CIO-Interview: «Wir glauben fest daran, dass Oneplus erfolg­reich sein wird»

Der Schweizer Medienkonzern CH Media lanciert noch in diesem Jahr unter dem Namen Oneplus eine Streaming-Plattform. Verantwortlich dafür ist Paul Fournier, Leiter Digital bei CH Media Entertainment.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/09

     

Swiss IT Magazine»: Herr Fournier, kurz zu Ihrer Laufbahn: Wie sind Sie bei CH Media gelandet?
Paul Fournier:
Während ich vor rund eineinhalb Jahren als freiberuflicher Berater in der Schweiz und Frankreich arbeitete, wurde ich von einem Headhunter kontaktiert. Damals lebte ich in der Romandie und ich und meine Frau hatten eigentlich keine Pläne umzuziehen, da wir erst vor sechs Monaten aus Luxemburg in die Schweiz gezogen waren. Aber die Position und das Team waren ehrlich gesagt zu gut, um das Angebot abzulehnen. Bevor ich in die Schweiz zog, hoffte ich, hier einen tollen Job zu finden, und das hat glücklicherweise ziemlich schnell geklappt. Danach folgte der Umzug aus der Westschweiz nach Zürich. In der Vergangenheit war ich unter anderem für die RTL-Gruppe tätig, zuletzt im Strategieteam, davor war ich als Berater bei EY für den Telecom-, Media- und Tech-Sektor tätig.

Wie war es denn, von RTL, der grössten Mediengruppe Europas, in die relativ überschaubare Schweizer Medienlandschaft zu wechseln?
RTL ist ein internationaler Grosskonzern mit Ablegern in vielen europäischen Ländern. In der Schweiz ist alles etwas kleiner dimensioniert, was für mich aber spannend war, denn so kann man viel mehr bewegen respektive bewirken. Bei CH Media stieg ich direkt als Leiter Business Development und Digital ein. Meine Arbeit habe ich 2020 im März durch Zufall genau am ersten Tag des Corona-Lockdowns angetreten, was ebenfalls sehr spannend und zugleich speziell war. Um etwas Kontext zu geben: Bei CH Media gibt es zwei Säulen: Den Bereich Publishing, worunter die Tages- und Wochenzeitungen sowie die Zeitschriften und Anzeiger fallen, und den Bereich Entertainment. Dazu zählen fünf regionale (u.a. TeleZüri oder TeleBärn) und 7 nationale TV-Sender (u.a. 3+ oder TV24), sowie neun Radio-Sender (u.a. Radio 24, Radio Pilatus). Ein weiterer wichtiger Entertainment-Bereich sind die Today-Portale, digitale regionale News-Plattformen. In allen Regionen haben wir dafür konvergente, trimediale Redaktionen (TV, Radio und online). Und mein Job ist die Leitung des Digital- und Business Development-Bereichs der Entertainment-Säule.


Wie muss man sich das vorstellen? Als Leiter eines Teams war es sicher nicht ganz einfach, schnell Fuss zu fassen?
Zu Beginn war ich allein mit meinem Chef Roger Elsener, Geschäftsführer Entertainment und Mitglied der Unternehmensleitung von CH Media, im Büro. Dadurch hatte ich mehr Zeit mit ihm als ursprünglich angenommen.

Wie funktioniert das mit dem Home Office bei einem Unternehmen, das so viele Medienkanäle bespielt?
Es war sicher etwas schwierig, ein Beziehungsnetz mit den anderen Mitarbeitenden aufzubauen, da ich diese am Anfang nur über Teams kennengelernt habe. Dank den Lockerungen der Massnahmen im Sommer freute ich mich, meine Kollegen endlich richtig kennenzulernen. Mit der zweiten Welle folgte erneut das Home Office. Selbstverständlich gibt es gewisse Funktionen, die bei einem Medienunternehmen nicht ins Home Office verlegt werden können, wie etwa Moderatoren. Andere Teams, wie etwa das Marketing oder die HR-Abteilung, können vollständig von zuhause agieren

Ist seither also wieder ein Stück Normalität eingekehrt? Wie hat das Ihren Alltag beeinflusst?
Nachdem gegen Ende der ersten Welle neue Regelungen in Kraft traten, kehrten viele Mitarbeitende wieder zurück ins Büro. Dies machte die Arbeit wesentlich abwechslungsreicher, gerade der Austausch mit den Kollegen ist für mich sehr wichtig.


