Industriekunden erfolgreich gewinnen
Quelle: Peter Schreiber & Partner

Industriekunden erfolgreich gewinnen

Von Peter Schreiber

Bei vielen Investitionsgütern und komplexen Dienstleistungen – wie Computer- und Produktionsanlagen sowie Wartungsverträgen – erstreckt sich der Verkaufsprozess über Monate, teils Jahre. Deshalb müssen deren Verkäufer auch strategisch und taktisch fit sein.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2017/07

     

Verkaufen ist verkaufen. Diesen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre vieler Fachbücher zum Thema Verkauf. Nur selten wird in ihnen differenziert, ob der Verkäufer Schuhe oder Computeranlagen, Würstchen oder Wartungsverträge verkauft. Und auch ob er im Aussen- oder Innendienst tätig ist, scheint egal zu sein.

Einen ähnlichen Eindruck vermitteln viele Seminarprospekte. In ihnen beschränkt sich die Zielgruppendefinition meist auf Formulierungen wie "Verkäufer und Führungskräfte im Verkauf". So als könnten alle, die das kleine Einmaleins des Verkaufens beherrschen, jedes Produkt verkaufen: Brötchen und Unterhosen, Produktionsanlagen und Düsenjets.


Im Verkaufsalltag zeigt sich jedoch: Verkäufer von Computer- und Produktionsanlagen brauchen andere Fähigkeiten als Brötchenverkäufer. Und eine andere Persönlichkeit – unter anderem aufgrund der unterschiedlichen Erklärungsbedürftigkeit der Produkte.

Verkaufen ist nicht gleich verkaufen

Wozu ein Brötchen gut ist, wissen alle Bäckereikunden. Also benötigen sie kaum Beratung. Entsprechend kurz ist der Verkaufsprozess bei Backwaren. Oft vergehen nur ein, zwei Minuten bis der Kunde wieder vor der Ladentür steht. Entsprechend sind die Anforderungen an Bäckerei-Fachverkäufer weitgehend darauf ausgerichtet, Kunden freundlich zu bedienen und abzukassieren.

Anders ist dies bei Konsum- und Gebrauchsgütern sowie Dienstleistungen, die Kunden nur sporadisch kaufen – zum Beispiel hochwertige Kosmetika und Computer, aber auch Finanzdienstleistungen. Bei ihnen wünschen die Kunden meist mehr Beratung. Denn nicht jede Person weiss zum Beispiel, wie schnell der Prozessor eines PCs sein sollte, damit komplexe Computerspiele darauf problemlos laufen.


Entsprechend unsicher sind Kunden oft beim Kauf solcher Güter. Auch weil sie hierfür tiefer als etwa für Brötchen in ihr Portemonnaie greifen müssen und sich nicht selten – wie zum Beispiel beim Abschluss einer Lebensversicherung – langfristig vertraglich binden. Deshalb dauert der Kaufentscheidungsprozess länger und die Verkäufer müssen höhere Anforderungen erfüllen. Sie müssen zum Beispiel den Bedarf der Kunden gezielt erfragen können – damit sie ihnen die richtigen Produkte offerieren und ihnen deren Nutzen bildhaft vor Augen führen können. Sie sollten den Kunden zudem das Gefühl vermitteln, dass diese genau das entsprechende Produkt brauchen. Sonst ist die Gefahr gross, dass sich die Kunden nach der Beratung mit der Begründung, es sich nochmals zu überlegen auf Nimmerwiedersehen verabschieden.

Königsdisziplin: B2B-Vertrieb

All diese Fähigkeiten brauchen auch Business-to-Business-, kurz B2B-Verkäufer – also die Verkäufer von Industriegütern und -dienstleistungen; und zwar unabhängig davon, ob sie Computer- oder Produktionsanlagen, Wartungsverträge oder Sicherheitskonzepte an Unternehmen oder staatliche Einrichtungen verkaufen. Doch dies allein genügt nicht. Denn mit solchen Investitionsentscheidungen wollen ihre Kunden meist strategische Ziele erreichen. Deshalb hat eine Fehlinvestition für sie oft fatale Folgen. Entsprechend gross sind bei solchen Investitionen das von den Kunden empfundene Kaufrisiko und ihr Beratungsbedarf.


