Der Pinguin erobert gemässigte Breitengrade


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/03

     

Als Sam Palmisano, damals noch Chef der Server-Abteilung von IBM, am Jahrtausendwechsel Linux zu einem Betriebssystemstandard von Big Blue deklarierte, bezweifelten viele Beobachter, dass das freie Betriebssystem einen Platz in der Unternehmens-IT finden würde. Kaum eine Firma hat damals ernsthaft daran gedacht, Linux oder andere Open-Source-Produkte tatsächlich produktiv einzusetzen. Das war auch nicht weiter erstaunlich, schliesslich waren viele Lösungen im Unternehmenseinsatz noch unerprobt, und damals wie heute buhlten zahlreiche Closed-Source-Alternativen um die Gunst der Kunden. In der Realität sind denn auch bis heute viele der lauthals proklamierten Open-Source-Strategien der Branchengrössen nicht wesentlich mehr als Marketing-Instrumente geblieben.







Im Hintergrund hat sich die Situation allerdings dramatisch geändert. Im Server-Bereich haben Open-Source-Produkte wie Linux, Apache und andere mittlerweile die Nase vorn, und auch bei den Entwicklungswerkzeugen führt heute kaum mehr ein Weg an Open-Source-Projekten vorbei.
Ein aktuelles Beispiel ist JBoss: Wie eine soeben veröffentlichte Studie von BZ Research ergeben hat, ist der JBoss-Applikationsserver 2004 mit einem Zuwachs von 26 Prozent zur beliebtesten und bekanntesten Java-Plattform aufgestiegen. Die Open-Source-Plattform wird von 33,9 Prozent der Befragten eingesetzt, womit sie sich vor den proprietären App-Servern von IBM (WebSphere, 32,9 Prozent), BEA (WebLogic 27,9 Prozent) und Oracle (Application Server 10g, 21,9 Prozent) etablieren konnte.


Pragmatische Sicht angesagt

Auch wenn solche Beispiele den momentanen Aufwind für Open-Source-Projekte deutlich zeigen, ist der Einsatz von Open-Source-Software im Unternehmen doch nicht immer einfach. So gehört es derzeit zu den schwierigeren Aufgaben, sich im Dickicht der über 30 mehr oder weniger verschiedenen Lizenzmodelle zurechtzufinden – was gerade für Firmen einige Fallstricke spannt. Zu nennen wären hier etwa Produktehaftung und Patentrecht, die zum Zuge kommen, wenn ein Unternehmen eigene Erweiterungen veröffentlicht (oder gegebenenfalls veröffentlichen muss, weil es die Lizenz verlangt).






In anderen Fällen ist die Open-Source-Alternative schlicht noch nicht reif für den Einsatz im Unternehmen oder hat zumindest nichts zu bieten, was sie gegenüber der proprietären Konkurrenz abheben würde. Ein Beispiel dafür ist OpenLDAP, das zwar als Platzhirsch im Bereich der Open-Source-Verzeichnisdienste auf eine beachtliche Zahl von Implementierungen verweisen kann, gleichzeitig aber auch verschiedene Lücken aufweist, die (noch) gegen einen Einsatz im Unternehmen sprechen.
Dennoch: Die ersten Schritte in der Unternehmenslandschaft hat Open Source bereits erfolgreich hinter sich, und auch wenn noch zahlreiche Mythen und Halbwahrheiten kursieren, lässt sich der Eroberungszug nicht mehr aufhalten. Entscheidungsträger in den Firmen tun deshalb gut daran, am Ball zu bleiben und Open-Source-Alternativen zur derzeit eingesetzten proprietären Software rechtzeitig zu evaluieren.




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