Special Swiss Hosting: «Man darf von digitaler Kolonialisierung sprechen»
Special Swiss Hosting: «Man darf von digitaler Kolonialisierung sprechen»
10. Juli 2021 -
Die Schweiz zieht in die Wolke, doch ist nicht Hausherr. Swiss Made Software sprach mit Nationalrat Gerhard Andrey über die Digitalisierung und Folgen für Bund und Wirtschaft.
Artikel erschienen in IT Magazine 2021/07
Herr Andrey, Daten sollen ja bekanntlich das Gold der Zukunft sein. Haben Sie das Gefühl, dass das im Parlament verstanden wird?
Gerhard Andrey: Auch wenn im Detail den meisten wohl nicht ganz klar ist, was das genau bedeutet, so ist die Wichtigkeit des Themas sicher bei allen angekommen. Oft sind Daten aber ja genau nicht eine knappe Ressource wie Gold, sondern eher wie Wasser: Allgegenwärtig, lebenswichtig, manchmal gefährlich und immer ein Gut, zu dem wir als Gesellschaft Sorge zu tragen haben.
Im Dezember 2020 hat die Bundeskanzlei in einer Pressemitteilung erklärt, dass es zwar sinnvoll wäre, einen Swiss-Cloud-Standard für die Wirtschaft bereitzustellen, sieht aber von der Verwendung solcher Qualitätsstandards für die eigene IT explizit ab. Unterstrichen wurde dies gerade durch die Vergabe von Cloud-Aufträgen an fünf ausländische Anbieter im Wert von 110 Millionen Franken, bei denen Schweizer Anbieter durch die Vergabekriterien – Datenzentren auf drei Kontinenten – explizit ausgeschlossen wurden.
Dass die Ausschreibung Schweizer Anbieter ausschliesst, finde ich stossend. Es könnte durchaus stimulierend wirken, wenn der Bund hier als Nachfrager auch lokale Anbieter einbeziehen würde. Grundsätzlich halte ich es aber dennoch für unbedenklich, wenn für das Brechen von massiven Lastspitzen von nicht sensiblen Inhalten wie beispielsweise der Seite des BAG auf internationale Hyperscaler gesetzt wird. Bei Daten, die schützenswert sind, habe ich hingegen grosse Fragezeichen. Denn auch wenn die amerikanischen Techgiganten Rechenzentren in der Schweiz betreiben, ist durch den Cloud Act ein Durchgriff des amerikanischen Staates auf Daten in der Schweiz möglich. Es entstehen somit sehr grosse und kaum erwünschte Abhängigkeiten, von welchen man nicht so schnell wieder loskommt. Auch wenn ich den Begriff ziemlich hart finde, so darf man durchaus von einer digitalen Kolonialisierung sprechen, in welcher sich Europa und damit mitten drin auch die Schweiz befindet.
Gerhard Andrey: Auch wenn im Detail den meisten wohl nicht ganz klar ist, was das genau bedeutet, so ist die Wichtigkeit des Themas sicher bei allen angekommen. Oft sind Daten aber ja genau nicht eine knappe Ressource wie Gold, sondern eher wie Wasser: Allgegenwärtig, lebenswichtig, manchmal gefährlich und immer ein Gut, zu dem wir als Gesellschaft Sorge zu tragen haben.
Im Dezember 2020 hat die Bundeskanzlei in einer Pressemitteilung erklärt, dass es zwar sinnvoll wäre, einen Swiss-Cloud-Standard für die Wirtschaft bereitzustellen, sieht aber von der Verwendung solcher Qualitätsstandards für die eigene IT explizit ab. Unterstrichen wurde dies gerade durch die Vergabe von Cloud-Aufträgen an fünf ausländische Anbieter im Wert von 110 Millionen Franken, bei denen Schweizer Anbieter durch die Vergabekriterien – Datenzentren auf drei Kontinenten – explizit ausgeschlossen wurden.
Dass die Ausschreibung Schweizer Anbieter ausschliesst, finde ich stossend. Es könnte durchaus stimulierend wirken, wenn der Bund hier als Nachfrager auch lokale Anbieter einbeziehen würde. Grundsätzlich halte ich es aber dennoch für unbedenklich, wenn für das Brechen von massiven Lastspitzen von nicht sensiblen Inhalten wie beispielsweise der Seite des BAG auf internationale Hyperscaler gesetzt wird. Bei Daten, die schützenswert sind, habe ich hingegen grosse Fragezeichen. Denn auch wenn die amerikanischen Techgiganten Rechenzentren in der Schweiz betreiben, ist durch den Cloud Act ein Durchgriff des amerikanischen Staates auf Daten in der Schweiz möglich. Es entstehen somit sehr grosse und kaum erwünschte Abhängigkeiten, von welchen man nicht so schnell wieder loskommt. Auch wenn ich den Begriff ziemlich hart finde, so darf man durchaus von einer digitalen Kolonialisierung sprechen, in welcher sich Europa und damit mitten drin auch die Schweiz befindet.