Kommen wir noch einmal auf Ihren Start bei CH Media zurück. Was waren Ihre ersten Amtshandlungen und wie sieht Ihr Tagesablauf heute ungefähr aus?
Am Anfang ging es darum, die ganzen Aktivitäten von CH Media zu verstehen: wer macht was, wer sind die verschiedenen Stakeholder, wie verdienen wir Geld, wer sind unsere Nutzer, was für eine Reichweite haben wir. Ich hatte anfangs viele konzeptionelle Dinge zu lernen. Mein ehemaliger Arbeitgeber RTL war beispielsweise sehr international und cross-market orientiert, während CH Media anders funktioniert. Ich hatte unter anderem nur eine vage Vorstellung, wie regionale TV-Sender arbeiten. Total spannend für mich ist deshalb auch, dass ich wirklich End to End arbeiten kann – also von der Vision über die Strategie hin zu den Aktionsplänen und der Umsetzung.
Was war danach der nächste Schritt? Worauf haben Sie sich zu Beginn besonders konzentriert?
Sicher die Strategie, also die Vision von CH Media zu kennen und dann auch darauf, wie ich meine Erfahrung und mein Wissen am besten einbringen kann. Dabei ging es insbesondere darum, die Strategie von CH Media Entertainment anzupassen, etwa was die Digitalisierung unseres Kerngeschäfts angeht. Das war auch einer der Gründe, warum man mich an Bord geholt hat, um einen anderen Blick auf die vorhandenen Strukturen und Abläufe zu gewinnen. Meine Position als Leiter Digital wurde dazu auch extra neu geschaffen. Zuvor gab es einen zentralen Chief Digital Officer (CDO), CH Media entschied sich jedoch, aufgrund der Grössen der Bereiche Publishing und Entertainment jeweils eigene Digitalabteilungen aufzubauen. Ich unterstütze das, eine Trennung der beiden Bereiche macht durchaus Sinn.

Gab es intern Auseinandersetzungen, als es darum ging, die strategische Ausrichtung zu überarbeiten?
Unser Geschäftsführer Roger Elsener hatte wie ich auch eine klare Vision und wir diskutierten von Anfang an, ob wir uns dabei finden respektive ob unsere Vorstellungen kompatibel sind. Denn die Idee war eine gemeinsame Erarbeitung. Herauskristallisiert haben sich dabei im Wesentlichen zwei strategische Prioritäten: Zum einen die Today-Plattformen, die wir nach und nach in den verschiedenen Regionen ausrollen möchten. Zum anderen die Streaming-Plattform Oneplus, die wir im 4. Quartal dieses Jahres lancieren. Nebst diesen Themen gibt es eine Vielzahl von Projekten rund um Daten- und Advertising-Technologie sowie das Business Development. Auch da ging es darum, sich zu finden, unsere Prioritäten festzulegen und auch die ganze Wertschöpfungskette anzuschauen, um zu verstehen, wo wir in Zukunft eine Rolle spielen und verstärkt investieren wollen. Aber auch Fragen, wie wir zum Beispiel unsere Distributionslandschaft verbessern können.


Wie lief dieser Prozess des gegenseitigen Findens ab? Wurde man sich schnell einig oder gab es grössere Meinungsverschiedenheiten?
Nein, wir waren uns wirklich bereits von Anfang an sehr einig – auch schon in den Job-Interviews. Natürlich führen wir immer wieder Diskussionen und haben teilweise verschiedene Meinungen. Der Austausch findet jedoch stets auf einer konstruktiven Ebene statt und so finden wir immer eine gute Lösung. Insgesamt sind wir aber auch zu einem gut funktionierenden, sehr agilen Team gewachsen: Das heisst wir denken, wir testen, wir passen an und lernen und dann wieder von vorne – wie ein sich wiederholender Zyklus, mit der Folge von immer besseren Resultaten. Zentral für mich ist dabei insbesondere immer die Frage: Was wollen die Nutzer und wie können wir diese so zufrieden wie möglich machen?