Hinzu kommt: An solchen Kaufentscheidungen ist in der Regel eine Vielzahl von Personen beteiligt. Die Mitglieder des so genannten Buying-Centers haben meist unterschiedliche Interessen. Den Kundenbetreuern ist zum Beispiel beim Kauf eines Computersystems vor allem wichtig, dass es einfach zu bedienen ist. Die Techniker hingegen möchten vor allem, dass wenig Wartungsarbeiten anfallen. Und achtet der Chefeinkäufer primär auf den Preis, erwartet der Leiter der Abteilung Unternehmensentwicklung, dass das System mit dem Unternehmen wachsen kann. All diese sich häufig teils widersprechenden Interessen muss der Verkäufer erkennen und so gut wie möglich befriedigen. Denn nur dann entscheiden die Mitglieder des Buying-Centers letztendlich: Dieses Produkt, diese Problemlösung kaufen wir.

Verkäufer sind beratende Consultants

Diese Aufgabe überfordert einzelne Verkäufer oft – auch weil beim Planen und Verkaufen solcher meist auf den individuellen Kundenbedarf zugeschnittener Problemlösungen viele technische Details und Verfahrensfragen zu klären sind. Deshalb sind an den Verkaufsverhandlungen oft ganze Gruppen von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Qualifikationen beteiligt – auf der Einkäufer- und der Verkäuferseite. Entsprechend lange dauert der Verkaufsprozess. Er erstreckt sich nicht selten über Jahre – und in ihm gilt es stets neue Hindernisse aus dem Weg zu räumen; auch weil sich im Prozessverlauf die Kundenanforderungen an die "Problemlösung" oft verändern.


Solche Verkaufsprozesse sind letztlich komplexe Projekte. Also benötigt man für ihr Management, ebenso wie für grosse IT-Projekte, ein Drehbuch, das alle Massnahmen aufeinander abstimmt und die Risiken berücksichtigt, aus denen Probleme entstehen könnten. Verkäufer, die in solchen Projekten mitarbeiten, müssen verkaufende Consultants sein, denn ohne solides Fachwissen werden sie vom Gegenüber als Gesprächspartner nicht akzeptiert. Sie müssen zudem auch Beziehungsmanager sein – Persönlichkeiten also, die den Kontakt zum potenziellen Kunden gezielt gestalten. Denn je länger ein Verkaufsprozess dauert umso grösser ist die Gefahr, dass die Beziehung zwischenzeitlich abreisst. Zudem müssen die Verkäufer immer wieder die erforderlichen Impulse setzen, damit der Entscheidungsprozess beim Kunden voranschreitet. Ohne Planung gelingt dies nicht. Denn einerseits gilt es dem Kunden das Gefühl zu vermitteln, dass man sich für ihn interessiert. Andererseits darf bei ihm aber nicht das Gefühl entstehen, dass er zu einer Entscheidung genötigt wird.

Ziel: den Kunden zur Kaufentscheidung führen

Den Kunden zur Kaufentscheidung zu führen, erfordert taktisches Geschick, denn der Informationsbedarf des Kunden verändert sich im Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses. Je weiter er fortgeschritten ist, umso zugespitzter sollten die Informationen auf dessen spezifischen Bedarf sein. Genügen dem Kunden am Anfang allgemeine Produktinfos, so möchte er unmittelbar vor der Kaufentscheidung etwa genau wissen, welche Vor- und Nachteile sich für ihn ergeben, wenn er sich für die entsprechende Konfiguration entscheidet und mit welcher Unterstützung er rechnen kann. Erhält der Kunde diese Informationen nicht, erlahmt sein Interesse. Ähnlich verhält es sich, wenn er zu früh mit zu vielen Details überhäuft wird. Dann fühlt er sich überfordert. Also benötigen die Verkäufer ein feines Gespür dafür, wie weit die Kaufentscheidung beim Kunden fortgeschritten ist und welche Informationen er gerade wünscht.


Dieses Gefühl entwickeln sie nur, wenn die Verkäufer permanent im Dialog mit dem Kunden stehen. Dies ist auch nötig, weil sich im Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses oft die Bedürfnisse des Kunden ändern. Oder die Entscheidungsstrukturen im Unternehmen. Oder die Marktsituation. All diese Dinge können die oft monate- oder gar jahrelange Arbeit von Verkäufern im Handumdrehen zunichtemachen – sofern sie solche Änderungen nicht rechtzeitig registrieren und darauf angemessen reagieren.


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