Die Pandemie hat gezeigt, dass Outsourcing auch Abhängigkeit bedeutet. Wäre es da nicht sinnvoll, für Kernaufgaben eine nationale Strategie zu haben, die die eigene Handlungsfähigkeit bewahrt?
Outsourcing an sich ist ja nicht das Problem. Problematisch wird es dann, wenn einem keine Optionen zur Verfügung stehen. In eine solche Situation kann man durchaus auch ohne Outsourcing geraten. Deshalb ist es viel wichtiger, den Grad der Abhängigkeit ins Zentrum zu stellen und Strategien zu entwickeln, um eben auch mal einfach den Anbieter wechseln zu können. Dafür halte ich drei Dinge für zentral: überschaubare Einzellösungen und keine epischen Grossprojekte, Interoperabilität mit offenen Standards und damit eine konsistente API-Strategie sowie wo immer möglich Kontrolle über den Source Code. Ich bin überzeugt, dass gerade letzteres – also Open Source Software – künftig noch viel wichtiger werden wird, um digitale Selbstbestimmung umzusetzen. Der Einsatz der digitalen Zivilgesellschaft, von Digiges über CH++ bis CH Open ist hier essenziell.
Noch einmal zur Pandemie: Um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu bewahren, wurde im letzten Jahr in grossem Mass auf Werkzeuge wie Microsoft Teams oder Zoom gesetzt. Jeder von uns hat im letzten Jahr Video-Stunden mit Diskussionen über geschäftskritische Themen produziert. Diese Daten sind praktisch alle ins Ausland geflossen. Ist das im Hinblick auf Geheimdaten, Forschungsergebnisse und Material für Deep Fakes vertretbar?
Das ist aus einer Souveränitätsperspektive nicht vertretbar. Nur ist es die Situation, in welche wir uns mit viel digitaler Euphorie und einer guten Portion Naivität als Gesamtgesellschaft hineinmanövriert haben. Es bleibt nichts anderes übrig, als Schritt für Schritt mit guten politischen Rahmenbedingungen und innovativen Unternehmen an einer vertrauenswürdigen digitalen Infrastruktur zu arbeiten. Gerade für die Schweiz mit einem unglaublich innovativen Werkplatz bietet diese Herausforderung ja auch ein enormes wirtschaftliches Potential.
Outsourcing an sich ist ja nicht das Problem. Problematisch wird es dann, wenn einem keine Optionen zur Verfügung stehen. In eine solche Situation kann man durchaus auch ohne Outsourcing geraten. Deshalb ist es viel wichtiger, den Grad der Abhängigkeit ins Zentrum zu stellen und Strategien zu entwickeln, um eben auch mal einfach den Anbieter wechseln zu können. Dafür halte ich drei Dinge für zentral: überschaubare Einzellösungen und keine epischen Grossprojekte, Interoperabilität mit offenen Standards und damit eine konsistente API-Strategie sowie wo immer möglich Kontrolle über den Source Code. Ich bin überzeugt, dass gerade letzteres – also Open Source Software – künftig noch viel wichtiger werden wird, um digitale Selbstbestimmung umzusetzen. Der Einsatz der digitalen Zivilgesellschaft, von Digiges über CH++ bis CH Open ist hier essenziell.
Noch einmal zur Pandemie: Um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu bewahren, wurde im letzten Jahr in grossem Mass auf Werkzeuge wie Microsoft Teams oder Zoom gesetzt. Jeder von uns hat im letzten Jahr Video-Stunden mit Diskussionen über geschäftskritische Themen produziert. Diese Daten sind praktisch alle ins Ausland geflossen. Ist das im Hinblick auf Geheimdaten, Forschungsergebnisse und Material für Deep Fakes vertretbar?
Das ist aus einer Souveränitätsperspektive nicht vertretbar. Nur ist es die Situation, in welche wir uns mit viel digitaler Euphorie und einer guten Portion Naivität als Gesamtgesellschaft hineinmanövriert haben. Es bleibt nichts anderes übrig, als Schritt für Schritt mit guten politischen Rahmenbedingungen und innovativen Unternehmen an einer vertrauenswürdigen digitalen Infrastruktur zu arbeiten. Gerade für die Schweiz mit einem unglaublich innovativen Werkplatz bietet diese Herausforderung ja auch ein enormes wirtschaftliches Potential.