Editorial

Schnell, cool und intransparent


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/15

     

Was die Open-Source-Community seit Jahren mit eher weniger als mehr Erfolg versucht, könnte Google jetzt mit überraschender Leichtigkeit gelingen: Microsofts Alleinherrschaft auf dem Desktop soll zu einer Episode in den Geschichtsbüchern werden. Mit der Version 2 seiner Desktopsuche erobert der Suchspezialist den Bildschirm vom Rand her. Dabei nutzt er zielgerichtet die Schwachstellen von Microsoft und versteht es, auch noch seine eigenen Mängel als Coolness zu verkaufen.







Dass sich Microsoft jahrelang praktisch gar nicht um die Verwaltung und das Auffinden der Informationen auf dem PC gekümmert hat und die Anwender nach wie vor mit urzeitlichen Baumstrukturen drangsaliert, die zwar für Entwickler, aber auf keinen Fall für Informationsverarbeiter einen Sinn machen, wird für den Softwareriesen jetzt zum Pferdefuss. Und reagieren kann der Koloss auf den wendigen Newcomer kaum. Er verfängt sich im eigenen Netz, das er durch
die Verzahnung von Betriebssystem, Serverdiensten und Applikationen gewoben hat, um die Anwender festzubinden. Derweil lässt Google mit seinem Turnschuh-Image locker halbfertige
Beta-Versionen auf die Anwender los.






Doch wird für die User wirklich alles besser, wenn der «Start-up-Konzern» uns dereinst auch noch die Textverarbeitung als werbefinanzierten Gratisdienst liefert? Ich wage dies zu bezweifeln. Google ist ein abgeschotteter Geheimniskrämer: Nicht einmal enge Freunde der Führungsriege erfahren trivialste Architekturgrundzüge. Der US-Newsdienst News.com wird mit Kommunikationsverweigerung bestraft, weil er mit Google auffindbare Informationen über den Google-CEO Eric Schmidt veröffentlichte. Wer mit der Google-Niederlassung in Zürich in telefonische Verbindung treten will, braucht die persönliche Nummer eines Mitarbeiters, ansonsten ist kein Durchkommen. Transparenz ist für Sergey Brin und Larry Page ganz offensichtlich aussermongolischer Dialekt. Da funktioniert Microsoft inzwischen – wer hätte dies vor einigen Jahren gedacht! – vergleichsweise wesentlich offener und damit auch vertrauenswürdiger.




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