen durchgeführt von ISACA6) zeigt, dass ein hohes Mass an Vertrauen in die digitalen Angebote und Geschäftstätigkeiten mit einer höheren Reputation, höherer Kundenloyalität und letztlich höheren Umsätzen für Unternehmen einhergeht. Verlässlichere Daten sowie weniger Datenschutzverletzungen und Cybersicherheitsvorfälle sind weitere positive Effekte.

Digital Trust ist heute für jede Organisation und jedes Unternehmen – einschliesslich KMU – von entscheidender Bedeutung. Der Schlüssel liegt, wie so oft, im richtigen Mass: Während nahezu jedes Unternehmen heute vollständig von einer funktionierenden IT-Infrastruktur abhängt, kann ein (fast) blindes Vertrauen ebenso riskant sein wie das Fehlen von Vertrauen. Ein exemplarisches Beispiel hierfür ist die Abächerli Media AG aus dem Kanton Obwalden, die im März 2025 ihre Insolvenz bekannt gab. Der hohe Vertrauensvorschuss in den externen IT-Dienstleister und insbesondere eine mangelhafte Wahrnehmung der eigenen Verantwortung führten dazu, dass sich das Unternehmen nach einem IT-Ausfall im Jahr 2022 nicht von den finanziellen Folgen erholen konnte.7)


Doch was genau versteht man unter Digital Trust? Handelt es sich dabei nur um «alten Wein in neuen Schläuchen»8) , um ein wiederaufgewärmtes Konzept, das unter einem neuen Namen verkauft wird?

Digital Trust – Ansätze und relevante Akteure

Digital Trust wird wie folgt definiert: «Vertrauen in die Integrität der Be­ziehungen, Interaktionen und Transaktionen zwischen Anbietern und Verbrauchern innerhalb eines verbundenen digitalen Ökosystems»6). ISACA, ein anerkannter, global und lokal agierender Verband mit Expertise rund um sichere digitale Daten, entwickelte einen interessanten Ansatz: Digitales Vertrauen soll aus organisatorischer Perspektive als vierdimensionales Ökosystem betrachtet werden, welches sowohl Menschen, Organisationen, Prozesse, Technologien als auch die Beziehungen zwischen den vier Dimensionen berücksichtigt. Hervorzuheben ist die Betonung der Beziehungen – digitales Vertrauen soll nicht isoliert pro Dimension, sondern durch verlässliche Interaktionen innerhalb dieses Gefüges etabliert werden9).

Relevante Fragen, die sich für Organisationen aus ISACAs Ansatz ableiten:


1. Wer sind die Stakeholder in unserem Ökosystem?
Darunter werden Mitarbeitende, aber auch Kunden, Lieferanten, Drittparteien, Technologieprovider oder Behörden subsummiert.

2. Welche Beziehungen zu den Stakeholdern gibt es?
Egal ob Business-to-Customer (B2C), Business-to-Business (B2B) oder Peer-to-Peer (P2P) – die Beziehungen umfassen zum Beispiel den Austausch von Waren, Geld oder Information in Form von digitalen Daten.

3. Welche digitalen Medien unterstützen unsere Beziehungen?
Beziehungen können technologiebasiert etwa über Webseiten, IoT-Geräte oder Datenbanken erfolgen. Bei Daten kann es sich um Sachdaten, personenbezogene Daten oder auch Geschäftsgeheimnisse handeln.

Interagierende digitale Ökosysteme setzen Digital Trust als strategischen und technologischen Eckpfeiler voraus. Für den Aufbau und die Sicherung dieses Vertrauens sind insbesondere die Datenqualität, -integrität und -verfügbarkeit entscheidend. Ebenso zentral sind robuste Sicherheitsarchitekturen, klar definierte Datenschutzprozesse, technologische Transparenz sowie ethisch fundierte Governance-Strukturen. Die Zuverlässigkeit digital unterstützter Geschäftsbeziehungen wird dadurch nicht nur technisch abgesichert, sondern auch organisatorisch verankert6).

Im Kontext fortschreitender Digitalisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) nehmen die Anforderungen an einen strukturierten, vertrauenswürdigen Umgang mit digitalen Daten stetig zu. Das World Economic Forum (WEF) hat diesen Bedarf bereits 2022 erkannt und Digital Trust als strategisches Kernthema definiert9). Abbildung 1 zeigt ein adaptiertes WEF-Modell, das – in Anlehnung an ISACAs Ansatz – vielfältige Handlungsfelder systematisch mit übergeordneten Zielsetzungen des digitalen Vertrauens verknüpft. Diese gliedern sich in die drei Handlungsfelder (1) Accountability and oversight, (2) Ethical, inclusive and responsible use, sowie (3) Security and reliability sowie acht dazugehörige Dimensionen, die innert einer Organisation etabliert, koordiniert und überwacht werden müssen.