Welche Rolle spielt dabei die IT? Ist es Ihnen ein Anliegen, auch technologisch immer möglichst nahe an der Sache zu sein?
Das ist sehr zentral. Auch hier steht der Nutzer immer im Zentrum. Für uns zählt zum Beispiel, welchen Content schauen, hören oder lesen unsere Nutzer und wo machen sie das. Nur wenn wir solche Nutzungs­gewohnheiten verstehen, können wir gute Produkte entwickeln. Technik und Produkt gehören für mich ganz eng zusammen und sind ein wesentlicher Aspekt meiner Arbeit und auch der meines Teams. Zwar zählt die IT nicht zu meinem konkreten Aufgabenbereich, ist aber trotzdem immens wichtig für alle Produkte, die wir entwickeln. Mittlerweile besteht mein Team aus 14 Mitarbeitenden, die um vier Säulen herum organisiert sind: Ad-Tech, Data, Consumer und Product. Ich habe dabei zwei Teamleiter, jeweils einen für Data und Consumer und einen für die Produkt-Sparte. Mein Team arbeitet als Matrix-Funktion in der Organisation und wir sind im gesamten CH-Media-Entertainment-Bereich involviert, so entwickeln wir etwa die Plattformen für die Radiosender, die regionalen TV-Sender, die Today-Plattformen oder auch für die nationalen TV-Sender.

14 Mitarbeitende klingt nach wenig für ein so grosses Unternehmen. Sehen Sie das auch so und ist es eine Herausforderung, mit so einem relativ kleinen Team so viel zu stemmen?
Es existiert eine historische Vorstellung, dass Medienkonzerne eine vertikale Integration anstreben sollen. Während wir dies zwar teilweise tun, hatte die Digitalisierung auch einen disruptiven Einfluss auf die Wertschöpfungskette, wodurch kleinere Akteure eine bedeutendere Rolle spielen konnten. Für uns entsteht somit ein Mehrwert, wenn wir ein Ökosystem mit externen Dienstleistern aufbauen. Das bedeutet, wir machen einen Teil der Arbeit intern und einen Teil lagern wir aus. Der Hauptaspekt dabei ist, dass wir so mit einem sehr schlanken Team effizient arbeiten können, während wir uns gleichzeitig auf unsere Dienstleister verlassen können, mit denen wir teilweise schon sehr lange zusammenarbeiten. Intern haben wir Product Owners und Product Manager sowie auch ein Data-Science-Team, aber ebenfalls Rollen wie einen AD-Tech-Manager (Advertising Technology) oder einen Consumer Lifecycle Manager, der sich um die künftige Streaming-Plattform kümmern wird. Wir versuchen zudem sehr datengetrieben zu arbeiten und das eigene Bauchgefühl zurückzuhalten. Das Data-Science-Team ist dabei integral und es beeindruckt mich immer wieder sehr, wie gross der Einfluss ihrer Arbeit auf den Content ist, sogar auch auf das lineare TV-Programm – denn das ist eher speziell für eine Firma dieser Grösse. Die Gründe, warum wir so gut arbeiten sind nebst unserer Start-up-Mentalität unsere gelebte digitale Kultur. Denn nur wenn die Firma selbst, und das umfasst alle Mitarbeitenden, ein digitales Mindset haben, lassen sich Digitalisierungsvorhaben erfolgreich umsetzen.


Kommen wir auf Oneplus zu sprechen: Eine Schweizer Streaming-Plattform abseits vom staatlich finanzierten Schweizer Fernsehen. Was ist hier genau die Idee und warum denken Sie, dass dieses ein Stück weit doch auch gewagte Vorhaben Früchte tragen wird?
Die Idee von einem grossen, allumfassenden Ökosystem ist bei vielen Medienfirmen ein grosses Thema. Die wichtigste Frage, die sich hierbei stellt, ist aber im Wesentlichen: entsteht dadurch ein zusätzlicher Wert? Und ich glaube definitiv, dass das so ist respektive sein wird. Mit Oneplus wollen wir in der Schweiz nach den internationalen Streaming-Keyplayern die Nummer 1 werden. Wir sind nur in der Schweiz tätig, weshalb wir sehr stark auf Schweizer Content setzen. Zudem wird es ein attraktives Freemium-­Preismodell geben. Das bedeutet konkret, man kann Oneplus entweder gratis oder im Abonnement nutzen. Abonnenten geniessen dabei zusätzliche Vorzüge, wie Zugriff auf exklusiven Content oder Previews von Content aus dem linearen TV-Programm sowie ein werbefreies Erlebnis. Ausserdem werden wir Abonnenten Bonus-Content zu unseren Originals anbieten, zum Beispiel Behind-the-Scences-Features, ähnlich wie die Zusatzinhalte auf DVD oder Blu-ray-Discs.


