Paynet: Aus eins mach zwei

Weil die Banken das elektronische Zahlungssystem Paynet zwei Mal stoppten, balgen sich jetzt zwei Anbieter um die Biller und Anwender.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/19

     

Die Rechnungsstellung und -bezahlung drängen sich schon lange für die vollständige Elektronisierung auf. Und eigentlich könnte das Ganze in der Schweiz auch schon seit Beginn dieses Jahrtausends aktiv sein. Bloss, der Internet-Hype und der anschliessende Crash haben die Telekurs-Tochter Paynet, das einst weltführende EBPP-System (Electronic Bill Presentment and Payment), zweimal zum Opfer grossbankinterner Richtungsmachtkämpfe werden lassen.




Jetzt will Paynet zum dritten Mal an den Endkunden - mit der Business-Kundschaft wurde schon vor einem Jahr gestartet. Inzwischen gibt es aber ihm Retail-Geschäft Konkurrenz: Die Post, die beim zweiten Paynet-Anlauf noch als vielleicht aktivster Beteiligter mit dabei war, die dann aber, ohne von den Grossbanken gefragt zu werden, vor die Übungsabbruch-Tatsachen gestellt wurde, hat seit letztem Jahr mit Yellowbill ein eigenes System für den Endkunden. Und die Pöstler wollen im nächsten Jahr auch ins Business-to-Business-Geschäft (B2B).


B2C ab Dezember

Paynet selber will nun ab Dezember schrittweise eine Bank nach der anderen in ihr B2C-System aufschalten. Angefangen wird mit der Zürcher Kantonalbank. Die gestaffelte Einführung ist dabei mit den Release-Wechseln des jeweiligen Online-Bankings gekoppelt. Ingesamt 12 Banken, darunter alle grösseren, werden schlussendlich über ihr Internet-Portal die vollständig elektronische Rechnungsabwicklung zur Verfügung stellen.
Paynet selber wird dabei nur im Hintergrund als sogenannter Consolidator tätig sein. Die Kundenschnittstelle bleibt bei den Banken, wie diese das beim ersten Übungsabbruch gefordert hatten. Grosse Volumen dürften in den ersten Monaten bei Paynet nicht anfallen. Schliesslich hat auch die Post bisher insgesamt erst rund 10'000 zumindest eingeschriebene Nutzer.



Der Hauptunterschied zwischen Yellowbill und Paynet liegt in der integrierten Mehrwertsteuerfähigkeit von Paynet. Während sich die Post entschieden hat, ein möglichst schlankes System zu entwerfen und darum auf die digitale Signatur der Zahlungsbelege verzichtet, ist Markus Hornburg, bei Paynet für die Kommunikation zuständig, der Überzeugung, mit diesem Feature einen Trumpf in der Hand zu haben. Die Post wiegelt jedoch ab: Yellowbill sei nichts anderes als ein virtueller Einzahlungsschein und die Archivierung darum Pflicht des Billers, so Adrian Sem, Leiter Billing Solutions bei Postfinance.





Unterschiedliche Finanzierung

Aber auch gegenüber Unternehmen, die ihre Rechnungen künftig über EBPP stellen wollen, fahren Post und Paynet unterschiedliche Strategien. Bei Paynet fallen wegen des komplexeren Systems je nach der Tiefe der Einbindung ins ERP-System höhere Anschlusskosten an. Diese sollen aber auch in einem aufwendigen Fall unter 100'000 Franken liegen, so Hornburg. Die laufenden Kosten werden zwischen den angeschlossenen Banken und den Billern aufgeteilt. Für die Finanzinstitute zahlt sich dies durch eine höhere Attraktivität des Online-Banking und vor allem auch durch eine bessere Datenqualität bei der Rechnungsbegleichung über Internet aus.



Demgegenüber soll die Anschlussgebühr bei Yellowbill für eine getestete ERP-Software nur auf pauschal 500 Franken zu stehen kommen. Danach muss der Biller einen Grundtarif von 70 Rappen pro Rechnung bezahlen.





Kleine müssen warten

Zur Zeit steht Yellowbill aber erst grossen Rechnungsstellern offen. Kleinere Unternehmen werden in einer zweiten Phase angehängt, wenn zum einen die Schnittstelle ihrer ERP-Software zertifiziert ist und zum anderen die meisten der 200 grössten Biller der Schweiz ihre Rechnungen über Yellowbill präsentieren. Um den Softwarehäusern aufzuzeigen, wie sie ihre ERP-Lösungen für Yellowbill fit machen können, plant die Post am 18. Dezember eine Informationsveranstaltung.



Die Rechnungssteller sind über die Schweizer EBPP-Zweispurigkeit nicht glücklich. Zur Zeit sind denn auch Gespräche zwischen der Post und Paynet im Gang, wie Rechnungen möglichst einfach von einem System ins andere gestellt werden können. Die Frage dabei ist, ob die Biller zwei Schnittstellen benötigen werden oder ob eine Art Roaming-Fähigkeit integriert wird. Bis dies geklärt ist, werden sich denn auch die meisten Rechnungssteller noch abwartend verhalten. Roaming-Gebühren wie im Mobilfunk dürften die Biller dabei kaum akzeptieren.




Derweil hat die Post bereits konkrete Pläne, auch ins B2B-Geschäft vorzudringen. In der zweiten Hälfte 2004 soll ein entsprechender Service produktiv werden, so Sem. Noch nicht entschieden ist dabei, ob man dafür die B2C-Software erweitert oder mit einem Dritten zusammen ein neues System entwickelt.



Im reinen Business-Umfeld sind zudem ausser Paynet auch schon andere Anbieter aktiv. So verfügt zum Beispiel Swisscom IT Services auf ihrem E-Marktplatz Conextrade über ein eigenes, E-Invoicing genanntes EBPP-System.




Konkurrenz stimuliert

Damit balgen sich also schon bald mehrere grosse EBPP-Systeme um den Schweizer Markt. Da drängt sich die Frage auf, wieso ein Geschäft, von dem noch vor kurzem von den Grossbanken behauptet wurde, es lohne sich nicht einmal für einen Betreiber, jetzt für zwei rentabel sein soll. Aber sowohl Paynet wie Yellowbill rechnen auch nicht mit dem schnellen Geld. Der Vergleich mit dem Mobilfunk wird herangezogen, wo es auch Jahre dauerte, bis die Technik zum heutigen Geldesel ausgewachsen war. Andererseits belebt Konkurrenz das Geschäft, indem zwei die Aufmerksamkeit auf die Vorteile von EBPP lenken.



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