Doch wie lässt sich dieses Modell in die Praxis überführen? Ziel ist es nicht, sämtliche bestehende Strukturen, Prozesse oder Rollen grundlegend neu zu gestalten. Vielmehr sollten Organisationen ihre aktuellen organisatorischen Rahmenbedingungen unter dem Blickwinkel der Digital Trust-Handlungsfelder und zugehörigen Dimensionen systematisch überprüfen und – wo erforderlich – gezielt nachjustieren. Die Anwendung validierter Best Practices, anerkannter Referenzmodelle und unterstützender Instrumente kann dabei als strukturierende Grundlage dienen und eine effiziente Integration in bestehende Governance-­Strukturen erleichtern.

Die theoretischen Grundlagen und internationalen Rahmenwerke bilden damit eine wertvolle Orientierung – doch ihre Wirkung entfalten sie erst durch eine kontextspezifische Umsetzung innerhalb einzelner Organisationen. Wie dieser Transfer konkret gestaltet werden kann und welche Perspektiven dabei im Vordergrund stehen, zeigt die Sichtweise des FHNW Competence Centers im folgenden Abschnitt.

Digital Trust – Unsere Sichtweise

Im Kontext der wachsenden Bedeutung von Digital Trust für eine nachhaltige digitale Zukunft, haben wir – das Competence Center Digital Trust der FHNW – unsere Aktivitäten rund um Cybersecurity im Jahr 2021 neu ausgerichtet. Seither nutzen wir Digital Trust als Leitmotiv unserer Arbeit. Warum diese Neuausrichtung? Unsere Forschungsresultate zeigten, dass Cybersecurity langfristig nur erfolgreich sein kann, wenn diese in einen umfassenderen Kontext eingebettet wird – in ein Ökosystem, das Digital Trust als zentrales Element integriert. Unsere Mission ist es, zu einer vertrauenswürdigen und sicheren digitalen Welt beizutragen11). In den letzten Jahren haben wir uns intensiv mit dem Konzept des Digital Trust beschäftigt, insbesondere mit seiner Bedeutung, den Implikationen und den Anforderungen für eine erfolgreiche Etablierung. Im Rahmen unserer Aus- und Weiterbildung sowie angewandten Forschung haben wir ein einfaches Modell entwickelt, das auf fünf Handlungsfeldern basiert (Abbildung 2).

Wir haben ein «5x4 Digital Trust Starterkit» entwickelt – eine praxisorientierte Checkliste, die schnell klärt, welche Aktivitäten jeweils in den fünf Handlungsfeldern von Digital Trust umzusetzen sind. Die Tabelle kann von Organisationen genutzt werden, um eine erste Einschätzung ihrer Digital Trust-Maturität vorzunehmen (Abbildung 3).


Die theoretische Auseinandersetzung mit Digital Trust muss durch konkrete Werkzeuge ergänzt werden, um Organisationen im Alltag zu unterstützen. Im folgenden Abschnitt stellen wir ein aktuelles Forschungsergebnis vor – ein praxisnahes Tool für KMU an der Schnittstelle von Informationsethik und neuen Technologien. Das Tool zielt darauf ab, ethische Überlegungen und Entwicklungen rund um KI greifbar zu machen – und so fundierte Entscheidungen für den Einsatz von KI zu ermöglichen.

Digital Trust – Unser Radar für KI-Einsatz

Die Vertrauenswürdigkeit von KI ist entscheidend für die Akzeptanz neuer Technologien, die zunehmend in unser tägliches Leben eingreifen. Mit dem Konzept von Digital Trust rückt die Vertrauenswürdigkeit von digitalen Daten in den Vordergrund, um sicherzustellen, dass KI-Systeme objektiv und wie beabsichtigt funktionieren, die Privatsphäre wahren und ethischen Standards entsprechen.

Die Betonung von Digital Trust stärkt nicht nur die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit von KI, sondern fördert auch das Verständnis und die Umsetzung relevanter Vorschriften, was das öffentliche Vertrauen in KI-Anwendungen weiter festigt8).


Zur Unterstützung von KMU in der Schweiz bei der vertrauenswürdigen und rechtskonformen Einführung von KI hat das Competence Center Digital Trust ein grafisches Tool, den «Digital Trust Radar», entwickelt (Abbildung 4). Dieses Tool stellt für verschiedene Zielgruppen eine umfassende Sammlung aktueller internationaler ethischer Richtlinien, gesetzlicher Vorgaben und weiterer Dokumente zur KI-Regulierung bereit. Im Rahmen eines Drittmittelprojekts wurden dazu relevante Kategorien definiert, die relevanten Literaturquellen recherchiert, klassifiziert und zugeordnet sowie die Benutzeroberfläche entwickelt12).

