Swiss Made Software: Die autonome Baustelle
Quelle: Caturix

Swiss Made Software: Die autonome Baustelle

Das Start-up Caturix hat ein Planungs- und Verwaltungs-Tool für die Baubranche entwickelt, das es dem Bauführer erlaubt, die Projektkosten live auf der Baustelle anzupassen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2023/04

     

Bauen ist kompliziert, teuer und intransparent. Schon vor dem ersten Spatenstich wird ein signifikanter Teil des Budgets für Kommissionen verwendet – Architekt und Generalunternehmer zum Beispiel. Kein Wunder, besteht überall Druck auf die Preise. Die Zulieferer können ein Lied davon singen. Trotz dieser Umstände: Das Budget ein- und die Qualität hochzuhalten, das ist der Job des Bauführers. «Immer in Sichtweite zum Burnout», weiss Patrick Wüthrich, Mitgründer von Caturix und ehemaliger Bauführer. Bei Caturix handelt es sich um ein vollwertiges Planungs- und Verwaltungs-Tool für die Baubranche. «Caturix soll den administrativen Leerlauf reduzieren, so dass wir unsere Zeit für Wichtigeres verwenden können.» Den Weg dorthin sieht er über die Digitalisierung der Baustellen.


Zusammen mit der Entwicklungsfirma Devedis gründete er deswegen Anfang 2022 die Firma Caturix App und stiess die Entwicklung des gleichnamigen Tools an. Der Mehrwert hier liegt in der Integration aller Dateninseln sowie der Möglichkeit, die relevanten Kalkulationen direkt auf der Baustelle anzupassen. Dies ermöglicht erstmals einen kostentechnischen Echtzeitüberblick über die Baustelle. «Das Geld verdient der Bauführer nicht im Büro, sondern draussen bei der Wertschöpfung, live, im Austausch mit dem Polier», erklärt Wüthrich. Denn nur im Live-Geschehen wird klar, wo es möglicherweise Probleme gibt und ob an einer Schraube gedreht werden muss.

Die Excel-Tabellen auf- und ablösen

Via Caturix hat der Bauführer Einblick in alle Ebenen des Projekts und kann das Feedback des Baupersonals direkt in seinen Kalkulationen berücksichtigen. «Auf oberster Ebene habe ich eine Kalkulationslinie und eine Leistungslinie. Bricht die Leistungslinie die Kalkulationslinie, haben wir ein Problem», so Wüthrich. Caturix ermöglicht von hier einen Drill-down in alle Details des Projekts und sorgt somit für Transparenz.


Bisher stecken die Projektdaten meist in vielen verschiedenen Excel-Tabellen. «Die Subunternehmer geben ihre Reports und Stunden über ihre eigenen Excels ein und der Bauführer muss das alles anschliessend aggregieren. Da er noch andere Aufgaben hat, passiert das nur in Intervallen von bis zu drei Monaten und ist eher mühselig.» Mit Hilfe von Caturix können nun alle Beteiligten ihre Daten direkt eingeben. Das mindert den Aufwand beim Bauführer. Ausserdem ist das Tool genau auf die Bedürfnisse der Branche zugeschnitten. «Wir haben mit unseren Pilotkunden Best Practices erarbeitet und direkt eingebaut», erklärt Patrick Wüthrich. «Wer die Branche kennt, findet sich in unserem Tool auf Anhieb zurecht.» Als Beispiel führt er das Feedback eines alten Hasen aus der Baubranche an. «Der Herr ist 62. Anfangs hat er uns Videos geschickt, was bei unserem Prototyp alles nicht stimmte. Da hat er noch viel geflucht. Mittlerweile will er Caturix nicht mehr hergeben.»

Die Sprachbarriere auf dem Bau überwinden

Eine weitere Herausforderung, die direkt das Design beeinflusst hat, ist der Fachkräftemangel. «Seien wir ehrlich, das Fachpersonal auf dem Bau wird in Zukunft noch stärker aus dem Ausland kommen als bisher. Das grösste Problem dabei ist die Sprachbarriere.» Deshalb bietet Caturix eine Reporting-App in neun Sprachen für das Smartphone.

Mit Hilfe der App kann jeder auf der Baustelle in seiner Muttersprache zum Reporting beitragen – Poliere, Elektriker, Gerüstbauer, Arbeiter. Langfristig soll das sogar via Spracheingabe möglich sein. Der Bericht wird anschliessend automatisch in die Sprache des Bauführers übersetzt und kann vom Vorgesetzten noch vorher abgeändert oder kommentiert werden. «Leider halten viele die Mitarbeiter, welche die körperliche Arbeit machen, für blöd. Dabei können sie nur die Sprache nicht. Mit unserem Ansatz und mit Hilfe moderner Technologien kriegen wir ein Reporting direkt von der Basis, das ein sehr scharfes Bild vermittelt. Ausserdem erschliesst uns dieser Ansatz den Zugang zu neuen Fachkräften.»


Die App hat jeder Arbeiter auf dem Smartphone. Er kann dort ausserdem seine Personalakte einsehen und hat Zugriff auf die Lohnblätter. Es gibt eine Chatfunktion für die Projekte und natürlich die Möglichkeit, Bilder hochzuladen. All das steht dem Bauführer zur Verfügung.

Darüber hinaus sind die Masken für die Reporteingabe auf die einzelnen Subunternehmer ausgelegt. «Ein Elektriker braucht zum Beispiel eine Materialliste. Die kann er direkt in Caturix hochladen.» Caturix verwendet diese Daten anschliessend direkt in Kostenvoranschlägen und Regierapporten. Das geht so weit, dass regional fluktuierende Preise für Rohstoffe wie Beton in Echtzeit die relevanten Kurven beeinflussen.

Zurzeit evaluiert man bei Caturix, wie BIM-Daten (Building Information Modeling) sinnvoll in die Bauadministration integriert werden können. Diese werden vom Architekten bereitgestellt, dienen aber in den meisten Lösungen nur zur Ansicht. Bei Caturix sollen die BIM-Daten bis Ende Jahr so integriert werden, dass auch sie live auf der Baustelle abgerufen werden können und sich jegliche Veränderung in der Projektkalkulation direkt niederschlägt.

«Wir haben eine klare Vision», erklärt Patrick Wüthrich. «Wir wollen eine autonome Baustelle, idealerweise ohne jemanden wie mich», so der ehemalige Bauführer mit einem Schmunzeln.


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