Wie setzen sich die Inhalte von Oneplus zusammen und wo wird der Dienst verfügbar sein?
Unser Content Lineup wird aus Originals, Produktionen aus der CH Media Entertainment-Schmiede, die wir eigens für die Plattform produzieren, Schweizer und internationalen Spielfilmen, Serien und auch Dokumentationen bestehen. Die Originals werden dabei komplett andere Inhalte sein als jene, die wir für unsere linearen Sender produzieren. Zeitversetzt werden diese Produktionen aber auch auf unseren nationalen TV-Sendern gezeigt, allerdings immer mit Exklusivität für Oneplus-Nutzer für eine gewisse Zeit. Die Produktion der Originals ist bereits schon in vollem Gange. Bis zum geplanten Plattformlaunch im vierten Quartal 2021 sowie danach möchten wir nebst einem soliden Original-Lineup ausserdem auch ein reichhaltiges Angebot an nationalen und internationalen Inhalten – einige davon auch exklusiv, als Titel die nicht auf Netflix und Co. zu finden sind – anbieten. Der Dienst wird als Web-, iOS- und Android-App zur Verfügung stehen und ab 2022 auch auf Smart-TVs erhältlich sein. Mit Quickline haben wir ausserdem bereits einen starken Vertriebspartner an der Hand. So wird Oneplus bei Quickline im Bundle erhältlich sein.

Wie wollen sie zu einer genügend grossen Abonnenten-Basis kommen?
Das genaue Pricing werden wir zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben, aber es wird sicher ein sehr kompetitives Angebot sein – zentral sind für uns auch hier die Nutzer. Das wird aber natürlich seine Zeit brauchen, und wir müssen versuchen, potenzielle Nutzer davon überzeugen, dass Oneplus die richtige Plattform für sie ist. Ich blicke dem Launch optimistisch, aber auch sehr gespannt entgegen, und freue mich, zu lernen, was unsere Nutzer sich wünschen. So können wir die Plattform stetig an deren Bedürfnisse anpassen und weiterentwickeln.


Was macht Sie so optimistisch, warum glauben Sie an den Erfolg von Oneplus?
Ein Angebot wie dieses existiert in der Schweiz schlicht noch nicht. Mit Oneplus möchten wir deshalb diese Marktlücke füllen, zumal wir schon heute der grösste Anbieter von Schweizer Unterhaltungsformaten sind. Dabei ist unser grosser Erfahrungsschatz mit unseren TV-Sendern in den Bereichen Produktion und auch in der Marktforschung entsprechend ein grosser Vorteil. Mein Optimismus kommt unter anderem von den Daten unseres Data-Science-Teams. Wir sehen ein grosses Bedürfnis auf der Nutzerseite und deshalb glauben wir fest daran, dass Oneplus erfolgreich sein wird.

Paul Fournier

Paul Fournier verantwortet bei CH Media Entertainment die Bereiche Business Development und Digital. Zuvor war er rund sechs Jahre für die RTL Group in Luxemburg tätig, wo er verschiedene Positionen besetzte und zuletzt als Vice President des Strategiebereichs agierte. Davor arbeitete Fournier im Beratungsbereich für den Telko-Media-Tech-Sektor beim Unternehmen EY in Luxemburg. Der 36-Jährige hat einen Master in Banking and Finance der Universität Paris, stammt aus Frankreich und lebt seit mehr als zwei Jahren mit seiner Frau in der Schweiz.

Zum Unternehmen

CH Media beschäftigt in der Deutschschweiz rund 1800 Mitarbeitende. Zum Portfolio gehören neben Tages- und Wochenzeitungen und Zeitschriften auch nationale und regionale TV-Sender. Mit seinen Marken in den Bereichen Publishing und Entertainment erreicht CH Media täglich rund drei Millionen Menschen auf allen Kanälen. Im Radiomarkt ist das Unternehmen mit neun Sendern prominent vertreten und erreicht täglich über eine Million Hörer. Online informiert und unterhält CH Media seine Leserschaft mit FM1Today, Pilatustoday und Argoviatoday, den ersten regionalen Onlineportalen, die Radio- und Videobeiträge mit Online-News vereinen. Als neuestes Projekt lanciert CH Media Ende 2021 eine eigene Streaming-Plattform. (swe)


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