Die grafische Oberfläche des Digital Trust Radars ermöglicht eine gezielte Suche nach vorgegebenen Kriterien. Mit wenigen Klicks ist das Filtern nach der Zielbranche, Leitlinienbereichen, Anwendungsgebieten und Governance, Risk & Compliance (GRC)-Kategorien möglich.

Der Radar unterstützt Entwickler:innen, Betreiber:innen und Anwender:innen dabei, relevante Richtlinien und Regulierungen zu identifizieren, sich zu orientieren und nachhaltig die neue Technologie anzuwenden13).

Digital Trust – Fazit und Ausblick

Digital Trust als Handlungsfeld ist ein relevantes Konzept für eine nachhaltige und beziehungsorientierte Perspektive in der digitalen Transformation. Für die Schweiz, mit ihrer «Digital First»-Strategie, ist Digitalisierung ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Oder – wenn sie verpasst oder unzureichend umgesetzt wird die Digitalisierung zum Wettbewerbsnachteil.

Digital Trust bedeutet mehr als blosses Überleben einer Organisation; es ist die Nutzung von Technologie und digitalen Daten mit dem Fokus auf das, was uns als Menschen ausmacht: unsere Beziehungen – sowohl untereinander als auch zur Technik, dem Internet, oder unseren Online-Beziehungen.


Die Etablierung von Digital Trust ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch ein wichtiger Faktor für den Erhalt, die Wiedergewinnung oder Verbesserung der Reputation von Organisationen, die Stärkung der Kundenloyalität und letztlich die Steigerung des Umsatzes. Wirtschaftlich und vertrauensvoll – das ist der nächste Level!

Die Autorinnen

Prof. Dr. Bettina Schneider
Co-Head Competence ­Center Digital Trust
https://digitaltrust-­competence.ch/
FHNW Hochschule für ­Wirtschaft
+41 61 279 17 54
bettina.schneider@fhnw.ch

Prof. Dr. Petra Maria Asprion
Co-Head Competence ­Center Digital Trust
https://digitaltrust-competence.ch/
FHNW Hochschule für ­Wirtschaft
+41 61 279 17 48
petra.asprion@fhnw.ch

Fussnoten

1) IMD 2024 | World Digital Competitiveness Ranking | https://www.imd.org/centers/wcc/world-competitiveness-center/rankings/world-digital-competitiveness-ranking/
2) Bundesamt für Statistik 2024 | Internetnutzung | https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kultur-medien-informationsgesellschaft-sport/informationsgesellschaft/gesamtindikatoren/haushalte-bevoelkerung/internetnutzung.html
3) Schweizerische Eidgenossenschaft 2024 | Strategie Digitale Schweiz 2025 | https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2025/31/de
4) Schubert M. | Deutsches Institut für ­Vertrauen und Sicherheit im Internet 2024 | Vertrauensmessung in der digitalen Welt. Übersicht und Ausblick | https://www.divsi.de/wp-content/uploads/2014/09/Vertrauensmessung-in-der-digitalen-Welt.pdf
5) Bundesamt für Justiz 2025 | Staatliche E-ID | https://www.ejpd.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/staatliche-e-id.html
6) ISACA 2024 | State Of Digital Trust Report |
https://www.isaca.org/resources/reports/state-of-digital-trust-2024
7) Swiss IT Magazine 2025 | Sarner Druckerei geht wegen Fehler des IT-Dienstleisters konkurs |
https://www.itmagazine.ch/artikel/84309/Sarner_Druckerei_geht_wegen_Fehler_des_IT-Dienstleisters_konkurs.html
8) P.M. Asprion | Netzwoche 2025 | Digital Trust – mehr als nur alter Wein in neuen Schläuchen | https://www.netzwoche.ch/news/2025-01-07/digital-trust-mehr-als-nur-alter-wein-in-neuen-schlaeuchen
9) ISACA 2025 | Digital Trust Ecosystem Framework resources |
https://www.isaca.org/digital-trust#resources
10) WEF 2025 | Digital Trust | https://initiatives.weforum.org/digital-trust/home
11) FHNW 2025 | Digital Trust Competence Center | https://digitaltrust-competence.ch/
12) J. Jäger u.a. 2025| The Digital Trust Radar – Identification and Analysis of Guidelines to Support Responsible AI | https://doi.org/10.54941/ahfe1005899
13) D. Windhaber 2024 | FHNW ­entwickelt Digital Trust Radar | https://www.netzwoche.ch/news/2024-10-15/fhnw-entwickelt-digital-trust-radar


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